Gilead-Konzern zog die EU mit Corona-Medikament über den Tisch
Der Remdesivir-Hype begann im April 2020 mit einer kleinen, wenig aussagekräftigen, vom Hersteller bezahlten Studie, die bei 36 von 53 Patienten eine Verbesserung berichtete. Ein Drittel der Studienautoren waren bei Gilead angestellt. Diese Studie führte zu ersten Schlagzeilen, beispielsweise in der «Washington Post».
Am 29. April 2020 erschien eine kleine Studie aus China in «The Lancet». Dort zeigte Remdesivir keinen statistisch signifikanten Nutzen. Es sah auch nicht danach aus, als würde Remdesivir – wie dies bei einem Anti-Virenmittel zu erwarten wäre – die Virenmenge bei den Behandelten reduzieren.
Negative Resultate aus China, positive aus den USA
Just am selben Tag erklärte der US «Covid-Zar» Anthony Fauci Remdesivir zum «Behandlungsstandard bei Covid-19». Fauci hatte Kenntnis von einer noch geheimen Zwischenauswertung einer anderen Studie. Diese grössere Studie mit Remdesivir führten die US-National Institutes of Health durch, wo Fauci ein Institut leitete.
An einem Treffen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump berichtete Fauci, dass Remdesivir die Hospitalisationsdauer von Covid-Patienten von 15 auf 11 Tage verkürzt habe. Fauci sprach von einer Verbesserung um 31 Prozent (und machte damit eine relative Angabe). Nun ging der Hype richtig los.
Als wäre es eine konzertierte Aktion, veröffentlichte Gilead Sciences ebenfalls am 29. April 2020 eine Medienmitteilung und berichtete dort über eine weitere, von Gilead bezahlte und bis dahin weder veröffentlichte noch durch Dritte begutachtete Studie mit Remdesivir.
Am 1. Mai 2020 erteilte die US-Arzneimittelbehörde FDA dem Medikament eine Notfallzulassung: Remdesivir durfte nun bei allen hospitalisierten Patienten mit schwerer Covid-Erkrankung eingesetzt werden. (Später sollte sich dann herausstellen, dass es bei dieser Patientengruppe nichts nützte oder womöglich sogar schadete.) Die FDA berief sich bei ihrem Entscheid auf die US-Studie und ignorierte die chinesische Studie.
US-Präsident Donald Trump reagierte begeistert auf den FDA-Entscheid und trug seinen Teil zum Hype um Remdesivir und Gilead bei, als er gleichentags von einer «vielversprechenden Situation», von «wirklich unglaublichen Ergebnissen» und von einer «grossartigen amerikanischen Firma» sprach.
Schwerer Vorwurf: Arzneimittelbehörde als Komplizin der Regierung
Genauer nachlesen konnte die breite Öffentlichkeit die Resultate der US-Studie zunächst nicht, denn die Zwischenauswertung, auf die sich Fauci berief, blieb noch unter Verschluss. Die Öffentlichkeit erfuhr erst am 22. Mai 2020 davon.
Ende August 2020 entschied die US-Arzneimittelbehörde FDA die Notfallzulassung für Remdesivir auszuweiten: Es durfte nun bei allen hospitalisierten Covid-Patienten eingesetzt werden, auch solchen mit moderater Covid-Erkrankung. Der Chefredaktor des bekannten Medizin-Newsportals «Medscape», Eric Topol, schrieb daraufhin einen geharnischten offenen Brief. Die FDA ignoriere den Mangel an wissenschaftlichen Belegen und mache sich zur Komplizin der Trump-Regierung, wetterte Topol.
Rund drei Wochen später, am 23.9.2020, informierte die WHO den Remdesivir-Hersteller Gilead über noch unveröffentlichte Ergebnisse einer grossen WHO-Studie. Gilead hatte dafür kostenlos Remdesivir zur Verfügung gestellt, weshalb die WHO Gilead vorzeitig informierte, so war die Übereinkunft.
Gilead stand zu diesem Zeitpunkt in Verhandlung mit der EU. Die Pharmafirma verschwieg gegenüber ihren EU-Verhandlungspartnern laut einem EU-Mediensprecher aber die negativen Studienresultate.
Die WHO-Studie ergab, dass Remdesivir weder die Hospitalisationsdauer von Covid-Patienten merklich verkürzte, noch die Sterblichkeit verringerte. Ein Flop. Allerdings konnte die Studie auch nicht beweisen, dass Remdesivir Null Nutzen hatte, wandte der britische Epidemiologie Richard Peto im Wissenschaftsmagazin «Science» ein.
EU unterzeichnet den Vertrag in Unkenntnis der negativen Resultate
Am 8. Oktober 2020 unterzeichnete die EU-Kommission mit Gilead einen Vertrag über den Kauf von 500’000 Dosen Remdesivir zum Preis von – je nach Quelle – 1,2 Milliarden US-Dollar oder 850 Millionen Euro. Das machte laut «Science» rund 2400 Dollar pro Behandlungszyklus und eröffnete Gilead den europäischen Markt.
Am Tag danach erfuhr die EU-Kommission von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, dass Remdesivir in der grossen WHO-Studie gefloppt hatte. Die US-Arzneimittelbehörde erfuhr angeblich am 10. Oktober 2020 davon. Fünf Tage später machten die Studienverantwortlichen die Resultate auf einem «Preprint»-Server für noch nicht begutachtete Studien auch öffentlich zugänglich.
Gegenüber «Science» sagte Gilead, es werde den mit der EU ausgehandelten Kaufpreis für Remdesivir angesichts der WHO-Studienergebnisse nicht anpassen. Stattdessen stellte sich die Firma auf den Standpunkt, die WHO-Studiendaten seien nicht rigoros geprüft worden und bezweifelte deren Verlässlichkeit.
Behörde verzichtete auf externe Berater und ignorierte zwei Studien
Am 22. Oktober 2020 liess die US-Arzneimittelbehörde FDA Remdesivir regulär zu – als erstes Medikament gegen Sars-CoV-2 überhaupt im grossen US-Markt, wie «Science» schrieb.
Entgegen ihren sonstigen Gepflogenheiten zog die FDA vor diesem Entscheid keine externen Fachberater bei, die alle vorhandenen Studiendaten unter die Lupe nehmen. Ihren Zulassungsentscheid stützte die FDA laut «Science» auf nur drei Studien, wovon zwei vom Hersteller Gilead gesponsert waren. Die WHO-Studie und die Studie aus China überging die FDA.
Sowohl der Deal mit der EU als auch diese Zulassung in den USA «verblüfften Wissenschaftler, welche die klinischen Studien mit Remdesivir in den letzten sechs Monaten genau verfolgt haben – und die viele Fragen zum Wert von Remdesivir haben», berichtete «Science» und zitierte den Epidemiologen Richard Peto: «Gilead und die FDA haben uns sozusagen in eine Position hineinmanövriert, in der wir versuchen sollen, zu beweisen, dass Remdesivir nichts bewirkt, anstatt die übliche Frage zu stellen, nämlich: ‹Können die Hersteller beweisen, dass es etwas bewirkt?›»
«Sie gaben mir Regeneron» – Pharmawerbung durch den US-Präsidenten
Ex-US-Präsident Trump legte sich nicht nur für die US-Firma Gilead ins Zeug. Er bewarb auch das Medikament «REGN-COV2» der US-Firma Regeneron Pharmaceuticals. Nach überstandener Coronavirus-Infektion wurde Trump nicht müde, das Medikament «Regeneron» in einer Videobotschaft im Oktober 2020 zu nennen. Immer wieder betonte er «Regeneron»: «Ich denke, das war der Schlüssel. […] Es war unglaublich. Ich fühlte mich sofort gut», sagte Trump. Er habe Regeneron die Zulassung erteilt.
Laut der «Financial Times» gehörte der Chef von Regeneron, Len Schleifer, früher Trumps Golf Club in Westchester im US-Bundesstaat New York an. Beide hätten vor Trumps Präsidentschaft gelegentlich zusammen Golf gespielt.
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➞ Lesen Sie hier Teil 1 dieses Artikels: «Wie ein Zürcher Professor beim Hypen von Medikamenten mithalf»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Interessante Aussage im Artikel: «Ex-US-Präsident Trump legte sich nicht nur für die US-Firma Gilead ins Zeug. Er bewarb auch das Medikament «REGN-COV2» der US-Firma Regeneron Pharmaceuticals. Nach überstandener Coronavirus-Infektion wurde Trump nicht müde, das Medikament «Regeneron» in einer Videobotschaft im Oktober 2020 zu nennen..*
Und «Blick» meldete am 18.05.2020 um 23.07 Uhr: «Donald Trump setzt voll auf Schweizer Know-how. Das Lonza-Verwaltungsratsmitglied Moncef Slaoui leitet Trumps Impfstoffoperation, die nächstes Jahr eine Milliarde Impfungen gegen Corona fabrizieren soll. Slaoui schmiedete den Produktionsdeal zwischen Moderna und Lonza.»
NZZ Fabian Urech schrieb am 28.01.2021:»Die Korruption in den USA nahm unter Trump deutlich zu»
Der US-amerikanische Schriftsteller Ambrose Gwinnett Bierce meinte: «Die Politik ist die Führung öffentlicher Angelegenheiten zum privaten Vorteil.»
Donald Trump wird das sicherlich aufklären können.
Gunther Kropp, Basel
Ich war während der ganzen Pandemie als Journalist einigermassen «beteiligt» an der Diskussion. Ohne im Detail informiert zu sein, schien mir die öffentliche, mehr oder weniger fachkundige Meinung immer die zu sein, dass der Nutzen von Remdesivir mindestens zweifelhaft sei. Dieser Einkauf erinnert an die Vogelgrippe-Geschichte mit Tamiflu/Oseltamvir. Auch da war der Eindruck der, dass einfach etwas gekauft werden musste … – um die Leute zu beruhigen. Aber man schien – während Covid-19 – auch nicht übermässig interessiert an einer methodisch sauberen Erforschung medikamentöser Therapien.
2400 Dollar pro Behandlugszyklus kostet offenbar Remdesivir.
Alternative Ansätze wie Vitamin D oder HCQ wären, verglichen damit, sozusagen gratis.
Der Eindruck verstärkt sich immer mehr, dass genau dies der Grund dafür war, warum Remdesivir auf genau umgekehrte Weise tendenziös behandelt wurde als die billigen Mittel.
Ich bin immer noch erschüttert über den Umgang der «Leitmedien» und der Politik mit der «Pandemie». Dass die Schwere der Krankheit, die Wirksamkeit von «Massnahmen», Medikamenten und der «Impfung» und deren Nebenwirkungen in den ersten paar Wochen unter Stress falsch eingeschätzt wurden habe ich verstanden und akzeptiert. Dass man aber später saubere wissenschaftliche Studien nicht einforderte und sogar Wissenschafter, die dies taten beschimpfte, das bleibt ein unglaublicher Skandal. Das hat der Glaubwürdigkeit der Regierungen, der Medien und vor allem auch der Wissenschaft einen enormen Schaden zugefügt. Der könnte nur, und wohl auch nur teilweise, wieder gut gemacht werden, wenn man JETZT diese skandalösen Vorgänge schonungslos aufarbeiten würde.
InfoSperber: bitte dranbleiben!