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Daten- und Rechenzentren entwickeln sich wegen der künstlichen Intelligenz zu wahren Stromfressern. © Depositphotos

Der unheimliche Hunger der KI nach Strom

Christof Leisinger /  Die künstliche Intelligenz sorgt für einen unheimlichen Appetit auf Elektrizität. Die Nachfrage soll sich in 25 Jahren verdoppeln.

Die zunehmende Elektrifizierung der Wirtschaft und das enorme Wachstum der Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) treiben die Nachfrage nach Strom. Glaubt man verschiedenen Prognosen, so wird sich der Elektrizitätsverbrauch weltweit in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln, getrieben von der Entwicklung in Asien und im pazifischen Raum. Das macht den Auf- und Ausbau der entsprechenden Infrastruktur nötig.

Viele neue Rechenzentren müssen mit Strom versorgt werden

Kurzfristig sorgt vor allem die jüngst aufgekommene KI-Euphorie für Stirnrunzeln. Denn die Umsetzung hochtrabender Visionen setzt nicht nur die Entwicklung der Technologien für den Bau enormer, neuer Rechenzentren voraus, sondern diese müssen schliesslich auch mit Energie versorgt werden. Wen wird also überraschen, dass inzwischen die Sorge umgeht, sie könnten die Infrastruktur überlasten und den angestrebten Übergang zu umweltfreundlichen Energiequellen verzögern oder gar verhindern.

Stromverbruach weltweit
Die Stromnachfrage wird in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Glaubt man den Aussagen der Repräsentanten von Amazon Web Services, so nimmt derzeit alle drei Tage ein neues Rechenzentrum auf der Welt seinen Betrieb auf. Als solche können sie wirtschaftlich praktisch nur überleben, wenn die notwendige Energie günstig zu haben ist – und gerade auch die KI-Modelle benötigen «unglaubliche Mengen» davon, wie Microsoft-Gründer Bill Gates das Problem jüngst formulierte. Während der bekannte Mann daran zweifelt, ob sich der entsprechende Bedarf in relativ kurzer Zeit mit Elektrizität aus erneuerbaren Quellen decken lässt, beschreibt Ernest Moniz einen konventionellen Ausweg.

Die Stromnachfrage wird sich mancherorts in Kürze verdoppeln

Der Atomphysiker, der während Barak Obamas Amtszeit als Energieminister wirkte, hält den Rückgriff auf eine Flotte von Erdgas-, Kohle- und Kernkraftwerken und vielleicht sogar auch den Bau neuer Gaskraftwerke für unumgänglich, um künftige Nachfragespitzen zu decken. Das gilt zum Beispiel für den nördlichen Teil des amerikanischen Bundesstaates Virginia. Dieser gilt als einer der grössten «Märkte für Rechenzentren» weltweit, weil es dort seit langem eine grosse Konzentration solcher zahlenmässig inzwischen rasch zunehmenden Einrichtungen gibt.

So kommt es, dass die amerikanischen Versorgungsunternehmen ihre Absatzprognosen nach einer längeren Phase stagnierender Stromnachfrage in erstaunlichem Masse anheben. Glaubt man dem Fazit eines Berichts des Beratungsunternehmens Grid Strategies, so hat sich die Fünfjahresprognose für das Wachstum der Stromnachfrage in den USA gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Hauptreiber sind neu errichtete oder geplante Rechenzentren, Industrieanlagen wie Batterie- und Autofabriken oder auch Anlagen zur Wasserstoffproduktion.

Màrkte für Datenzentren
Die grössten Märkte für Datenzentren liegen in Nordamerika. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Gemäss Angaben des amerikanischen Energieministeriums sind seit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act (IRA) über 200 neue Produktionsanlagen für den Transportsektor und die saubere Energiebranche mit einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Milliarden Dollar angekündigt worden. Das Geschäft mit den Datenzentren gehört zu jenen, die am schnellsten wachsen. Zu den Treibern gehören die Migration von Daten in die Cloud, die zunehmende Digitalisierung und das Aufkommen der künstlichen Intelligenz.

Längst drohen Versorgungsengpässe

Das grosse Dilemma ist, dass neue Rechenzentren schneller gebaut werden können als neue Anlagen zur Stromerzeugung oder zum -transport. Längst drohen in Teilen des nordamerikanischen Kontinents Versorgungsengpässe, so dass sich die Bauzeiten für Rechenzentren aufgrund von Verzögerungen bei der Stromversorgung schon um zwei bis sechs Jahre verlängert haben. Das ist interessant, schliesslich liegt etwa ein Drittel der 8000 grossen Rechenzentren der Welt in den USA.

Aber der Ausbau ist ein weltweites Phänomen. Glaubt man den Schätzungen der Internationalen Energieagentur in Paris (IEA), so werden die Rechenzentren im Jahr 2026 weltweit insgesamt mehr als 1000 Terawattstunden (TWh) Strom verbrauchen, nachdem die Nachfrage im Jahr 2022 etwa 460 TWh betragen hatte. In der gesamten Schweiz dagegen wurden im Jahr 2022 rund 57 Terawattstunden Strom verbraucht, und der Bedarf wird bis im Jahr 2050 durch die Elektrifizierung der Mobilität, der Wärmeversorgung und der Industrie zunehmen. Der Bau neuer Datenzentren dürfte dabei nicht dieselbe Rolle spielen wie etwa in den USA.

Stromverbrauch Schweiz Sektoren
Die Stromnachfrage in der Schweiz wächst nur langsam. Dafür wechseln die Sektoren. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

«Wir werden in der Schweiz niemals Rechenzentren mit einer Leistung von mehreren 100 Megawatt betreiben wie die führenden Techfirmen Microsoft oder Google,» erklärte jüngst Thomas Schulthess in einem Interview. Der Chef des Schweizer Hochleistungsrechenzentrums (CSCS) in Lugano schlägt dagegen vor, Rechenkapazitäten ins Ausland zu verlegen. «Finnland, Norwegen und Schweden hätten fernab der Städte grosse Wasserkraftvorkommen erschlossen, etwa für inzwischen stillgelegte Minen oder Papierfabriken. Die Schweiz sollte helfen, diese Infrastruktur besser zu nutzen.

Immerhin sinkt der Energieverbrauch pro Kopf

Mit der Energiestrategie 2050 setzt unser Land offiziell auf den schrittweisen Umbau des Energiesystems. Zentrale Pfeiler dabei seien die Verbesserung der Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien, heisst es. Während der Endenergieverbrauch pro Kopf in den vergangenen 22 Jahren um etwa 26 Prozent gesunken ist, nimmt der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch der Schweiz trotz enormer Subventionen und trotz des erzielten Wachstums auf niedriger Basis noch einen ziemlich geringen Anteil ein. Im Jahr 2022 wurden gut zehn Prozent allen Stroms auf diese Weise erzeugt – und Strom stand im Jahr 2022 für 27 Prozent aller verbrauchten Energie.

energieverbrauch in der Schweiz__
Der Strombedarf steigt. Aber Öl und Gas spielen bei der Energieversorgung immer noch eine wesentliche Rolle. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

Fracking

Fracking: Gas aus tiefem Untergrund

Die neue Energiequelle macht Staaten unabhängiger vom Öl. Doch ernsthafte Risiken sind sozialisiert.

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3 Meinungen

  • am 8.04.2024 um 09:29 Uhr
    Permalink

    Jetzt wird mir klar warum wir Strom sparen müssen, nicht um CO2 frei zu werden, sondern um die digitalen Grosskapitalisten zu unterstützen.
    Vielleicht sollten die FAGAM et al. ihren eigenen Strom produzieren.

  • am 8.04.2024 um 12:23 Uhr
    Permalink

    Nur eine kurze Frage an Herrn Leisinger. Ist im Energieverbrauch pro Kopf die graue Energie enthalten?

    • Christof Leisinger
      am 9.04.2024 um 15:29 Uhr
      Permalink

      Der Rückgang passiert auf der Makroebene (also müsste die graue Energie wenigstens in Ansätzen drin sein. Natürlich gilt das wohl nicht für den Energieverbrauch bei der Herstellung eines in der Schweiz verkauften Smartphones irgendwo in Asien oder beim Transport auf hoher See):
      BFS: 2022 betrug der Energieverbrauch der Schweizer Bevölkerung 80,6 Gigajoule pro Person und hat gegenüber dem Vorjahr abgenommen. Er ist seit 1990 tendenziell rückläufig. Diese Abnahme folgt daraus, dass die Bevölkerung zwischen 1990 und 2022 um 30,8% gewachsen ist, während der Energieverbrauch im gleichen Zeitraum um 6% abgenommen hat. (Siehe: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/querschnittsthemen/monitoring-legislaturplanung/alle-indikatoren/leitline-3-sicherheit/endenergieverbrauch.html).

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