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Ein Landwirt in Schutzkleidung behandelt seine Felder. © public-domain US Dep. of Agriculture

Parkinson durch Pestizide wird in Deutschland Berufskrankheit

Daniela Gschweng /  Deutschland ist damit das dritte EU-Land, das den Zusammenhang zwischen Spritzmitteln und der degenerativen Krankheit anerkennt.

Wie und warum Parkinson genau entsteht, weiss man noch immer nicht. Fest steht aber, dass Menschen, die viel mit Pestiziden hantieren, ein deutlich höheres Risiko haben, daran zu erkranken.

Nach Italien und Frankreich erkennt nun auch Deutschland Parkinson als Berufskrankheit an. Ein ärztlicher Sachverständigenrat hat die Krankheit in Verbindung mit Pestiziden zur Aufnahme in die deutsche Berufskrankheitenverordnung empfohlen. Als Berufskrankheit anerkannt werden kann Parkinson bereits, seit der Antrag am 20. März gestellt wurde.

Betroffen sind vor allem Gärtner:innen, Landwirte, Winzerinnen und anderen Berufsgruppen, die häufig mit Pestiziden arbeiten. Die Anerkennung als Berufskrankheit hat für Erkrankte mehrere Vorteile, unter anderem eine höhere Rente oder finanzielle Unterstützung bei Therapien.

In der Schweiz gibt es kaum Forschung über Pestizide und Parkinson

Die Schweizer Berufsunfallversicherung Suva erkennt zwar an, dass ein höheres Risiko trägt, wer Pestiziden ausgesetzt ist. Beurteilt wird jedoch im Einzelfall.

Der Luzerner Arzt Stefan Bohlhalter beobachtet den Zusammenhang schon länger. Auch in der Politik ist er bereits seit Jahren angekommen. Der Zürcher Regierungsrat muss sich demnächst ebenfalls dazu äussern. Für Bohlhalter liegt die Verbindung zwischen Spritzgift und Parkinson auf der Hand, er hat aber zu wenige Schweizer Daten, um einen Nachweis zu führen.

Die US-Epidemiologin Beate Ritz fand bereits im Jahr 2000, dass in Kalifornien mehr Parkinsonfälle auftreten, wo viele Pestizide genutzt werden. 2009 publizierte sie eine Arbeit über das deutlich höhere Parkinson-Risiko bei Kontakt mit den Pestiziden Maneb und Paraquat.

Auch in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden sei aufgefallen, dass bestimmte Pestizide, das Erkrankungsrisiko um «das zwei- bis fünffache» erhöhten, fasste «Buzzfeed» vor zwei Jahren zusammen.

In vielen europäischen Ländern haben Landwirte das Nachsehen

Italien erkannte Parkinson dann 2008 als Berufskrankheit an, Frankreich 2012. In Deutschland hat es aus verschiedenen Gründen bis 2024 gedauert. So arbeitet der Sachverständigenrat ehrenamtlich und trifft sich nur wenige Male im Jahr.

Viele europäische Landwirtinnen und Landwirte haben also bis heute Pech. Weil es zu wenig Daten gibt, weil sie nicht zentral gemeldet werden, oder weil Studien nicht finanziert werden können. «Le Monde» berichtete beispielsweise 2022 über an Parkinson erkrankte Landwirte in Spanien, die keine Kompensationszahlungen erhalten. Das Zögern liegt teilweise auch daran, noch immer nicht genau bekannt ist, wie genau Parkinson entsteht. 

Wenn die Hände zu zittern beginnen, ist die Krankheit bereits fortgeschritten

Morbus Parkinson ist eine Krankheit, bei der fortlaufend Nervenzellen im Mittelhirn zerstört werden. Dem Körper fehlt zunehmend der Botenstoff Dopamin, der von ihnen produziert wird. Bisher gibt es keine wirksame Therapie. Medikamente können die Symptome lindern, die Zerstörung der Nerven aber nicht aufhalten.

Die ersten Parkinson-Zeichen werden meist übersehen. Typisch sind Riechstörungen und Änderungen der Feinmotorik wie eine krakelige Unterschrift. Mit Fortschreiten der Krankheit verlangsamen sich die Bewegungen, die Muskeln versteifen, die Mimik erstarrt, dazu kommen das charakteristische Zittern und Mühe beim Gehen. Parkinson kann auch zu Demenz führen.

Weltweit leiden mindestens sechs Millionen Menschen an der neurodegenerativen Krankheit, die auch genetisch bedingt sein kann. In Deutschland sind es etwa 400’000, in der Schweiz schätzungsweise 15’000. Vermutlich sind es mehr. Es gibt kein zentrales Meldesystem. Die Zahl der Kranken ist seit den 1990er-Jahren aber deutlich gestiegen. Ob aufgrund der demografischen Entwicklung, besserer Diagnostik, oder ob auch Umweltgifte eine Rolle spielen, wird in der Wissenschaft diskutiert.

Gibt es immer mehr Parkinsonkranke?

Pestizidhersteller werden weiterhin nicht müde, zu behaupten, dass ihre Produkte sicher seien, wenn man sie ordnungsgemäss anwende.

Ein klein wenig Hoffnung gibt es, dass die Zahl der Neuerkrankungen wieder sinkt. Weil es möglicherweise nur diejenigen trifft, die seit ihrer Kindheit mit Pestiziden hantieren. Also Menschen, die Felder gespritzt haben, als es Sicherheitsmassnahmen wie geschlossene Traktorkabinen oder Schutzmasken noch nicht gab, oder als diese noch nicht vorgeschrieben waren.

Inzwischen sind zahlreiche Pestizide verboten, die schädlich für Menschen sind. Das Nervengift Chlorpyrifos ist beispielsweise seit 2020 nicht mehr erlaubt. Den heute Erkrankten und denen, die bald erkranken werden, hilft das wenig, aber den Jungen. Parkinson tritt meist erst im Alter von 50 Jahren oder mehr auf.

Der Umgang mit Schutzmassnahmen war früher zudem mutmasslich laxer, die Massnahmen weniger effektiv. Einigen dieser Umstände sind «Buzzfeed» und Ippen Investigativ nachgegangen. So gibt es Hinweise darauf, dass in der Landwirtschaft Beschäftigte zwar häufig angeben, Schutzausrüstung zu verwenden, es aber nicht ganz so häufig tun.

Sind Pestizide generell giftig?

Alles in allem würde das aber bedeuten, dass Pestizide Krankheiten auslösen können. Greenpeace beispielsweise vertritt schon länger die Auffassung, dass neben Parkinson auch ALS, Autoimmunkrankheiten oder Krebs von Pestiziden ausgelöst werden können.

«Prüfen die Behörden zu lasch?», fragte das SRF vor zwei Jahren, als Ungereimtheiten bei der Prüfung von Chlorpyrifos öffentlich wurden. Gefunden hatte diese ein einzelner Wissenschaftler, der die Zulassungsunterlagen gründlich überprüfte, was schliesslich auch zum Verbot führte. Für eine gründliche Durchsicht fehle den Behörden oft die Zeit, schreibt das SRF.

Nicht überprüft werde bis heute auch der Cocktail-Effekt, also die Auswirkungen, die eine Vielzahl an Umweltgiften auf einen Menschen hat.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • am 28.04.2024 um 18:26 Uhr
    Permalink

    «Gärtner:innen, Landwirte, Winzerinnen»
    – Und was ist mit den armen Landwirtinnen und den männlichen Winzern?
    ‹tschuldigung, aber hier zeigt sich beispielhaft, was für ein Wirrwar durch das gendern angerichtet wird 😉

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 29.04.2024 um 09:22 Uhr
      Permalink

      Die dürfen sich einfach mitvergiftet fühlen ;*)

    • am 30.04.2024 um 07:29 Uhr
      Permalink

      Danke Herr Lehmann. Ein erneutes gutes Beispiel, dass Gendern vom Inhalt ablenkt. Lesbarkeit geht anders.

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