Muskelkrämpfe: Ein Vitamin half
Am Anfang stand ein Experiment. Der chinesische Arzt Jing Tan wollte herausfinden, ob Vitamin K2 Gefässschäden bei Patienten mit Nierenschwäche verbessert, die regelmässig zur Blutwäsche mussten. Solche Patienten leiden oft an schmerzhaften Muskelkrämpfen.
Drei Patienten berichteten ihm, dass ihre hartnäckigen Muskelkrämpfe während dieser Studie viel besser geworden seien. Tan teilte dies seinen Kollegen mit, die daraufhin versuchsweise ebenfalls einigen Patienten Vitamin K2 gaben, mit Erfolg. Im nächsten Schritt folgte eine Studie an 39 Patienten mit Nierenschwäche und hartnäckigen Muskelkrämpfen. Das Vitamin linderte ihre Muskelkrämpfe deutlich.
Täglich eine Kapsel Menachinon-7
Die Ergebnisse des jüngsten Experiments veröffentlichte Tan nun in «Jama Internal Medicine». 103 Personen erhielten acht Wochen lang täglich eine Kapsel Vitamin K2 (Menachinon-7). Die Vergleichsgruppe bekam ein optisch und geschmacklich nicht unterscheidbares Plazebo. Weder die Patienten noch die Studienärzte wussten, wer das Vitamin schluckte und wer das Plazebo.
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mindestens 65 Jahre alt und hatten gelegentlich nächtliche Muskelkrämpfe, die nicht durch irgendeine Erkrankung erklärbar waren (wie etwa Schilddrüsenunterfunktion, Nervenschäden, Alkoholabhängigkeit) oder durch Medikamente verursacht (zum Beispiel entwässernd wirkende Blutdrucksenker).
Deutlicher Unterschied zur Plazebogruppe
Schon in der ersten Woche gingen die Muskelkrämpfe bei denjenigen, die das Vitamin K2 nahmen, leicht zurück. Nach acht Wochen war der Unterschied deutlich: Hatten diese Studienteilnehmenden anfangs noch durchschnittlich 2,6 Muskelkrämpfen pro Woche, waren es am Ende des Versuchs nur noch 0,4. In der Plazebogruppe litten die Probanden zu Beginn wöchentlich 2,7-mal an einem Muskelkrampf und nach acht Wochen 3,7-mal.
In beiden Gruppen verkürzten sich die Muskelkrämpfe und sie wurden leichter. Diese Effekte traten in der Vitamin K2-Gruppe deutlicher zutage.
Seiner Erfahrung nach zeige sich die Wirkung bereits innerhalb der ersten beiden Wochen nach Einnahmebeginn. Stelle man in dieser Zeit keine Wirkung fest, würde er zu anderen Behandlungsmethoden raten, schreibt Tan auf Anfrage.
Wer Blutverdünner nimmt, muss aufpassen
Vitamin K2 gelte laut der WHO als gut verträglich und sicher, so Tan und seine Kollegen. Unerwünschte Wirkungen seien in ihrer Studie keine aufgetreten. Allerdings war sie zu klein und zu kurz, um etwaige Nebenwirkungen – auch längerfristig – sicher zu erfassen. Ungewiss ist auch, ob das Vitamin K2 bei Europäern ebenso gut wirkt wie bei den chinesischen Patientinnen und Patienten.
Natürlicherweise kommt Vitamin K2 beispielsweise im Raclette-Käse vor. Die Dosierung in dieser Studie betrug 180 Mikrogramm Menachinon-7 pro Tag, also deutlich mehr als die täglich empfohlene Zufuhr.
Eine Personengruppe muss vor der Einnahme des Vitamins jedoch gewarnt werden: Wer Blutverdünner vom Typ Marcoumar® benötigt, sollte kein Präparat mit Vitamin K einnehmen, weil es die Wirkung dieses Blutverdünners aufhebt.
Mittel gegen Muskelkrämpfe
- Die krampfenden Muskeln rund 30 Sekunden lang sanft dehnen, auch vorbeugend, zum Beispiel vor dem Zu-Bett-Gehen mehrmals die Waden dehnen.
- Dehydrierung vermeiden. Denn bei zu starker Entwässerung – sei es durch starkes Schwitzen oder infolge entwässernd wirkender Medikamente – kommt es eher zu Muskelkrämpfen. Koffeinhaltige Getränke können kontraproduktiv sein.
- Versucht wird oft ein Nahrungsergänzungsmittel mit Magnesium. Es gibt jedoch kaum Beweise, dass dies hilft. Eventuell nützt es aber gegen Muskelkrämpfe während der Schwangerschaft.
- Der Wirkstoff Chinin reduziert die Nervenerregbarkeit und kann gegen Muskelkrämpfe helfen. Ein Versuch mit einem Fläschchen chininhaltiger Limonade wie zum Beispiel Schweppes ist erlaubt. Da Chinin in höheren Dosen Herzrhythmusstörungen verursacht, sollte sein Einsatz – wenn überhaupt – nur mit ärztlicher Überwachung erfolgen.
- Der süss-saure Sud von eingelegten «Mixed Pickels» (etwa ein Milliliter pro Kilo Körpergewicht) soll in kleinen Experimenten gegen Muskelkrämpfe von Sportlern geholfen haben. Möglicherweise genügt es sogar, den Mund mit dem Sud bloss auszuspülen oder etwas Saures zu lutschen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Seit wir täglich etwa ein Schnapsglas Magnesium nehmen (gelöstes Magnesiumchlorid in Vorratsflasche), sind die nächtlichen Krämpfe weg…
@ Hrn. Schweizer: aus ihrem Kommentar geht nicht hervor, wie stark konzentriert diese Lösung ist. Magnesium wird über die Nieren ausgeschieden. Bei Nierenschwäche kann es zur Magnesium-Vergiftung kommen. «Stat Pearls» hat einen informativen (englischsprachigen) Artikel zur Toxizität von Magnesium veröffentlicht. Hier noch eine Stellungnahme des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung betr. «Höchstmengenvorschläge für Magnesium in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln».
33g Magnesiumchlorid auf einen Liter Wasser – von der Mischung nehmen wir so 20-30 ml pro Person und Tag.
Im Sommer oder nach stark schwitzender körperlicher Aktivität hat – bei mir – abends vor dem Zubettgehen eine Tasse Bouillon geholfen. Achtung: zu viel Zuckerzeugs (Schoggi etc.) kann ebenfalls zu nächtlichen Wadenkrämpfen führen. Magnesiumtabletten (fest oder flüssig) waren bei mir eben so nutzlos, wie Dehnen…