Das Schmieren von Ärzten ist keine Korruption
Zuerst die von niemandem bestrittenen Fakten:
1. Ein Pharmakonzern zahlte Ärzten eine Prämie von fünf Prozent der Medikamentenpreise, falls diese Ärzte Arzneimittel dieses Konzerns verschreiben. Dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe lag ein Fall vor, bei dem der Pharmakonzern einem Arzt 18’000 Euro als Prämie auszahlte – getarnt als Honorar für wissenschaftliche Vorträge.
2. Ein Hersteller von Geräten für eine Reizstromtherapie stellte allen Ärzten, welche ihren Patientinnen und Patienten Therapien mit diesen Geräten verschrieben, als Gegenleistung gratis hochwertige andere Geräte zur Verfügung. Im konkreten Fall erreichte der Wert solcher Geschenke 350’000 Euro.
«Weder Korruption noch Bestechung»
Die Abteilung für Strafdelikte des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob sich diese Ärzte der Korruption schuldig machten und die Pharmakonzerne der Bestechung.
Beides sei nicht der Fall, befand der Bundesgerichtshof am Freitag in einem Grundsatzurteil. Deshalb darf das Bestechen von Ärzten ab sofort nicht mehr Bestechung genannt werden – weil legal.
Der Grund ist ein formaler: Wegen Bestechlichkeit macht sich nur strafbar, wer ein »Amtsträger” ist oder ein »Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs” ist. Beides sei bei den freiberuflichen Praxisärzten nicht der Fall.
Pharmaverkäufer dürfen deshalb auch in Zukunft so viele Geschenke und Provisionen anbieten, wie sie wollen. Und freiberufliche Ärzte dürfen sie problemlos einstecken. Alles völlig legal und damit in Ordnung.
Anders die Ärzte, die von einem Spital oder von einem Ärztenetzwerk angestellt sind: Sie machen sich strafbar, falls sie solche Geschenke annehmen, und können ihren Job verlieren.
Berechtigtes Misstrauen bei Patientinnen und Patienten
Aus dem Arsenal von Medikamenten wählen manche Ärzte – auch in der Schweiz – nicht diejenigen aus, die für die individuellen Patientinnen und Patienten die zweckmässigsten sind, sondern diejenigen, bei denen Ärzte die grössten Kickbacks verschiedenster Art von den Pharmaverkäufern erwarten können, oder die sie (als Selbstverkäufer) an ihrem kleinen Lager haben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor vertritt Patienten und Konsumentinnen in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.
In der Schweiz gibt es Art. 4a UWG, der auch solche private Bestechung als «Bestechung» bezeichnet. Diese Art der Bestechung ist zudem ebenfalls strafbar, wenn auch nur auf Antrag (Art. 23 Abs. 1 UWG). Man dürfte aber wohl den erfüllten Tatbestand, selbst wenn niemand Strafantrag stellt, Bestechung nennen.