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Titel der Sonntags-Zeitung vom 28.9.2014 © SoZ

Unangemeldete strenge Kontrollen zeigen Wirkung

upg /  Alters- und Pflegeheimunternehmen zocken Steuer-, Prämienzahler und Betagte ab. Die «Sonntags-Zeitung» macht den Missstand publik.

250’000’000 Franken Gewinn machten 850 der insgesamt 1558 Alters- und Pflegeheime im Jahr 2012. Viele gewinnorientierte Heim-Unternehmen erschlichen sich exorbitante Profite mit betrügerischen Einstufungen in zu hohe Pflegekategorien, mit vorschriftswidrig wenig Personal, zu wenig qualifiziertem Personal und mit Überbelegungen. Das ergibt eine Auswertung von Daten des Bundesamts für Gesundheit, welche die «Sonntags-Zeitung» am 28. September 2014 ausgewertet hat.

Unter dem Titel «Das Geschäft mit den Alten braucht mehr Transparenz» kritisiert Chefredaktor Arthur Rutishauser, dass die staatlich subventionierten Unternehmen im Altersbereich nicht einmal ihre Gewinne ausweisen, geschweige denn ihre Ausgaben und Cheflöhne publizieren müssen: «Statt stundenlang über Missbrauchsfälle oder darüber zu diskutieren, ob man denn den Ärmsten noch 50 Franken Sozialhilfe streichen soll, würden die Politiker lieber auf diesem Gebiet handeln.»
Opfer sind Heimbewohner und alle Zahlenden
Opfer sind in erster Linie die Betagten in diesen Heimen, die zu wenig gepflegt, zu früh ins Bett geschickt und ruhig gestellt werden. In zweiter Linie geht es um das Geld von Kantonen, Gemeinden, von Prämienzahlenden und auch von Heimbewohnerinnen und -bewohnern, welche die Alters- und Pflegeheime finanzieren.
Gemäss den Zahlen des Bundesamts für Gesundheit waren 2012 mindestens 234 Heime rechtswidrig überbelegt. Falls es Krankenkassen merken, fordern sie Geld zurück. Im Kanton Zürich hatten dreissig Heime deutlich weniger Personal als vorgeschrieben, im Kanton Bern waren es zwanzig.
Unangemeldete Kontrollen
Obwohl die Sozialdemokraten privaten Konzernen im Gesundheitswesen kritisch gegenüberstehen, hat der Berner SP-Gesundheitsdirektor Philippe Perrenoud bisher kaum etwas unternommen, um den privaten Pflegeheim-Konzernen auf die Finger zu schauen. Dabei hätte er sich an seinem Waadtländer Parteikollegen und Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard ein Vorbild nehmen können.
Seit im Kanton Waadt Inspektoren in Pflege- und Altersheimen und -residenzen um sechs Uhr früh unangemeldet aufkreuzen und einen ganzen Tag lang inspizieren, hat sich die Qualität der Versorgung in diesem Westschweizer Kanton massiv verbessert. Die Inspektionen finden pro Heim im Durchschnitt nur rund alle zwei Jahre statt, doch allein das Risiko eines unangemeldeten Besuchs hat gewirkt: Im Jahr 2008, dem ersten Jahr dieser unangemeldeten Besuche, wurden noch 24 Waadtländer Betriebe erwischt, die zu wenig Personal angestellt hatten, im laufenden Jahr sind es bis heute nur deren vier.
Im Kanton Waadt sind heute zehn Inspektorinnen und Inspektoren permanent unterwegs, darunter Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Ernährungsspezialisten und drei Buchhalter.
Der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher fordert in der «Sonntags-Zeitung», dass auch andere Kantone ein Altersheiminspektorat schaffen und Kontrollen unangemeldet durchführen: «Es fehlt bei den Behörden zum Teil der politische Wille, die geltende Ordnung durchzusetzen.»

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DIE DREI GRÖSSTEN HEIM-UNTERNEHMEN
Die Senevita-Gruppe mit Sitz in Muri BE betreibt nach eigenen Angaben 17 Betriebe in der ganzen Schweiz mit einem Umsatz von über 100 Millionen Franken. Senevita gehört dem französischen Konzern Orpea, einem «europäischen Leader im Bereich der Seniorenpflege».
Die Zürcher Gruppe Tertianum (auch VitaDomo) betreibt in der ganzen Schweiz 21 Seniorenresidenzen mit einem Umsatz von 223 Millionen Franken und über 1200 Vollzeitstellen. Die Gruppe gehört dem Immobilienkonzern «Swiss Prime Site»
Die St. Galler Seniocare betreibt in der deutschen Schweiz 27 Häuser mit einem Umsatz von 100 Millionen Franken. Seniocare gehört mehrheitlich dem Investmentkonzern Waterland.
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