Buholzer Stalder. Fabian Hugo

Interpharma-Geschäftsleiter René Buholzer (links) und SKS-Geschäftsleiterin Sara Stalder im Gespräch. © Fabian Hugo

Sogar ein Pharma-Lobbyist ärgert sich über die Medi-Margen

Urs P. Gasche /  Seit Jahren kritisieren Preisüberwacher und SKS unsinnige Margen, welche Apotheken und Ärzte zum Verkauf teurerer Medis verleiten.

Seit vielen Jahren verdienen die Apotheken und die selbst verkaufenden Ärzte mehr, wenn sie unter austauschbaren Medikamenten die teuersten verschreiben oder verkaufen. Aus diesem Grund ist beispielsweise der Anteil der günstigen Generika in der Schweiz viel kleiner als in Skandinavien oder Holland. Auf diesen Missstand hat Infosperber schon mehrmals hingewiesen, im Jahr 2013 unter dem Titel «Bundesrat Berset belohnt den Verkauf von teuren Medikamenten».

In seinen öffentlichen Äusserungen unterstützt jetzt selbst Interpharma-Geschäftsleiter René Buholzer den Preisüberwacher und die Stiftung für Konsumentenschutz SKS. In einem Streitgespräch mit SKS-Geschäftsleiterin Sara Stalder erklärte Buholzer: «Bei den staatlich festgesetzten Margen muss der Hebel angesetzt werden, indem Margen vereinheitlicht werden.» Es könne nicht sein, dass der Arzt oder der Apotheker unterschiedliche Anreize haben, um ein Medikament abzugeben.1

Der Aufwand eines Arztes oder Apothekers ist der gleiche, ob er von austauschbaren Medikamenten das günstigere oder das teurere verkauft. Doch mit den teureren gibt es mehr Franken zu verdienen. So will es eine Verordnung des Bundesrates.

Ausrede des Bundesrats

Als Ausrede diente dem Bundesrat das Argument, bei identischen Margen in Franken müssten die Margen der günstigen Medikamente erhöht werden, damit Apotheker und Ärzte gleich viel verdienen wie vorher. Das wäre jedoch auch der Fall, falls sich Apotheken und Ärzte an das Gesetz halten würden. Denn dieses schreibt vor, dass jeweils das wirtschaftlichere Arzneimittel abgegeben werden muss, sofern Wirksamkeit und Zweckmässigkeit identisch sind (WZW-Kriterien).

Dass die Margen der günstigen Medikamente heute keineswegs zu tief sind, ist auch daran ersichtlich, dass die Margen in Prozent in der Schweiz deutlich höher sind als in fast allen anderen Ländern Europas.

Kommt hinzu, dass die Prämienzahlenden und die Krankenkassen davon profitieren würden, wenn nicht unnötig viele teure Medikamente verschrieben würden.

Kassen müssen sogar bei völlig identischen Medikamenten auch die teureren zahlen

Neben den Nachahmerprodukten (Generika) sind auch völlig identische Medikamente auf dem Markt, die auf den gleichen Maschinen mit den identischen Kapseln hergestellt werden – aber unter dem Originalnamen teurer verkauft werden. Doch der Bundesrat verdonnert die Krankenkassen seit Jahren dazu, unter diesen völlig identischen Arzneien auch die teureren zu vergüten. Die gesetzliche Vorgabe der Wirtschaftlichkeit wird durch eine Verordnung ausser Kraft gesetzt. Keine Krankenkasse hat bisher den Mut aufgebracht, den Aufpreis für solche unwirtschaftlichen Medikamente zu verweigern. Ein Gang bis vor das Bundesgericht würde sich für den Ruf der Kassen lohnen.

Pharmafirmen bringen solche identischen, aber günstigeren Medikamente häufig auf den Markt, kurz bevor das Patent auf ihrem eigenen Original abläuft. Damit versuchen sie der Konkurrenz zuvorzukommen, welche Generika zum Original produzieren möchte. Das habe den Vorteil, argumentiert das BAG, dass eine günstige Alternative schon vor Ablauf eines teuren patentierten Arzneimittels zur Verfügung stehe. Diese Argumentation ist jedoch wenig überzeugend, wie Infosperber am 22.10.2017 darlegte unter dem Titel «Warum müssen die Kassen auch das Teure zahlen?»

Höherer Selbstbehalt ist nur teilweise wirksam

Wenn der Preisunterschied zwischen einem teuren Originalmedikament und dem Generikum allzu gross ist, belegt das BAG das Original wenigstens mit einem erhöhten Selbstbehalt von 20 statt nur 10 Prozent. Doch dies hält viele Ärzte und Apotheken nicht davon ab, trotzdem das Original zu verschreiben. Das beweisen die grossen Umsätze mit solchen Originalpräparaten.

Folgenschwere Verschreibungen in Spitälern

«Besonders problematisch» seien die hohen Margen beim Verkauf von Originalpräparaten sowie andere Anreize zum Verkauf von teureren Medikamenten in Spitälern sowie in Arztpraxen, welche die Medikamente selber verkaufen, kritisiert Preisüberwacher Stefan Meierhans schon seit Jahren. Denn diese «Abgabestellen stehen oft am Anfang einer Therapie». Einmal mit den teureren Präparaten angefixt, würden die meisten dabeibleiben.

Berset: «Es kann zu unerwünschten Anreizen führen»

Gesundheitsminister Alain Berset liess im Jahr 2013 Infosperber ausrichten, er sei sich «bewusst, dass das aktuelle System zu unerwünschten Anreizen führen kann». Das war vorsichtig ausgedrückt. Infosperber kommentierte damals: «Mit anderen Worten: Die Anreize, unter austauschbaren Medikamenten die teureren zu verschreiben und zu verkaufen, bleiben in absehbarer Zeit bestehen.»

Die absehbare Zeit dauert noch heute an.
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1 Das Streitgespräch erschien Ende Februar in der CSS-Zeitschrift «im dialog».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Medikamente_Antibiotika1

Preise von Medikamenten

Medikamente verschlingen jeden vierten Prämienfranken. Warum müssen die Kassen viel mehr zahlen als im Ausland?

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3 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 4.03.2021 um 12:46 Uhr
    Permalink

    Das System ist sogar noch etwas perverser. So gibt es «Originale» aus den 80er Jahren, welche immer noch zu einem höheren Preis als die entsprechenden «Nachahmerptäparate» verkauft weden müssen. Das BAG hat in der Tat noch vor nicht allzu langer Zeit «zu billige» Präparate von Amtes wegen erhöht.

    Ich habe allerdings die neuesten Daten nicht mehr so genau verfolgt, glaube aber nicht, dass viel geändert hat.

  • am 4.03.2021 um 13:00 Uhr
    Permalink

    Abgeordnete die «so etwas» zulassen oder gar fördern,
    verstossen gegen den zu Amts-Antritt wohl auch in der Schweiz
    wohl so ähnlich zu leistetden Dienst-Eid — — —>>

    nämlich, ihr Bestes zu geben, zum Wohl ihres Volkes –
    UND Schaden nach bestem Wissen und Gewissen von ihrem Volk abzuwenden.
    … … … Jeglichen Schaden, wo nur irgend machbar, denn Ausnahmen gibt es keine !

    ABER – welche Mäusleins wagen es wohl,
    diesen Oberst-Katzen so richtig laut bimmelnde Schellen umhängen zu wollen ?!

    Alles Gute – und freundliche Grüsse !
    Wolfgang Gerlach, Ingenieur

  • am 6.03.2021 um 23:19 Uhr
    Permalink

    Wieso soll man dem Arzt/Apotheker und der Pharma-Industrie ein «leistungsloses» (sic) Extra-Einkommen überlassen und der Bürger, der auf diese Medikamente angewiesen ist, kann die Zeche (plus Dividenden und Boni) bezahlen? Die Regierung muss einschreiten und dafür sorgen, dass solch unrechtes Tun abgeschafft wird. Alles andere ist gegen das Gemeinwohl und grenzt an Arbeitsverweigerung. Schlimmer noch, es hinterlässt den Geschmack von Pfründwirtschaft und ist kaum noch von offener Korruption zu unterscheiden. Eine wirkliche Schande. Andere Staaten schaffen das schon lange problemlos.

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