Sperberauge

Immer noch billiges Palmöl in Pommes, Kartoffelchips, Cerealien

Daniela Gschweng. © Alexander Preobrajenski

Daniela Gschweng /  Die Notlage ist längst vorbei – die Verbraucherzentrale fand aber weiter nicht deklariertes Palmöl in Lebensmitteln.

Aufgrund des Engpasses zu Beginn des Ukrainekriegs ersetzten viele deutsche Hersteller Sonnenblumenöl in ihren Produkten durch Palmöl. Zum Teil, ohne die Änderung zu deklarieren. Das tun sie zum Teil immer noch, obwohl Sonnenblumenöl seit August 2022 wieder in ausreichender Menge verfügbar ist. Das fand die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) bei einer Stichprobe im April.

Strikte Vorgaben hatte es im vergangenen Jahr erst einmal keine gegeben. Die deutsche Lebensmittelüberwachung drückte ein Auge zu, wenn Lebensmittel kurzfristig mit dem günstigeren Palmöl hergestellt und falsch ausgewiesen wurden. Einige Hersteller nutzen das offensichtlich aus. Noch im September war auf vielen Verpackungen lediglich ein kleiner Hinweis auf der Rückseite aufgedruckt.

Obwohl Sonnenblumenöl seit August 2022 wieder ausreichend verfügbar ist, fand die VZHH in 12 von 13 Produkten weiterhin Palmöl. Nur bei einem Produkt von Edeka hatte der Hersteller den «Ölwechsel» rückgängig gemacht. Eine vollständige Liste der geprüften Produkte findet sich hier.

Betroffen sind neben Backofen-Pommes frites, Kartoffelchips und Kroketten verschiedener Marken auch die Frühstückscerealien «Cini Minis» von Nestlé. Die Produkte sind teilweise bis 2025 haltbar.

Billiger, ungesünder, umweltschädlicher

Palmöl ist nicht nur günstiger als Sonnenblumenöl, sondern auch ungesünder. Es enthält mehr gesättigte Fettsäuren und mehr Fettschadstoffe. Die Cini Minis enthalten nun viermal so viele gesättigte Fettsäuren wie das Sonnenblumenöl-Produkt. Dadurch verschlechtert sich auch der Nutri-Score, so die Verbraucherzentrale Hamburg.

Produkte mit Palmöl können auch mehr Fettschadstoffe wie 3-MCPD-Fettsäureester enthalten, welche möglicherweise krebserregend sind. Die Palmölproduktion selbst steht schon seit vielen Jahren in der Kritik, weil für den Anbau der Ölpalmen häufig Regenwald abgeholzt wird. Zudem erfolgt die Gewinnung nicht selten unter ausbeuterischen Bedingungen.

Auf eine Anfrage der VZHH Anfang Mai antworteten die Hersteller Aldi, Edeka, Lidl, Rewe, Kaufland, Agrarfrost, LVG und Nestlé unterschiedlich. Edeka gab beispielsweise an, dass es Produkte bereits wieder mit Sonnenblumenöl herstelle. Auch Lidl will die betroffenen Kartoffelchips ab Juni 2023 wieder mit Sonnenblumenöl produzieren.

Kaufland antwortete vage. Die Umstellung erfolge «abhängig von der Bestandssituation schnellstmöglich. Restmengen sollen aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht vernichtet werden.» Nestlé stellte in Aussicht, Produkte bis Ende des Jahres umzustellen. Die in den kommenden Wochen hergestellten Produkte mit Palmöl können dann noch jahrelang im Verkauf sein.

In der Schweiz könnte Rapsöl den Vorzug haben

In der Schweiz fiel der Sonnenblumenöl-Mangel nicht ganz so dramatisch aus wie im Nachbarland. Dennoch wurde auch hier die Deklarationspflicht geändert, um Herstellern den Ersatz des knappen Guts zu erleichtern (BLV). Die Änderung ist bis Ende 2023 befristet. Ausser Palmöl könnte in der Schweiz auch Rapsöl «eingewechselt» worden sein, weil Rapsöl hier in grossen Mengen produziert wird.  


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 14.07.2023 um 13:04 Uhr
    Permalink

    Der eigentliche Wahnsinn ist doch, dass ein Kilogramm Kartoffeln zur Chips verarbeitet, dann plötzlich statt €1,5 €20 kostet; eine wundersame Wertvermehrung, für die der Kunde bereit ist zu zahlen, obwohl außer Öl, Salz und Wärmeenergie nichts anderes drin ist. Kartoffelchips müssen ein Bombengeschäft sein: im Großhandel kostet 1 kg Kartoffeln wahrscheinlich unter einem Euro, Öl und Salz entsprechend einen Bruchteil unserer Detailhandelpreise – 100 Gramm Kartoffelchips Bio kommen im Laden auf ca. €2 – €3 inkl. Steuern. Wenn das kein gutes Geschäft ist.

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