Gentherapie für 1 Mio pro Patient ist ein Flop
Für das Behandeln eines einzigen Patienten verlangte die niederländische Pharmafirma «uniQure» über eine Million Franken. An der seltenen Störung des Fettstoffwechsels, gegen die das Medikament «Glybera» helfen sollte, leiden in ganz Europa nur einige hundert Patientinnen und Patienten. Das Geschäft mit seltenen Krankheiten oder «Orphan Drugs» boomt aus zwei Gründen:
- Die Pharmakonzerne müssen den Nutzen dieser Medikamente nicht wissenschaftlich nachweisen, sondern nur plausibel machen. Begründung: Seriöse Studien über die Wirksamkeit sind wegen der (zu) kleinen Zahl betroffener Patienten nicht möglich.
- Die Pharmakonzerne können für solche Medikamente Phantasiepreise verlangen. Diese seltenen Krankheiten sind meist wenig erforscht und es gibt nur selten wirksame Therapien und meistens keine anderen Medikamente.
«Glybera» aber wurde zum Flop. Es war viel zu teuer, und es war äusserst umstritten, ob es überhaupt wirkt. Am 20. April 2017 informierte Herstellerin «uniQure» in einer Mitteilung ausschliesslich an Investoren, dass sie keine Verlängerung der befristeten Zulassung beantragen werde. Damit darf «uniQure» das Medikament ab 26. Oktober 2017 in den EU-Ländern nicht mehr verkaufen. In den USA war «Glybera» nie zugelassen – die FDA verlangte vergeblich einen etwas überzeugenderen Nachweis der Wirksamkeit. In der Schweiz hat die Pharmafirma bei der Swissmedic nie einen Zulassungsantrag gestellt.
Medien berichteten über die Lancierung und schweigen über den Rückzug
Am 8. November 2012 konnte man in der NZZ online lesen: «Vor wenigen Tagen wurde erstmals in Europa eine Gentherapie als Behandlung zugelassen … Die Fachwelt feiert die Zulassung als wichtigen Schritt auf dem steinigen Weg zur Gentherapie … Glybera könnte der Türöffner für weitere Gentherapien werden. So möchte Uniqure die bereits erprobte und offiziell genehmigte Genfähre denn auch mit anderen Genen bestücken. Auch diese Konstrukte könnten, sofern sie bei seltenen und derzeit unbehandelbaren Erkrankungen eingesetzt werden, eine beschleunigte Zulassung erhalten.»
Im März 2013 hatte «uniQure» am grössten «Life Science»-Kongress in Europa das Medikament vor 1100 Teilnehmenden aus 22 Ländern als «Meilenstein» präsentiert. «Glybera» sei das erste in der westlichen Welt zugelassene gentherapeutische Medikament.
Den jetzigen Rückzug des Medikaments dagegen gab das Pharmaunternehmen sehr diskret nur an Investoren bekannt. Mit Erfolg: Über zwei Monate sind seither vergangen und laut Mediendatenbank hat keine einzige Zeitung in der Schweiz darüber informiert.
Nutzen von Anfang an fragwürdig
Um im Jahr 20121 grünes Licht der Europäischen Zulassungsbehörde EMA für «Glybera» zu erreichen, musste die Pharmafirma nicht den geringsten Beweis erbringen, dass die Patienten dank der Millionen-Therapie länger leben oder wenigstens eine etwas bessere Lebensqualität haben. Es genügte, dass im Labor ein bestimmter Blutfettwert wegen des Medikaments etwas zurück ging. Ob diese leichte Verbesserung eines Messwerts den Patienten etwas nützt, musste die Pharmafirma nicht nachweisen. «Die Datenlage war extrem schlecht», stellte das von der Pharma unabhängige deutsche «Arzneitelegramm» fest.
Im Gegensatz zur EMA hatte die US-Bewilligungsbehörde FDA weitere Studien verlangt, bevor sie eine Zulassung in Betracht zieht. Darauf zog «uniQure» den Zulassungsantrag in den USA zurück.
Den jetzigen Rückzug von «Glybera» begründet die Herstellerin mit «wirtschaftlichen Gründen». Zwar kam die extrem teure Gentherapie tatsächlich seltener zum Einsatz als erhofft, doch das «Arzneitelegramm» vermutet, dass die Resultate einer weiteren Studie, welche die EMA bei der zeitlich befristeten Zulassung im Jahr 2012 verlangt hatte, negativ verlief. Eine endgültige Zulassung, die nächsten Oktober fällig geworden wäre, sei deshalb ausser Reichweite gelangt.
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