Sperberauge
Die Migros sagt der «lieben Steffi», was zu tun ist
Sichtlich stolz verkündete der damalige Bundesrat Berset vor bald einem Jahr: «Immer mehr Lebensmittelhersteller und Detailhändler sind bereit, freiwillig den Zucker in ihren Lebensmitteln zu reduzieren. Das sind gute Nachrichten.»
Eben hatten 16 Firmen die «Erklärung von Mailand» betreffend «Erfrischungsgetränken» unterschrieben. Sie verpflichteten sich, den Zuckergehalt ihrer Produkte bis Ende diesen Jahres um zehn Prozent zu senken. Doch Rivella-Chef Erland Brügger stellte sogleich klar: «Das Rezept von Rivella rot zu ändern ist nicht vorgesehen.»
Infosperber hat schon im letzten März aufgezeigt, dass sich kaum etwas ändern wird. Denn der «Anhang zur Zuckerreduktion in Erfrischungsgetränken», der die «Erklärung von Mailand» präzisiert, ist zahnlos. Und die Getränkehersteller interpretieren ihn recht eigenwillig. Überdies haben säumige Firmen nichts zu befürchten. Der Bund behält sich lediglich vor, Firmen, «die keine glaubwürdigen Bestrebungen zur Reduktion von Zucker vorweisen können, von der ‹Erklärung von Mailand› auszuschliessen.»
Dabei ist das Problem akut. Der Bund schreibt, die Bevölkerung in der Schweiz konsumiere doppelt so viel Zucker, wie die Weltgesundheitsorganisation als Maximum empfehle – nämlich durchschnittlich 100 Gramm oder 25 Würfelzucker pro Tag. Mehr als ein Drittel stammt dabei aus Getränken.
Schärfere Vorgaben – am besten verbindliche – wären also durchaus angebracht. Und das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schlug solche auch vor. Doch die Migros wehrte sich, wie die Konsumentenzeitschrift Saldo kürzlich nachwies (Bezahlschranke).
In einem Mail an die «liebe Steffi», die zuständige Fachfrau beim BLV, teilte die Migros mit, sie sei «mit den gesetzten Reduktionszielen nicht einverstanden» und werde «den Anhang für Erfrischungsgetränke in dieser Form nicht unterschreiben».
Vorsorglich hatte das BLV bereits um «einen konkreten Gegenvorschlag» gebeten. Die Migros reichte einen solchen ein. Und das BLV übernahm ihn – laut Saldo – «ohne Widerrede. Auch weitere Wünsche der Migros setzte es eins zu eins um.»
Offenbar sind nicht nur Angestellte der Migros, sondern auch Angestellte von Coop mit der «lieben Steffi» per Du. Kein Problem fürs BLV: «Die Form der Ansprache ist irrelevant für die Zusammenarbeit», lässt es verlauten.
Fanta ist nicht gleich Fanta
Der Zuckergehalt von Süssgetränken ist nicht überall gleich hoch. In der Schweiz enthält Fanta Orange 10,3 Gramm Zucker pro Deziliter. In Grossbritannien sind es bloss 4,5 Gramm. Also nicht einmal die Hälfte. Der Grund: In Grossbritannien gibt es eine Zuckersteuer. Hersteller müssen sie entrichten, wenn sie ihren Getränken zu viel Zucker zusetzen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Zuckerhaltige Getränke verkaufen sich gut und niemand will der Erste sein, der durch eine Zucker-Reduktion eine Umsatz- und Profiteinbusse erleidet.
Dabei scheint es niemanden zu stören, dass dadurch der Anteil der Bevölkerung, der an Diabetes leidet, unaufhörlich ansteigt … ist ja auch ein Bombengeschäft!
Ich diagnostiziere (auch hier) ein klares Systemversagen, bei dem die Wirtschaft nicht den Menschen dient, sondern die Menschen der Wirtschaft, sprich dem maximalen Profit.
Dieses System macht schon seit längerem nicht Halt vor der vorsätzlichen Schädigung der Gesundheit der betroffenen Menschen.
Eigentlich eine Definition von Wahnsinn aus der humanistischen Perspektive betrachtet.
Dabei sind 10 Prozent Reduktion ja lächerlich. Eine Zuckersteuer muss also her!
Schon toll, wenn dann im Sommer mit dem Durst auch der Zuckerkonsum steigt und das Gewicht.
Und dann ist man danach an den Zuckerkonsum gewöhnt. Es dauert Jahre, sich so etwas abzugewöhnen. Mein Rezept: Ein Zwanzigstel reiner Zitronensaft in normales Trinkwasser.
Ja, da müssen wir die volle Selbstverantwortung lernen und das Zeug nicht mehr kaufen. Ich mache manchmal auch einfach einen Anteil Fruchtsaft ins Wasser. Vor allem die Kinder kann man langsam umgewöhnen, das funktioniert!