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Nestlé behandelt sein Mineralwasser nach Medienberichten seit Jahrzehnten. Wenn das stimmt, kann man auch gleich Leitungswasser trinken. © Foodwatch

Nestlé desinfiziert «natürliches» Wasser seit den 1990er-Jahren

Daniela Gschweng /  Der Skandal um mit illegalen Methoden behandeltes Nestlé-Mineralwasser weitet sich nochmals aus.

Natürliches Mineralwasser kommt klar und kühl aus den Tiefen der Erde und muss kaum behandelt werden, denn es ist von «ursprünglicher Reinheit». So steht es im Gesetz. Erlaubt sind nur wenige Methoden.

UV-Licht und Aktivkohlefilter gehören nicht dazu. Genau diese hat Nestlé aber verwendet. Das zeigten Recherchen der französischen Zeitung «Le Monde» im Januar. Betroffen waren die Marken Perrier, Vittel, Hépar und Contrex.

Nestlé redete sich mit «Sorge um Konsumenten» heraus

Die Qualität von Mineralwässern wäre eben nicht immer gleich, rechtfertigte sich der Konzern. Aus Sorge um die Gesundheit der Konsument:innen werde das Wasser behandelt.  

Als Nächstes kam durch Recherchen von «Le Temps» zu Tage, dass Nestlé auch beim Minieralwasser Henniez in der Schweiz Aktivkohlefilter verwendet hatte. Inzwischen habe man die verbotene Praxis aber wieder eingestellt, teilte das Unternehmen mit (Infosperber berichtete).

Foodwatch: «Jahrzehntelanger, systematischer Betrug»

Nun stellt sich heraus, dass der Verstoss kein isoliertes Vorkommnis war. Die Europäische Kommission bestätigte am 24. Juli, dass Nestlé seit den 1990er-Jahren französisches «Mineralwasser» mit verbotenen Methoden filtert.

Der Betrug sei «beispiellos», schreibt das französische Medium «Mediapart». Es gehe um drei Milliarden Euro und einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren.

Nestlé habe seit den 1990er-Jahren mit verbotenen Methoden gereinigtes Wasser als «natürliches Mineralwasser» verkauft, fasst die Konsumentenorganisation Foodwatch auf Deutsch zusammen. Falls sich das wirklich so zugetragen habe, handle es sich um «jahrzehntelangen, systematischen Betrug», sagt Ingrid Kragl von Foodwatch Frankreich.

Die beiden verbotenen Methoden

UV-Licht wird verwendet, um Viren und Bakterien in Wasser, Luft und auf Oberflächen abzutöten. UV-Strahlung wird deshalb zur Wasserdesinfektion oder auch in Spitälern eingesetzt. So werden etwa Operationssäle mit ultravioletter Strahlung desinfiziert. Für Menschen ist die verwendete UV-C-Strahlung schädlich. Sie kann die Haut beschädigen und zu Bindehautentzündungen am Auge oder bei längerer Bestrahlung sogar zu Erblindung führen.

Aktivkohlefilter wiederum können unerwünschte Chemikalien wie PFAS und Pestizide aus dem Wasser filtern. Für Wasser von «ursprünglicher Reinheit» sollte beides nicht nötig sein. Sonst könnte man auch Leitungswasser als «Mineralwasser» verkaufen.

Prüfbericht: Kontrollstrukturen mangelhaft

Der Bericht rügte aber auch die französischen Behörden. Das existierende amtliche Kontrollsystem sei nicht «darauf ausgelegt, Betrug in der Branche der natürlichen Mineralwässer und Quellwässer aufzudecken». So könnten «nicht konforme und potenziell betrügerische Produkte auf den Markt gelangen».

Werde ein Verstoss festgestellt, hapere es zudem bei den Folgemassnahmen, die sicherstellen sollten, dass Unternehmen die verbotene Praxis nicht fortführen, keine daraus entstandenen Produkte auf den Markt bringen und nicht konforme Produkte vom Markt nehmen.

Die Reinheit von Mineralwasser wird also nicht richtig kontrolliert, und wenn dennoch ein Verstoss entdeckt wird, hat er kaum Folgen. Dazu passt, dass die französische Regierung bereits 2021 von Nestlé informiert worden sein soll. Diese Information sei laut Foodwatch aber weder an die Europäische Kommission noch an andere EU-Mitgliedsstaaten weitergegeben worden.

Ein Skandal wie in Frankreich könne sich aber ganz leicht auch in Deutschland ereignen, schätzt Foodwatch, das Nestlé Waters und Sources Alma im Februar verklagt hat. Auch dort fehle es an Personal, die Struktur der Behörden sei äusserst anfällig für Interessenkonflikte, die Kommunikation träge. Es gebe auch kein Transparenzgebot, kritisiert Foodwatch.

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Eine Meinung zu

  • am 4.09.2024 um 13:00 Uhr
    Permalink

    Sorgen wegen der Gesundheit der Menschen. Ausgerechnet Nestlé erlaubt sich solches zu schreiben.

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