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Der «K-Tipp» fand bei seinem Trauben-Test auf diversen Trauben einen regelrechten Pestizid-Cocktail. © pixabay

Immer noch keine Grenzwerte für Pestizid-Cocktails

Tobias Tscherrig /  Für Nahrungsmittel existieren nur Grenzwerte für einzelne Pestizide, nicht aber für den gesamten Gift-Cocktail.

Werden Lebensmittel auf Pestizide getestet, treten immer wieder erstaunliche Resultate zu Tage. So auch bei einem Labortest mit roten und weissen Trauben, den das Schweizer Konsumentenmagazin «K-Tipp» durchgeführt hat. Die Ergebnisse des Tests können rasch zusammengefasst werden: In allen Trauben wurden Pestizide gefunden. Sechzehn von zwanzig Proben waren hoch bis sehr hoch mit heiklen Substanzen belastet. Bei vielen der Trauben fanden die Tester regelrechte Pestizid-Cocktails. Der «K-Tipp» fasste treffend zusammen: «Wer Trauben isst, schluckt auch Gift».

Herkunft spielt keine Rolle

Die getesteten Trauben, die alle aus konventionellem Anbau stammten, kaufte «K-Tipp» bei den üblichen Grossverteilern. So kamen Produkte aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern zusammen: Italien, Frankreich, Spanien, Türkei. Schweizer Trauben fand das Konsumentenmagazin in den Läden dagegen nicht. Das erstaunt kaum, immerhin stammen 98 Prozent aller in der Schweiz verkauften Trauben aus dem Ausland. Schweizer Tafeltrauben sind nicht wettbewerbsfähig, ihre Produktionskosten sind zu hoch, um mit den Früchten von ausländischen Anbietern mithalten zu können.

Die einheimischen Früchte landen vor allem im Wein. Gemäss den Recherchen von «K-Tipp» bieten «Coop» und «Migros» Schweizer Trauben höchstens regional an. An sich spielt das aber keine Rolle, denn die Aussage, dass Schweizer Trauben weniger Pestizide enthalten, ist falsch. Ein Beleg dafür liefert zum Beispiel der «Agrarbericht 2016». Demnach spritzten Schweizer Bauern im Jahr 2016 etwa 350 Tonnen Pestizide auf ihre Reben. Entsprechend ergab ein weiterer Test von «K-Tipp», dass «sechs von zehn Schweizer Weiss- und Rotweinen stark bis sehr stark mit Pestiziden belastet» waren.

Pestizide auch in Bio-Trauben

Wer keine Pestizide in seinem Essen will, kann sich bei Trauben nicht einmal auf das Bio-Label verlassen. Den Beweis lieferte «Kassensturz» im Jahr 2017: Neben konventionell hergestellten Trauben schickte das SRF-Konsumentenmagazin auch vier Bio-Trauben ins Labor. Bei einer dieser Proben wurde das Insektizid «Spinosad» gefunden. Ein Pestizid, für das die Landwirte eine Sonderbewilligung des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) brauchen. Denn auch beim Anbau von Bio-Trauben ist die Anwendung von fünf verschiedenen Pestiziden zugelassen.

«Spar» sperrt Produzenten

Beim kürzlich durchgeführten «K-Tipp»-Test ergaben die Resultate Erstaunliches. Bei türkischen Trauben aus einem «Eurospar» in Zürich, fand das Testlabor nicht weniger als fünfzehn verschiedene Pestizide. «K-Tipp» konfrontierte «Spar» mit dem gefundenen Pestizid-Cocktail. Der Lebensmittelhändler reagierte, informierte den Lieferanten und sperrte den Produzenten.

Gemäss «K-Tipp» sehen andere Händler aber keinen Grund zu Handeln. Migros, Globus, Aldi und Lidl hätten darauf verwiesen, dass alle Rückstände unter den gesetzlichen Höchstwerten lägen. Coop antwortete gegenüber «K-Tipp», die Trauben würden mit gesetzlich zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt.

Giftmix als Standard

Dabei fand das Labor, das die verschiedenen Trauben auf insgesamt über 500 Pestizide getestet hatte, in mehr als der Hälfte der Früchte vier oder mehr Pestizide. Insgesamt fand das Labor in zwanzig Proben 35 Pestizide. Acht der gefundenen Substanzen werden eingesetzt, um Insekten zu vernichten. Die übrigen töten Pilze ab. All diese Stoffe können gemäss «K-Tipp» aber auch für Mensch und Umwelt gefährlich werden – vor allem dann, wenn sie Bauern unsachgemäss anwenden.

«Zehn der gefundenen Pestizide bezeichnet das Bundesamt für Landwirtschaft als ‹Pflanzenschutzmittel mit besonderem Risikopotenzial’», schreibt der «K-Tipp». Diese Stoffe hätten in jeder zweiten Probe gesteckt.

Dass Trauben oft viele verschiedene Pestizide enthalten, ist keine Neuigkeit. 2016 prüfte zum Beispiel das niedersächsische Landesamt für Lebensmittelsicherheit Proben von 93 Trauben aus vier Ländern. Davon waren nur gerade vier Produkte frei von Pestiziden. Im Gegenzug fand das Amt insgesamt 53 verschiedene chemische Stoffe.

Pestizid-Cocktails sind unerforscht

In seinem Test bewertete der «K-Tipp» die Rückstände der Pestizide bewusst strenger, als dies das Schweizerische Gesetz vorsieht. So wurden Proben, die mit mehr als zwei Milligramm pro Kilo belastet waren, als sehr hoch belastet beurteilt. Damit will der «K-Tipp» Konsumenten schützen – denn das entsprechende Gesetz sei «industriefreundlich», da es nur Höchstwerte für die einzelnen Substanzen regle, nicht aber den gesamten Pestizid-Cocktail.

Diesen Umstand würden Landwirte ausnutzen, indem sie ihre Früchte mit vielen verschiedenen Pestiziden besprühen würden. So können sie die Grenzwerte der einzelnen Pestizide unterbieten und ihre Früchte trotzdem mit der grössten möglichen Menge an Chemie besprühen – was wiederum die Ernteerträge steigert. Die regelrechte Pestizid-Vielfalt in Lebensmitteln ist ein Problem für den Gesetzgeber. Es ist noch unklar, wie die verschiedenen Stoffe untereinander reagieren.

Es ist die europäische Lebensmittelsicherheits-Behörde «Efsa», die sich zurzeit um Forschungsergebnisse bemüht. Die Forschungen stehen aber noch am Anfang. So organisierte die «Efsa» erst vor zwei Jahren ein internationales Symposium, «um Fragen im Umfeld mit der Risikobewertung chemischer Gemische in Europa zu erörtern».

«Derzeit sind zahlreiche Arbeiten auf dem Gebiet der chemischen Gemische im Gange, und so bot das Symposium eine grossartige Gelegenheit, um einen Überblick darüber zu erlangen, wer gerade was tut und – ganz wichtig – um zu diskutieren, was als nächstes zu tun ist», erklärte damals Tobin Robinson, Leiter des «Efsa»-Referats «Wissenschaftlicher Ausschuss und neu auftretende Risiken».

Pestizide lassen sich nur bedingt abwaschen

Während die Forscherinnen und Forscher diskutieren und arbeiten, muss der Konsument seine Trauben mit Vorsicht geniessen. Denn die Pestizide, die auf den Trauben festsitzen, lassen sich mit Wasser nur zum Teil abwaschen. Selbst Einweichen oder Abreiben bringe nicht viel, warnt der «K-Tipp».

Im Übrigen gibt auch der Preis keine Auskünfte darüber, ob Pestizide in Trauben enthalten sind. Obwohl ein hoher Preis für Qualität stehen sollte, fand das Testlabor von «K-Tipp» die grösste Menge Pestizide ausgerechnet in der zweitteursten Sorte «Muscat de Hambourg» von «Globus». «Für rund 16 Milligramm Pestizidrückstände zahlen Kunden der Migros-Tochter fast 15 Franken pro Kilo», rechnet das Konsumentenmagazin vor. Die am wenigsten belasteten Trauben sind gemäss dem Test für jeweils 4.90 Franken im «Denner» und in der «Migros» erhältlich. Aber auch darin wurden 0.13 Milligramm Pestizidrückstände gefunden.

Einen Ausweg aus der Pestizid-Orgie weisen die beiden Initiativen «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» und «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Zum Infosperber-Dossier:

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3 Meinungen

  • am 22.09.2018 um 12:20 Uhr
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    Der Genuss von «Muscat de Hambourg» oder einer Chasselas-Traube wäre an sich jeden Herbst ein Hochgenuss. Aber 10 Minuten nach diesem Genuss warnt mich mein Körper durch juckende Augen und allergische Atemwegreaktionen.
    98 % der Trauben werden zu Wein verarbeitet. Bleibt noch die Frage, wo diese Pestizide bei der Weinkelterung verbleiben. Mit Syngenta und Monsanto zu reden ist sinnlos, aber die Produzenten und die Grossverteiler wären uns schon eine Antwort schuldig. Verdammte Schweinerei!

  • am 22.09.2018 um 17:24 Uhr
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    Nicht nur Tafeltraquben, auch unser Trikwasser ist chemisch verunreinigt. 20% der Wasserproben weisen zu hohe Pestizidwerte auf. Aber im Vorfeld der beiden Abstimmungen für sauberes Trinkwasser erhöht das Bundesamt für Umwelt den Glyphosat-Grenzwert um den Faktor 100. Das ist schlecht für unsere Gewässer aber gut für die Unterstützung der beiden Initiativen. Diese fordern, dass den Gewässerverschmutzern der Geldhahn zugedreht wird respektive das völlige Verbot von Pestiziden. Es hapert es mit der dringend notwendigen Umsetzung des Gewässerschutzes. Nur noch ein Bisschen die Biodiversität schädigen, ist keine Lösung. Die Artenvielfalt ist jetzt gefährdet. Und auch wenn angeblich für uns Menschen die aktuell zugelassene Giftdosis im Trinkwasser unbedenklich sein soll, so sieht das für Kleinlebewesen in unseren Gewässern bestimmt ganz anders aus. Macht die konventionelle Landwirtschaft im gleichen Stil weiter, wie bisher, verarmt unsere Tier- und Pflanzenwelt zusehends. Weniger aber gesünder produzieren wäre mehr und ist für unsere Umwelt und langfristig auch für eine nachhaltige Landwirtschaft die bessere Option.

  • am 24.09.2018 um 12:40 Uhr
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    COOP: «mit gesetzlich zugelassenen Pflanzenschutzmitteln behandelt». Eine entlarvende Aussage, eine ganzheitliche Verantwortung übernimmt COOP wie auch andere Nahrungsmittelproduzenten- und verkäufer nicht! Konsumenten werden konsequent über den Tisch gezogen, sie werden nicht als Kunden betrachtet sondern als nützliche Idioten! Dieses Einstellung wird noch von den Behörden gedeckt und unterstützt. Bestes Beispiel, dass BAFU will Werte bei Pestiziden erhöhen, natürlich auf Druck der Giftproduzenten. Die systematische Vergiftung von Menschen, die Zerstörung von Fauna und Flora wird kommenden Generationen noch teuer zu stehen kommen!

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