Wuhan Markt

Am Markt in Wuhan soll das Corona-Virus von wilden Tieren auf Menschen übergesprungen sein (Symbolbild aus dem Jahr 2000.) © urf / Depositphotos

Corona-Ursprung: Medien lassen Verstrickungen ausser Acht

Martina Frei /  Medien verbreiteten einmal mehr die These, das Virus sei natürlichen Ursprungs. Doch die zitierte Studie sagt das nicht aus.

Fast alle grossen Medien berichteten letzte Woche über eine neue Studie. «Sars-CoV-2 stammt vermutlich von Wildtieren», titelte beispielsweise die Schweizerische Depeschenagentur SDA. Die «SRF-Tagesschau» sprach von «höchst renommierten Forschern», wies jedoch auf deren Verstrickungen nicht hin.

In der Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift «Cell», wurden die Gen-Daten von Proben ausgewertet, die chinesische Wissenschaftler von Januar bis März 2020 am Tiermarkt in Wuhan gesammelt hatten. Demnach hatten die Viren der ersten Covid-Patienten und die auf dem Markt gefundenen Viren einen gemeinsamen Virus-Vorfahren.

Die Medienberichte erweckten den Eindruck, dass Sars-CoV-2 sehr wahrscheinlich einen natürlichen Ursprung habe. Die Corona-Viren könnten mit infizierten Tieren zum Wuhan-Markt gelangt sein und von dort aus zur Pandemie unter Menschen geführt haben. Denn in den untersuchten Proben fanden sich Virenschnipsel und Spuren des Erbguts von Tieren.

Bereits im März 2023 gelangten die Studienautorinnen und -autoren mit einer vorläufigen Auswertung an die Medien. Auch damals wurde der Eindruck erweckt, dass die Pandemie wohl natürlichen Ursprungs sei (Infosperber berichtete).

«Kartenhaus auf einem Fundament aus Fehlverhalten»

Die Studie sei «ein Kartenhaus, das auf einem Fundament aus Fehlverhalten errichtet wurde», twitterte der US-Wissenschaftler Richard Ebright von der Rutgers University und zerriss sie: «Keine neuen Daten, keine neuen Analysen, unsichere Prämissen und unsichere Schlussfolgerungen.» Ebright gehört zu den prominentesten Kritikern der umstrittenen «gain of function»-Forschung und ist überzeugt, dass das Pandemievirus aus dem Labor stammt.  

Seine Kollegin Alina Chan – Molekularbiologin am Broad-Institute und ebenfalls Anhängerin der Laborhypothese – wies auf «X» auf Widersprüche hin: Prominente Wissenschaftler wie der US-Coronaviren-Spezialist Ralph Baric oder die niederländische Virologin Marion Koopmans hatten den Anfang der Pandemie anhand virologischer Daten auf Oktober 2019 oder sogar September 2019 datiert. Die «Cell»-Studie untersuchte jedoch Proben von Anfang 2020 und widerspiegelt folglich eher nicht den Beginn der Pandemie. 

Vier einschlägig bekannte Namen unter den Studienautoren

Was grosse Medien auch dieses Mal unerwähnt lassen: Unter den Studienautorinnen und Autoren sind vier, deren Namen immer wieder auftauchen, wenn es darum geht, die Hypothese vom Laborursprung zu diskreditieren.

Kristian Andersen, Robert Garry, Edward Holmes und Andrew Rambaut stemmten sich öffentlich schon im März 2020 vehement gegen die Laborhypothese und suggerierten der Öffentlichkeit in einem Artikel in «Nature Medicine», dass das Pandemie-Virus natürlichen Ursprungs sei.

Ihre viel später per Öffentlichkeitsgesetz freigeklagten Emails sprachen aber eine andere Sprache. Dort zeigte sich, dass sie selbst Zweifel hegten, ob das Pandemie-Virus nicht doch aus einem Labor stammte. 

Proximal Origin Zitate der Autoren
Gegenüberstellung der Aussagen der fünf Virologen, die den Artikel in «Nature Medicine» verfasst haben. Oben weiss unterlegt, was sie in ihrem Artikel schrieben – und unten, was sie sich privat mitteilten. Für eine grössere Auflösung bitte hier klicken.

Verstrickungen und Abhängigkeiten

Auch die zahlreichen Interessenkonflikte und Verstrickungen waren in den Medien, welche über die in «Cell» erschienene Studie berichteten, kein Thema. Finanziert wurde diese Studie unter anderem vom Institut, das Anthony Fauci früher leitete. Fauci und sein früheres Institut haben ein Interesse daran, dass das Virus nicht aus dem Labor in Wuhan stammt. Denn Faucis Institut finanzierte dort riskante virologische Experimente.

Verschiedene Autoren der «Cell»-Studie erhielten oder erhalten erhalten ebenfalls Gelder von diesem Institut, von den übergeordneten «National Institutes of Health» oder auch vom Wellcome Trust. Dieser sponserte unter seinem früherem Leiter Jeremy Farrar unter anderem die «EcoHealth Alliance», die wiederum Virus-Forschung mit Sars-ähnlichen Coronaviren am Wuhan-Institut für Virologie förderte (Infosperber berichtete).

Jeremy Farrar half im Hintergrund, den erwähnten Artikel in «Nature Medicine» zu organisieren. Das wurde aber nicht publik gemacht, sondern kam erst später heraus. Ausserdem wirkte Farrar bei einer weiteren, wichtigen Stellungnahme in «The Lancet» mit, welche die Laborhypothese im Februar 2020 ebenfalls diskreditierte – zu einem Zeitpunkt, als man das «schlicht noch nicht wissen» konnte, wie die «ARD» später schrieb. 

Interessenkonflikt der Forscher

Auch das Erasmus Medical Center, wo die niederländische Virologin Marion Koopmans arbeitet, kollaborierte mit der «EcoHealth Alliance». Koopmans ist eine starke Befürworterin der umstrittenen «gain of function»-Forschung. Würde der Beweis erbracht, dass das Pandemie-Virus aus einem Labor stammt, müssten sie und ihre Kollegen mit noch stärkeren Forschungsauflagen oder gar mit Verboten rechnen. Koopmans gehört ebenfalls zu den Studienautorinnen der nun in «Cell» erschienenen Studie.

Rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten die in «Cell» veröffentlichte Studie für unzureichend und fordern, dass sie zurückgezogen werden müsse. Zu den Unterzeichnern gehören bekannte Anhänger der Laborhypothese wie der deutsche Physik-Professor Roland Wiesendanger und der US-Wissenschaftler Richard Ebright.

Fazit: Noch zu viele Ungereimtheiten

Weshalb das Pandemievirus zum Beispiel an einer wichtigen Stelle einen menschlichen Gencode enthielt oder warum es von Beginn weg «zu ansteckend» für Menschen gewesen sei, wie der frühere Leiter grössten US-Gesundheitsbehörde «Centers for Disease Control and Prevention» zu bedenken gab, erklärt auch die «Cell» -Studie nicht.

Die Anhänger der These vom natürlichen Ursprung des Pandemie-Virus lassen sich von solchen Argumenten nicht verunsichern. Sie verweisen darauf, dass es beispielsweise beim Marburg-Virus Jahre gedauert habe, um den tierischen Ursprung zu finden.

Die Quintessenz der «Cell» -Studie erfuhren die Leserinnen und Leser der «Tamedia»-Zeitungen gleich zweimal: «Eines vorweg: Auch diese Studie löst nicht das Rätsel um den Ursprung von Sars-CoV-2», begann der Redaktor der «Süddeutschen Zeitung» den Artikel, den die «Tamedia» übernahm. Und am Ende schloss er: «Eine endgültige Antwort auf die Frage, ob das Virus aus einem Labor stammt oder vom Tier auf den Menschen übersprang, gibt es weiter nicht.»

Damit ist eigentlich alles gesagt.

Zwei Grossmächte und viele Forschende mit Interessenkonflikten

China, die USA sowie diverse Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden schlecht dastehen, wenn bewiesen würde, dass das Pandemie-Virus aus einem Labor in Wuhan entwichen ist. Wäre dieses Virus hingegen von einem Wildtier auf den Menschen übergesprungen und somit natürlichen Ursprungs, könnten alle das Gesicht wahren.

Die USA, insbesondere das von Anthony Fauci geleitete Institut, sponserten Virenforschung am Institut für Virologie in Wuhan. «Ein von den USA finanzierter Laborursprung von Covid-19 wäre sicherlich der bedeutendste Fall grober Fahrlässigkeit einer Regierung in der Weltgeschichte. Darüber hinaus ist es sehr wahrscheinlich, dass die US-Regierung bis zum heutigen Tag gefährliche Gain-of-Function-Arbeiten als Teil ihres Bioverteidigungsprogramms finanziert. Die USA sind dem Rest der Welt […] vielleicht auch eine grosszügige finanzielle Entschädigung schuldig, je nachdem, was die Fakten letztendlich ans Licht bringen», urteilte der ehemalige Leiter der wissenschaftlichen Covid-19 Kommission der medizinischen Zeitschrift «The Lancet», Jeffrey Sachs (Infosperber berichtete).

Etliche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, insbesondere solche, die weiter die umstrittene «gain of function»-Forschung betreiben möchten, befinden sich ebenfalls in einem Interessenkonflikt. Denn sollte sich zweifelsfrei herausstellen, dass das Virus einen Laborursprung hat, müssten sie womöglich mit grösseren Auflagen oder Verboten rechnen. Wäre das Pandemie-Virus hingegen natürlichen Ursprungs, würde ihnen dies eine Rechtfertigung liefern, um ihre Forschung fortzuführen oder gar auszubauen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 25.09.2024 um 16:03 Uhr
    Permalink

    Danke für den Artikel! Einmal mehr berichtet Martina Frei um Längen seriöser und glaubwürdiger als SRF, NZZ, u.s.w.
    Es ist schon unglaublich, wie dilettantisch letztere vorgehen. Ist es Absicht, oder ist es Unfähigkeit?
    Merken diese Leute wirklich nicht, dass DNA-Proben, welche mindestens einen Monat nach dem vermuteten ersten Auftreten beim Menschen genommen wurden, keine Dokumentationen dieses ersten Auftretens sind?
    Klingelt bei denen gar kein Glöckchen, wenn chinesische Behörden, welche bekannterweise die Forschung nach dem Ursprung des Virus nach Kräften behindern, Jahre später plötzlich Gendaten veröffentlichen?
    Käme niemand von denen auf die Idee, nach dem Verbleib jener Gendatenbank zu fragen, welche die Forschung am Wuhan Institute of Virology dokumentierte, bevor sie im Herbst 2019 plötzlich verschwand?

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