Wildwestmethoden beim Ausfischen der Meere gesetzlich bekämpfen
Red. Paul Greenberg ist ein amerikanischer Fischer und Sachbuchautor. Carl Safina ist Ökologe, Autor und ehemaliger Moderator der TV-Serie «Saving the Ocean with Carl Safina».
Erfolge gesetzlicher Massnahmen
Naturschützer begannen bereits in den 1990er Jahren mit ihrem Kampf gegen Überfischung, um die Lebewesen in den Ozeanen zu schützen. In den USA hatten sie Erfolg. Sie konnten den US-Kongress davon überzeugen, strenge Gesetze zur Wiederherstellung der Artenvielfalt durchzusetzen. Damit brachten sie einen positiven Kreislauf in Gang, der dazu führte, dass Meerestiere – vom mächtigen Schwertfisch bis zur bescheidenen Jakobsmuschel – vor den Küsten der USA wieder im Überfluss vorhanden sind.
Neue Vorschriften für andere Arten wirkten sich ähnlich positiv aus. Meeresschildkröten, die früher in Krabbennetzen starben, können ihnen jetzt entgehen. Weniger Seevögel verfangen sich in Angelleinen. Wale finden vor den amerikanischen Küsten mehr Nahrung und tummeln sich heute in Sichtweite der Freiheitsstatue, seitdem der Fang kleinerer Arten wie Menhaden beschränkt wurde. Ausserdem konnte die amerikanische Berufs- und Freizeitfischerei von 2018 bis 2022 ihren Umsatz um 35 Prozent steigern.
Was auf den Tisch kommt, stammt oft von illegaler Fischerei und Zwangsarbeit
Wenn Sie jedoch in einen US-Supermarkt gehen, kaufen Sie vielleicht immer noch Schnapper, die indonesische Fischer mit Dynamit aus ihren Riffen gesprengt haben, oder illegal gefangenen Gelbflossenthunfisch und Oktopus. Die Fischerei in den USA mag sich zwar deutlich verbessert haben, aber bis zu 80 Prozent der Fische und Schalentiere auf amerikanischen Tellern werden importiert. Ein grosser Teil davon stammt von undurchsichtigen internationalen Fischereikonzernen. Deren Zulieferer fischen illegal und profitieren von Zwangsarbeit. Das konnte die gemeinnützige Organisation Outlaw Ocean Project nachweisen.
Weltweit geht die Ausbeute der Fischereiflotten zurück
Wir Konsumenten in den reichen Ländern unterstützen diese Machenschaften unwissentlich. Wir nutzen das Fischangebot wie einen Kredit mit unbegrenzter Laufzeit. Doch dieser Kredit läuft aus. Der weltweite Fang von Fischen und anderen Meerestieren erreichte in den 1990er Jahren seinen Höhepunkt und sinkt seitdem stetig. Schon bald könnte nicht einmal mehr Zwangsarbeit in der Lage sein, Profit aus den verbleibenden Wildfischen zu ziehen.
Die Fischzuchten helfen den Wildfischen wenig
Früher sah man es als mögliche Lösung dieses Problems, die Fischzucht, auch Aquakultur genannt, auszuweiten. Aber anders als erhofft hat auch sie den Wildfischen nicht die nötige Erholung gebracht. Den Lachsen und Garnelen, die in den USA am beliebtesten sind, verfüttern die Züchter immer noch Wildfische, die aus schlecht regulierten ausländischen Gewässern stammen. Sehr nahrhafte Fische wie Anchovis und Sardinen, die 20 bis 30 Prozent der globalen Fangmenge ausmachen, werden als Futter verwendet – eine schreckliche Verschwendung!
Ganz offensichtlich sind sowohl wild gefangene als auch gezüchtete Fische und Meerestiere von echter Nachhaltigkeit noch meilenweit entfernt.
Appelle an die Fischliebhabenden reichen nicht
Um wirklich nachhaltigen und ethisch bedenkenlos erzeugten Fisch auf die Teller aller Menschen zu bringen, reicht es nicht, wenn Konsumentinnen und Konsumenten eine bewusstere Wahl treffen. Um Ausbeutung und Missbrauch zu überwinden, müssen die Regierungen neue Gesetze zum Fischereimanagement beschliessen und rigoros durchsetzen.
Um die Rechtlosigkeit auf den Ozeanen zu überwinden, muss man zunächst die Fischindustrie stärker im Auge behalten. Organisationen wie Global Fishing Watch und ihre Partner haben bereits damit begonnen, Fischtrawler zu beobachten, die in ausländischen Hoheitsgebieten und auf hoher See bisher unentdeckt operierten. Diese Kontrollen müssen rund um den Globus noch wirksamer werden.
Die Regierungen müssen aufhören, Überfischung zu subventionieren. Viele staatliche Fischereibehörden finanzieren Treibstoff und Schiffsbau – Resultat dieser Politik sind Schiffe, die weiter fahren und länger fischen können. Allein China gibt Milliarden für diese Massnahmen aus.
35 Milliarden Dollar Subventionen für die Ausbeutung der Meere
Red. Weltweit werden die verschiedene Arten von Subventionen an die Fischereibranche auf 35 bis 40 Milliarden Dollar geschätzt. Das geht aus Angaben des Global Fishing Reports und der Welthandelsorganisation WTO sowie der OECD hervor. Bei einer Aufstellung der grössten Subventionssünder muss die Einwohnerzahl der Länder berücksichtigt werden:
Rang- liste | Land | Subventionen | pro 100’000 Einwohner |
1. | Südkorea | 2,0 Mrd $ | 3‘800’000 $ |
2. | Japan | 2,5 Mrd $ | 2’000’000 $ |
3. | Kanada | 400 Mio $ | 1’030’000 $ |
4. | Russland | 750 Mio $ | 520’000 $ |
5. | China | 6,5 Mrd $ | 460’000 $ |
6. | USA | 1,5 Mrd $ | 451’000 $ |
7. | EU | 1,25 Mrd $ | 280’000 $ |
Die Lebensräume, in denen wilde Fische heranwachsen, müssen staatlich geschützt werden. Nur etwa 7 Prozent der Weltmeere geniessen irgendeine Art von offiziellem Schutz. Die Vereinten Nationen wollen dies mit ihrer Initiative «30 by 30» ändern und bis zum Jahr 2030 30 Prozent der Ozeane (und des Landes) unter Schutz stellen. Aber viel zu oft sind diese Schutzzonen nur auf einer Karte eingezeichnet, ohne tatsächlich durchgesetzt zu werden. Für eine nachhaltige Versorgung mit Fisch und Meeresfrüchten müssen Mittel bereitgestellt werden, um die Fische dort zu schützen, wo sie wachsen und gedeihen.
Aufklärung über Zwangsarbeit und Umweltverstösse
Internationale Zusammenarbeit ist nötig, um faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen durchzusetzen und gegen Unternehmen vorzugehen, die von Entführungen und Zwangsarbeit in ihren Lieferketten profitieren. Die Aufsichtsbehörden in den USA und im Ausland müssen umfassend über Lieferketten, Arbeitsverträge und Umweltverstösse informiert sein. Dann können grosse Einzelhändler wie Sysco und Walmart ihren Kunden versichern, dass sie keinen Fisch kaufen, der illegal gefangen oder durch Zwangsarbeit auf den Markt gebracht wurde.
Man könnte diejenigen, die mit nachhaltigen, selektiven Fischfangmethoden arbeiten, wie beispielsweise mit Schwertfisch-Harpunen und Alaska-Lachsnetzen, durch eine spezielle Kennzeichnung aufwerten. So werden ihre Produkte von Fisch unterschieden, der mit schädlicheren Methoden gefangen wurde.
Ferner muss man die Art und Weise ändern, wie wir die Zuchttiere in den wachsenden Aquakulturen füttern. Es gibt bereits viele Alternativen zu Sardellen, Heringen oder Menhaden: von Algen bis hin zu Larven der Soldatenfliege. Diese Futtermittel sollten in grösserem Umfang und auf breiter Basis eingesetzt werden.
Tipps für Konsumentinnen und Konsumenten
Nicht zuletzt kommt es immer noch darauf an, was die Konsumentinnen und Konsumenten kaufen und essen. Wenn Sie eine Mahlzeit mit Fischen oder Meeresfrüchten planen, haben wir zwei Vorschläge:
- Sie sollten wenn möglich, Muscheln, Austern und Miesmuscheln aus Zuchtbetrieben wählen. Sie ernähren sich, indem sie das Wasser filtern. Da sie keine Fische fressen, muss auch keiner getötet werden, um sie auf den Markt zu bringen.
- Wählen Sie kleine Fische. Die grösseren Arten haben besonders stark unter der industriellen Fischerei zu leiden. Diese grossen Fische reichern oft auch Giftstoffe an, darunter Methylquecksilber. Tiere, die in der Nahrungskette weiter unten stehen, wie beispielsweise Sardellen, vermehren sich schneller und können ihren reduzierten Bestand dementsprechend schneller wieder aufbauen. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass sie in der Regel auch geringere Schadstoffwerte aufweisen.
______________________________
Dieser Beitrag erschien als Gastbeitrag am 12. August 2024 in der «New York Times». Übersetzung: Klaus Mendler.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Paul Greenberg ist Assistenzprofessor der Verhaltenswissenschaften im College of Arts and Sciences am Global Campus der University of Arizona. Er lehrt im Animal Studies Program der New York University und ist Autor von drei Büchern über Meeresfrüchte, darunter das mit dem James Beard Award ausgezeichnete «Four Fish: The Future of the Last Wild Food».
Carl Safina hat den Stiftungslehrstuhl für Natur und Mensch an der Stony Brook University inne und ist Autor von «Song for the Blue Ocean: Encounters Along the World’s Coasts and Beneath the Seas» und 12 weiteren Büchern.
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ein an sich wichtiger und informativer Artikel von Fachleuten – mit einer leider irreführenden Empfehlung…
Nein, wir sollten nicht kleine statt grosse Fischarten essen, sondern grundsätzlich weniger Fisch und Meeresfrüchte, max. 1x pro Monat.
Wenn wir uns angesichts der Überfischung der grossen Fischarten nun auf die kleineren stürzen, fressen wir ganz einfach den grossen Arten das Futter wag, das sie benötigen, im ihre dezimierten Bestände wieder aufzubauen…
Muscheln aus extensiver Zucht entlang der Küsten sind ökologisch zwar relativ neutral; aber da Muscheln ihre Nahrung aus dem Wasser filtern, enthält ihr Fleisch auch all die Chemikalien, Schwermetalle usw., die die Menschheit in die Meere entsorgt…
Also nochmals, einfach zu merken:
max. 1x Fisch im Monat!
Begründung: Siehe Webseite von Think Fish.