Masken ÖV

Dass Masken nicht immer nützten, lag auch an ihren Trägern. © e.a.nekrasov / Depositphotos

Masken: Science Taskforce täuschte die Öffentlichkeit

Martina Frei /  Die Wissenschaftler machten Politik. Sie wandten bei den Masken den gleichen Trick an wie Pharmafirmen.

Vor vier Jahren beschloss der Bundesrat die Maskenpflicht im ÖV. Die «Nationale Covid-19 Science Task Force» leistete ihm dabei Schützenhilfe. 

Die Argumentation der Taskforce gründete auf einer Studie in der Fachzeitschrift «The Lancet». Diese von der WHO gesponserte Meta-Analyse sollte zeigen, was zum Nutzen von Masken bis dahin wissenschaftlich erforscht war. Sie erschien online am 1. Juni 2020. 

Doch sie enthielt viele Mängel: Da waren Zahlen falsch übertragen worden und Daten falsch interpretiert. Zudem widerspiegelten die Daten grösstenteils die Situation in Gesundheitseinrichtungen, aber nicht im ÖV oder in Läden. Es flossen Daten zum Nutzen der Masken gegen das Mers-Virus ein, einem anderen Virus als Sars-CoV-2. Und so weiter. 

«Hochproblematische» Studie

«Hochproblematisch» sei diese Studie gewesen, kritisierte beispielsweise Peter Jüni, Professor an der Universität Toronto und Direktor der damaligen wissenschaftlichen Taskforce der Provinzregierung in Ontario (Infosperber berichtete). Nebst Jüni äusserten weitere Wissenschaftler erhebliche Bedenken. 

Die wissenschaftliche Taskforce der Schweiz aber stützte sich massgeblich auf die «Lancet»-Studie. Diese zeigte, dass sich mit Masken im Durchschnitt vermutlich 3,1 Prozent der Personen anstecken und ohne Masken etwa 17,4 Prozent. Das macht eine absolute Differenz von 14,3 Prozentpunkten – falls man aus dieser Studie überhaupt Zahlen ableiten will.

Maskenstudie in «The Lancet»
Ausschnitt aus der Studie in «The Lancet». Die Autoren waren unsicher, wie nahe ihre Schätzwerte der Wahrheit kommen.

In ihrer Kurzantwort vom 4. Juni 2020 auf verschiedene Fragen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) schrieb die «Nationale Covid-19 Science Taskforce» jedoch: «Das Tragen einer Maske könnte das Risiko, sich zu infizieren, um bis zu 80 Prozent senken.» Einschränkend fügte sie dort noch hinzu, dass «Störfaktoren nicht ausgeschlossen werden können und die Schätzung […] beeinflussen könnten.»

Bildschirm­foto 2024-07-01 um 07.52.06
Auszug aus der Stellungnahme der Taskforce vom 4. Juni 2020.

Bei den «80 Prozent» griff die Taskforce auf einen alten Trick zurück, den auch Pharmafirmen immer wieder gern anwenden, um Ergebnisse besser aussehen zu lassen. Die Taskforce nannte relative Zahlen, denn sie gab das Verhältnis zwischen zwei Prozentzahlen an: 17,4 Prozent sind über 80 Prozent mehr als 3,1 Prozent. Solche Angaben gelten als wissenschaftlich unseriös, wenn der Nutzen nicht gleichzeitig in absoluten Zahlen angegeben wird.

Am 8. Juni 2020 bekräftigte die Taskforce in einer weiteren Antwort ans BAG: «Die WHO hat festgestellt, dass medizinische Masken das Übertragungsrisiko um bis zu 80 Prozent senken können.»

Bildschirm­foto 2024-07-01 um 07.53.04
Auszug aus der Stellungnahme der «Nationalen Covid-19 Science Taskforce» vom 8. Juni 2020.

Der damalige Leiter der Taskforce, Matthias Egger, hatte Studentinnen und Studenten früher selbst beigebracht, wie Zahlen kommuniziert werden sollten, damit sich Laien ein Bild machen können. Die alleinige Angabe relativer Prozentzahlen lässt den Nutzen sehr gross erscheinen und ist deshalb nicht geeignet. Das gehört zum medizinischen Allgemeinwissen. Doch als es um die Masken ging, wandte die Taskforce diesen Trick an. Mit Erfolg.

«Neue Studien zeigen: Die Maske schützt einen selbst eben doch», titelte der «Tages-Anzeiger» am Morgen des 1. Juli 2020. «Auch können Masken die Übertragungsraten in der Öffentlichkeit um bis zu 80 Prozent senken. Das sagt die Taskforce des Bundes in einem aktuellen Bericht», erfuhren die Leserinnen und Leser grosser Tamedia-Zeitungen. 

Stunden später verkündete der Bundesrat die Maskenpflicht im ÖV. 

Titelseite «Tages-Anzeiger» vom 1. Juli 2020
Die Titelseite des «Tages-Anzeiger» vom 1. Juli 2020.

Statt «bis zu 80 Prozent» neu «33 Prozent»

Die Taskforce veröffentlichte gleichentags ihren nächsten «Policy Brief». Dort schrieb sie nun, die Meta-Analyse in «The Lancet» habe gezeigt, dass es bei Menschen, die eine Maske trugen, «nur 33 Prozent so wahrscheinlich» war, dass sie sich ansteckten, verglichen mit solchen, die keine Maske trugen. Auch dies war eine relative Zahl, die sich auf eine Teilanalyse in der «Lancet»-Studie bezog, die Atemschutzmasken (N95) ausklammerte.

Die Autoren der Studie seien bezüglich der Zahlenangabe allerdings nicht sehr sicher, schränkte die Taskforce jetzt wieder ein. Sie seien jedoch sehr sicher, dass Masken einen Nutzen hätten. Von «bis zu 80 Prozent» war im «Policy Brief» vom 1. Juli 2020 keine Rede mehr.

1.7.2020
Auszug aus der Stellungnahme der Taskforce vom 1. Juli 2020.

Im Folgenden blieb die Taskforce bei 33 Prozent. Auch in der deutschen Übersetzung vom 13. Juli schrieb sie zu den Masken: «Gemäss einer […] Metaanalyse, die im Juni 2020 in der medizinischen Fachzeitschrift «The Lancet» erschienen ist, verringern sie das Infektionsrisiko um etwa ein Drittel.»

«Anzumerken ist zudem, dass bisher keine Studie negative Auswirkungen des Maskentragens nachgewiesen hat», schrieb die Taskforce dort weiter. Damit widersprach sie der WHO, die mit Berufung auf mehrere Studien bereits im Juni 2020 elf potenzielle Nachteile des Maskentragens aufgezählt hatte, darunter Hautausschläge im Gesicht, Kopfschmerzen, Kontamination der Masken und herumliegenden Masken-Müll.

Autoren und Bundesamt schweigen

Infosperber bat die Autoren der Taskforce um eine Erklärung. Sie antworteten nicht. Auch die Frage, weshalb die Taskforce einzig relative Risikoreduktionen nannte, obwohl gute Wissenschaftskommunikation die Angabe absoluter Zahlen erfordert, beantworteten die Verantwortlichen nicht.

Das von Infosperber angefragte Bundesamt für Gesundheit hüllt sich ebenfalls in Schweigen.

Martin Ackermann, der die Taskforce später leitete, antwortete 2020 auf eine Anfrage von Infosperber: «Unsere Absicht war, eine anschauliche Interpretation der Risikoreduktion zu offerieren […]. Aber ohne weitere Angaben ist unsere Interpretation in der Tat wohl eine zu starke Vereinfachung.»

Bildschirm­foto 2024-06-25 um 21.56.33
Auszug aus der deutschen Übersetzung vom 13. Juli 2020.

Cochrane-Vereinigung zog andere Schlüsse

Autoren der Cochrane-Vereinigung fanden anhand der als am besten geltenden (sogenannten randomisierten) Studien «einen geringen oder gar keinen Effekt» der Masken. Sie bemängelten überdies «einen frustrierenden Mangel an aussagekräftigen Studien» zur Frage, ob Masken auch unerwünschte Wirkungen haben. Politiker hätten auf dieser Basis entscheiden müssen.

Ein relativer Nutzen von 80 Prozent ist eine Nullnummer*

Ein Gedankenexperiment verdeutlicht dies. Angenommen, 100’000 Personen sitzen eine Stunde lang in einem gut gefüllten Zug.

Beispiel 1:

Wenn niemand eine Maske trägt, stecken sich 80’000 der 100’000 Personen mit dem Virus an.
Wenn alle eine Maske tragen, stecken sich nur 16’000 mit dem Virus an.

Man kann mitteilen: «Wenn 100’000 Personen im Zug eine Maske tragen, stecken sich von ihnen 64’000 weniger mit dem Virus an.

Man kann ebenfalls mitteilen: «Das Tragen von Masken verringert das Risiko, sich im Zug zu infizieren, um rund 80 Prozent.» [16’000/80’000]

Beispiel 2:

Wenn niemand eine Maske trägt, stecken sich 800 der 100’000 Personen im Zug mit dem Virus an.
Wenn alle eine Maske tragen, stecken sich nur 160 mit dem Virus an.

Man kann mitteilen: «Wenn 100’000 Personen im Zug eine Stunde lang eine Maske tragen, stecken sich von ihnen 640 weniger mit dem Virus an.

Man kann jedoch ebenfalls mitteilen: «Das Tragen von Masken verringert das Risiko, sich im Zug zu infizieren, um rund 80 Prozent.» [160/800]

Es ist daraus klar ersichtlich, dass die alleinige Information, die Masken würden das Risiko um 80 Prozent reduzieren, nur einen Teil der Information liefert. Denn es kann sich um 64’000 Personen handeln, die einen Nutzen haben – oder auch nur um 640 Personen. Der sogenannte relative Nutzen (in diesem Fall 80 Prozent) wird häufig verwendet, um je nach Absicht Risiken oder Nutzen aufzubauschen.

In oben erwähnten «Lancet»-Analyse steckten sich – hochgerechnet auf 100’000 Personen – ohne Maske schätzungsweise 17’400 an. Mit Maske waren es 3100 von 100’000 Personen. Das sind 14’300 weniger. Die Reduktion betrug absolut 14,3 Prozent, relativ waren es rund 80 Prozent. (Die in die «Lancet»-Analyse eingeschlossenen Studien wurden jedoch nicht in Zügen durchgeführt, sondern überwiegend im Gesundheitsbereich.) Betrachtete man ausschliesslich Gesichtsmasken (und keine FFP2- oder N95-Atemschutzmasken) betrug die relative Reduktion rund 67 Prozent. (upg/mfr)

_____________________

*Der Kasten wurde nachträglich eingefügt und präzisiert.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Coronavirus_1

Coronavirus: Information statt Panik

Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

Bildschirmfoto 2022-10-28 um 12.25.44

Wissenschaft

Transparent, reproduzierbar und unabhängig von wirtschaftlichen Interessen sollte sie sein.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

10 Meinungen

  • am 9.07.2024 um 11:38 Uhr
    Permalink

    Dies ist nicht die einzige, hanebüchene Unstimmigkeit im Zusammenhang mit der Maskenpflicht in den ÖV’s. Ein Fakt der viel zu wenig Beachtung findet möchte ich hier erläutern.

    Der Bundesrat argumentierte damals auch mit den steigenden Fallzahlen. Zustande kam diese Steigerung folgendermassen: Ab dem 25.06.2020 wurden Covid-Tests vom Bund übernommen. Wer sich testen liess, musste den Test nicht mehr selber bezahlen. Innerhalb weniger Tage verdreifachte sich dadruch die Anzahl Tests und somit, bei gleichbleibender Testpositivitätsrate, natürlich auch die Fallzahlen.

    Hätte man, anstatt des Absolutwerts «Fallzahl», den Relativwert «Testpositivitätsrate» verwendet, wäre die Argumentation nicht schlüssig. Absolutwerte um statistische Veränderung zu quantifizieren ist absoluter Unsinn und es erstaunt, wie wenig «Intellektuele» dies bemerkten und bemängelten. Bis heute.

  • am 9.07.2024 um 11:45 Uhr
    Permalink

    Die Cochran Review wird missverständlich geteilt, dazu sollte man von der Cochrane-Vereinigung lesen: «Statement on ‹Physical interventions to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses› review»

    Zum Nutzen von Masken sind solche Studien wenig hilfreich, letztlich geht es um Physik. Und dazu gibt es brauchbare Studien, z.B von der Max-Planck-Gesellschaft (Artikel mit dem Titel «So gut schützen Masken» suchen).

    • am 10.07.2024 um 13:34 Uhr
      Permalink

      «Zum Nutzen von Masken sind solche Studien wenig hilfreich, letztlich geht es um Physik»

      Ganz im Gegenteil, theoretische physikalische Modelle decken sich offensichtlich nicht mit der Realität. Dies aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt aber, weil die physikalischen Modelle menschliches Verhalten und epidemiologische Fakten nur unzureichend abbilden können. Der Cochrane Review zeigt anhand echter Daten mittels wissenschaftlicher Evidenz, dass eine Maskenpflicht in der breiten Bevölkerung mindestens nutzlos, wenn nicht gar schädlich ist.

    • am 10.07.2024 um 14:10 Uhr
      Permalink

      Nachdem noch während der Massenhysterie die Cochrane-Editorin sich durch wütende Shitstorms der Glaubensgemeinschaft zu einem wirren relativierenden Statement hinreißen ließ, nun final:

      Es wird KEINE Änderung des originalen Review-Wortlauts geben!

      Die aggregierte High-Level Evidenz aller hochwertigen randomisiert-kontrollierten Studien zeigt KEINEN signifikanten Schutzeffekt durch Atemschutzmasken bei respiratorischen Viren.

      Nach wütenden Reaktionen einflussreicher Maskitos mit Verweis auf während der Pandemie inflationär erschienene Low-Level Schrottstudien hatte die am Review selbst nicht beteiligte Editorin zunächst vor angeblichen „Fehlinterpretationen“ gewarnt.

  • am 9.07.2024 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Können Journalisten keine Statistik lesen? Es war beinahe allein der K-Tipp, der während der Pandemie die Behördenangaben kritisch befragte. Also glauben wir bei der nächsten Panikmache nicht mehr den Behörden und ihren Hofberichterstattern, sondern wagen wir das kantianische „aude sapere“ (den eigenen Verstand gebrauchen)!

  • am 9.07.2024 um 15:58 Uhr
    Permalink

    Das Problem ist die Obrigkeitshörigkeit, wenn der Regierung der grösste Unsinn geglaubt wird.

  • am 10.07.2024 um 10:30 Uhr
    Permalink

    Man sieht es auch am Verlauf des Infektionsgeschehens in der Schweiz: Das Maskenobligatorium im ÖV war, obwohl es fast vollständig umgesetzt wurde, komplett wirkungslos.

    Eine andere Frage ist aber auch: Was wollte man damit erreichen? «Flatten the curve» war sicher nicht das Motto, denn von einer grossen Infektionswelle, welche das Gesundheiswesen überlastet hätte, war mitten im Sommer keine Spur zu erkennen.
    Das Maskenobligatorium war eigentlich ein (völlig untauglicher) Versuch, das Corona-Virus auszurotten. Man hätte schon im Sommer 2020 wissen müssen, dass dies nicht möglich ist.

  • am 10.07.2024 um 16:57 Uhr
    Permalink

    Es waren heftige Streitgespräche mit Mitarbeitern und Vorgesetzten zum Thema Maske, die ich damals erleben musste. Das Tragen der Maske wird sicher in einigen Jahren kulturgeschichtlich intensiv untersucht werden; m.A. handelte es sich, wie auch beim Testen (für einige mit Qual und Schmerzen verbunden) um eine quasi-religiöse Kulthandlung, die – wie für Religionen üblich – als notwendig und richtig hingenommen und nicht mehr in Frage gestellt wurde. Gleiches waren die «Zahlen» – irgendeine unsaubere Statistik zu angeblichen täglichen Neuinfektionen (natürlich nicht Erkrankungen), die wie Börsenkurse inhaliert wurden. Psychologisch sehr geschickt wurde ein Großteil der Bevölkerung in Panik, Ärzte- und Politikerhörigkeit, Hysterie manövriert. Das Forcieren der Maske war hier ein wesentliches und unverzichtbares Element, das besonders gut zur Ausgrenzung geeignet war. Alles wie aus einem Lehrbuch zur Menschenmanipulation.

  • am 10.07.2024 um 20:10 Uhr
    Permalink

    Ich wundere mich, wieso dies damals (2020) aktuell nicht hinterfragt wurde?
    Dies gilt übrigens für die ganze Covid-Panikmache welche vom Bund die Gesellschaft geteilt hat.

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 11.07.2024 um 08:20 Uhr
      Permalink

      Immerhin wies Infosperber im Juli 2020 darauf hin, siehe hier.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...