Dr. Kurios 2024 XX

Dr. Kurios © zvg/Depositphotos

Dr. Kurios: Schulterschmerzen vom Verhütungsmittel

Martina Frei /  Eine Frau lässt sich die Spirale einsetzen. Kurz danach bekommt sie Sehstörungen und weitere Beschwerden.

Starke Schmerzen in der linken Schulter führten eine Frau in Grossbritannien zum Arzt und von dort weiter zu einer MRI-Untersuchung. Alles normal, lautete der Befund.

Doch die Frau in den Dreissigern litt weiter. Zu den Schulterschmerzen gesellten sich nun auch Doppelbilder im rechten Auge, Tinnitus und zeitweise ein kompletter Hörverlust.

Zehn Tage, bevor die Symptome einsetzten, hatte sie sich eine «Mirena»-Verhütungsspirale einsetzen lassen. Wegen der zeitlichen Nähe kam der Verdacht auf, dass beides zusammenhängen könnte. Ihr Hausarzt wollte die Spirale deshalb wieder herausnehmen, doch das gelang nicht. Auch ein Gynäkologe schaffte es nicht. Die Patientin litt dabei höllische Schmerzen.

Kolumne «Dr. Kurios»

Choleraausbruch mitten in Paris, Explosion des Patienten bei der Darmspiegelung, Halluzinationen durch Hirsebällchen – in der Medizin passieren immer wieder unglaubliche Dinge. Glücklicherweise aber nur sehr selten. Seit über 20 Jahren sammelt die Autorin – sie ist Ärztin und Journalistin – solche höchst ungewöhnlichen Krankengeschichten. Ihre Kolumnen sind bisher in zwei Büchern erschienen: «Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen» und «Der Junge, der immer in Ohnmacht fiel».

Schliesslich untersuchten Gynäkologen die Patientin in Narkose. Sie sahen zwar die Fäden der Spirale, aber nicht die Spirale selbst. Mit Hilfe einer Notfall-MRI-Untersuchung des Bauchs wurde das abtrünnige Verhütungsmittel gefunden: Die «Mirena» hatte die Wand der Gebärmutter durchstossen und war in den Bauchraum gelangt. Nun befand sie sich im Bindegewebe rechts neben der Gebärmutter, berichten die Betroffene und ihre Ärzte gemeinsam im «British Medical Journal».

Bei etwa einen bis zwei von 1000 Intrauterinpessaren, wie die Spirale im Fachjargon heisst, kommt es zu dieser Komplikation. Schätzungsweise 85 Prozent der betroffenen Frauen merken nichts davon. Verglichen mit anderen Spiralen, die sich davonmachten, wurde dieses Exemplar frühzeitig gefunden. In manchen Fällen dauerte es Jahre oder sogar 31 Jahre, bis das Intrauterinpessar gefunden wurde: Mal in der Harnblase, mal an der Magenwand, mal am Darm. Die abtrünnigen Spiralen verursachten wiederkehrende Harnblasenentzündungen, einen Darmabszess oder -verschluss – oder machten sich nicht bemerkbar.

Reizung des Bauchfells führte zu Schulterschmerzen

Dass dieses Verhütungsmittel Schulterschmerzen, Sehstörungen, Tinnitus und intermittierenden Hörverlust verursachen kann, ist hingegen neu. Nachdem die Spirale laparoskopisch entfernt wurde, ging es der Frau rasch besser. Die Schulterschmerzen verschwanden innert einer Woche, die Sehstörungen innerhalb eines Monats. Ob der Tinnitus verschwand, teilt die Patientin in dem Bericht nicht mit.

Bei den Schmerzen in der Schulter handle es sich vermutlich um sogenannte «fortgeleitete» Schmerzen des Bauchfells, das durch die Spirale gereizt worden sei, vermuten ihre Ärzte. Wie die anderen Symptome zustande kamen, bleibt ein Rätsel.


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Höchst seltene und manchmal auch skurrile medizinischen Fallgeschichten.

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