Virologisches Risiko: Nestlé muss um Perrier-Wasser fürchten
Nestlé Waters, eine Tochterfirma des Nahrungsmittelriesens aus Vevey, gerät erneut wegen seiner Mineralwasserproduktion in Frankreich unter Druck. Aufgrund von Gesundheitsrisiken könnte der Konzern gezwungen sein, die Abfüllung von Perrier-Wasser in Südfrankreich einzustellen. Dies geht aus einem vertraulichen Bericht der regionalen Gesundheitsbehörde hervor, über den Anfang Woche verschiedene französische Medien berichteten.
So könnte Nestlé am Standort Vergèze sein Label für «natürliches Mineralwasser» verlieren, berichten «Le Monde» und «Radio France». Nestlé Waters müsse «die Einstellung der Mineralwasserproduktion in Betracht ziehen». Die Behörde sprach von einem «virologischen Risiko», punktuell seien im Wasser Mikroorganismen wie Fäkalbakterien gefunden worden.
Laut Bericht war die Qualität der Wasserentnahmen regelmässig beeinträchtigt. Die Behörde «fordert» Nestlé Waters auf, «strategisch zu prüfen, ob die Wasserquelle nicht auch für einen anderen Bereich in der Nahrungsmittelproduktion verwendet werden könnte». Auf Anfrage von «Le Monde» und «Radio France» erklärte Nestlé Waters, dass es «keine Kommentare abgeben könne», da es «keine Kenntnis des Abschlussberichts» habe.
Nestlé hatte bereits zuvor Schwierigkeiten mit der Mineralwasserproduktion in Frankreich. Im Kurort Vittel, dessen Mineralwasser von der gleichnamigen Nestlé-Tochter abgefüllt wird, geriet das Unternehmen ebenfalls in die Kritik. Vittel füllt dort täglich bis zu zwei Millionen Flaschen Mineralwasser ab, dies entspricht rund drei Milliarden Litern pro Jahr. Die Folge: Vertrocknete Obstbäume, verödetes Agrarland und ein Absinken des Grundwasserspiegels um zehn Meter.
Unerlaubte Wasserreinigung
Nestlé sorgte ausserdem wegen seiner Wasserreinigung für Schlagzeilen. Das Unternehmen gab zu, in der Vergangenheit teilweise unerlaubte Methoden eingesetzt zu haben. «Natürliches» Mineralwasser darf diesen Namen nur tragen, wenn es ohne Verfahren wie Aktivkohlefilter, Mikrofiltration oder UV-Licht behandelt wird.
Eine Untersuchung der Europäischen Kommission kam im Sommer zum Schluss, dass Nestlé französisches «Mineralwasser» seit den 1990er-Jahren mit verbotenen Methoden filterte. Betroffen waren die Marken Perrier, Vittel, Hépar und Contrex. Auch bei der Marke Henniez in der Schweiz nutzte der Konzern solche verbotenen Verfahren.
Comment Perrier justifie-t-elle la contamination de son eau ? pic.twitter.com/sLNvsRs5av
— BFMTV (@BFMTV) December 17, 2024
Im April hatten Behörden bereits die Nutzung einer der sieben Wasserentnahmestellen in Vergèze ausgesetzt, nachdem es zu einer Kontamination mit Fäkalbakterien gekommen war. Nestlé gab daraufhin bekannt, dass es «vorsichtshalber» rund 3 Millionen Flaschen vernichtet habe.
«Diese Situation, die damals von Nestlé und der Behörde als punktuelles Ereignis im Zusammenhang mit intensiven Regenfällen dargestellt wurde, ist in Wirklichkeit die Folge einer allgemeinen Verschlechterung der Qualität der genutzten Grundwasservorkommen», schrieb Le Monde.
Die Zukunft der Marke Perrier und ihrer Produktionsstätte mit etwa 1000 Angestellten hängt nun davon ab, ob die Behörden die Betriebsgenehmigung für die Quelle erneuern. Nestlé stellte den Antrag im Oktober 2023, die Entscheidung wird im ersten Halbjahr 2025 erwartet.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Dass das weltweit verkaufte Perrier im Departement Gard abgefüllt wird, war mir schon lange aufgefallen, da ich in der Region meine Ferien verbringe. Ich hatte Vergèze immer in den Cevennen vermutet, aber auf der Karte dort nie gefunden. Mineralwasser, so dachte ich, kommt doch aus den Bergen. Erst später fand ich den Ort. Er liegt wenige Kilometer südwestlich der Stadt Nîmes, am Rand der topfebenen Camargue. Dass man an so einem Ort riesige Mengen Wasser zapfen kann, ohne Probleme mit der Qualität zu haben, hat mich erstaunt. Die Agglomeration um die Departementshauptstadt Nîmes zählt eine Viertelmillion Einwohner. Wäre das den Perriertrinkern auf allen Kontinenten bewusst, würden sie wohl für die «Edelmarke» nicht mehr so viel Geld ausgeben. Irgendwann kann die sehr grosse und sehr effektive Marketingabteilung von Nestlé die Situation wohl auch nicht mehr retten.
Die Vorgänge rund um Nestle sind schon seit Jahrzehnten bekannt. Nur geändert hat sich nichts, da viele Menschen sich halt doch lieber hippe Getränke leisten anstatt mindestens zu versuchen, ethisch zu handeln. Dass die Behörde in diesem Zusammenhang nun Nestle „erlaubt“ eine „strategische Prüfung anderer Nutzung der Quelle“ vorzunehmen ist ein Hohn. Wasser ist ein freies Gut. Dass es immer noch erlaubt ist, dieses „aufzubereiten“ und dafür Geld zu verlangen sollten wir endlich überdenken. Freie Güter sollten nicht vermarktet werden dürfen (Bergluft in Flaschen….)
Zum Artikel habe ich allerdings eine Frage: Ich bin nicht vom Fach. In der Überschrift steht „Virologisches Risiko“. In der Einleitung steht etwas über „Fäkalbakterien“. Ist das nur ein Versehen oder infwiefern gibt es einen Zusammenhang? Geht es darum, dass Bakterien als Wirtszellen für Viren dienen können?