Sperberauge
Eine Spritze abstauben
Die Ausreden sind immer die gleichen: der Impfstoff wäre sonst verfallen, die eigene Funktion rechtfertige eine Impfung, man wolle Vorbild sein. Wo immer eine Dosis des knappen Corona-Impfstoffs übrig ist, ist anscheinend sofort ein Vorgesetzter, Klinikchef oder Bürgermeister in der Nähe, um den Ärmel hochzukrempeln.
Besonders viele Berichte über Spritzen, die den Weg in bereitwillig hingehaltene Arme fanden, kamen in den vergangenen Wochen aus Deutschland. Dort werden derzeit nur Personen über 80, Pflegeheimbewohner, beruflich sehr exponierte Personen wie Intensivpfleger und Rettungskräfte sowie Hochrisikopatienten geimpft. In ein bis zwei Monaten sollen zwei weitere nach Alter und Krankheitsrisiko gestaffelte Gruppen folgen, erst dann wäre der gesunde Normalbürger dran.
Von wegen Vorbild: heimlich den Stadtrat geimpft
Mitte Januar hatte sich der Oberbürgermeister von Halle in Sachsen-Anhalt dennoch mit einer Dosis «Übrigem» impfen lassen, etwas später stellte sich heraus, dass auch zehn Mitglieder des Stadtrates bereits geimpft waren. Die Möglichkeit, ihre Vorbildrolle herauszustellen, hatten sie dabei ungenutzt gelassen. Rechtfertigen musste sich auch der Oberbürgermeister von Cottbus, 53 Jahre alt und anscheinend kerngesund.
Der «WDR» berichtete über Führungskräfte und Verwaltungsbeamte der Kölner Feuerwehr, die mit übriggebliebenen Impfdosen geimpft wurden, während Mitarbeiter im Rettungsdienst leer ausgingen, anscheinend weil sie wegen eines Grosseinsatzes nicht zur Verfügung gestanden hätten. Bei diesen stösst die Priorisierung auf Unverständnis. Wenn jemand binnen Minuten an jedem Ort der Stadt sein könne, dann die Rettungsdienste, sagen sie. In Hamburg spielte sich Ähnliches ab.
Geschäftsführer geimpft, Pflegepersonal verständnislos
In Aurich an der deutschen Nordseeküste wurde der Geschäftsführer eines Klinikverbundes noch vor allen Ärzten und Pflegern Anfang Januar gegen eine Infektion mit Sars-Cov-2 geimpft. Weitere 38 übriggebliebene Impfdosen wurden nicht nur an die Geschäftsführung, sondern auch an die Impfbeauftragte und deren Tochter verteilt, die gelegentlich im Krankenhaus jobbt.
Auch das Impfteam im Krankenhaus Wittmund ganz in der Nähe impfte den Geschäftsführer, weil sonst Impfdosen verfallen wären und sonst niemand verfügbar gewesen sei. Die Angestellten haben dazu eine völlig andere Meinung: «Er hätte auch zu uns nach oben kommen können, wir hätten es genommen», kommentierte eine Krankenschwester gegenüber dem «NDR». Das Krankenhaus hatte im Januar für kurze Zeit keine Patienten mehr aufnehmen können, weil ein zu grosser Teil der Angestellten infiziert war.
Korruption? Bei uns doch nicht!
Dass Amtsträger versuchen, sich auf diese Weise einen Vorteil zu verschaffen, weisen diese zurück. In der meist späten Rechtfertigung wird auf tatsächliche oder imaginäre Fallback-Listen verwiesen, auf denen die nicht-priorisierten Geimpften als nächstes «dran» gewesen wären.
In Stendal, ebenfalls in Sachsen-Anhalt, half auch das nichts mehr. Dort waren erstaunliche 320 Impfdosen übrig, die an Polizisten und Verwaltungsbeamte verimpft wurden. Anfänglich rechtfertigte sich der Kreis gegenüber der Landesgesundheitsministerin mit einem kurzfristig abgesagten Impftermin in einem Altenheim. Später wurde daraus ein «Feldversuch».
Mit dem Bekanntwerden weiterer Einzelfälle ist zu rechnen
Der Schwarzmarkt mit Impfdosen sei in vollem Gang, schreibt die «taz» und führt den Fall einer jungen Hamburgerin auf, die zweimal nach Bielefeld fuhr, um zwei «überzählige Impfdosen» zu bekommen – eine Strecke von 250 Kilometern. Impfungen seien im Darknet zu kaufen, mit dem Bekanntwerden weiterer Einzelfälle ist also vermutlich zu rechnen.
Bisher noch keine Strafen
Bestraft wird eine solche Vorteilsnahme in Deutschland nicht. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte am 3. Februar Konsequenzen für Impferschleicher bis hin zur Gefängnisstrafe, einstweilen wird die Verantwortung hin- und her verschoben. In Hamburg wurde der Chef des Deutschen Roten Kreuzes entlassen.
Schliesslich nimmt jeder Geimpfte rein rechnerisch einer Person in der Hochrisikogruppe eine Möglichkeit weg, rechtzeitig geschützt zu sein. Bemängeln kann man, dass deutsche Gesundheitsbehörden nicht von Anfang an an solche Szenarien gedacht haben.
Damit ist Deutschland allerdings keine Ausnahme. Zu unberechtigten Impfungen kam es auch in anderen Ländern, beispielsweise in Österreich, Kanada oder Spanien, wo es bereits einige hundert Impferschleicher gegeben haben soll, darunter Prominente und Ehefrauen von Politikern. In der Schweiz wurden bisher nur wenige Fälle bekannt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
In gewissen Kantonen funktionieren die Anmeldeapps nicht richtig und die Erklärungen auf den kantonalen Webseiten sind missverständlich und ungenau. Also ob die verantwortlichen Chefbeamten des Deutschen nicht mächtig wären. Oder sind das schon die Vorläufer der sprachlichen Kompetenzen schön beschrieben im Lehrplan21, die erreicht werden sollten, aber in der Praxis auf der Strecke bleiben eben, weil am Tüfteln derselben unterrichtsmässig unerfahrene Wissenschafter zu Hauf jahrelang für hohe Kosten an etwas herumbastelten, das im Schulzimmer belobt werden muss, um der Schulleitung zu gefallen, hinter vorgehaltener Hand aber als unbrauchbar kritisiert wird.