Zuwanderer sorgen für ausgeglichenere Altersstruktur (1)
Red. – Josef Hunkeler, der Autor dieses Beitrags, arbeitete bis zu seiner Pensionierung jahrelang für den Eidgenössischen Preisüberwacher. Für Infosperber hat er die «Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung nach Kanton, Provisorische Jahresergebnisse 2022» des Bundesamts für Statistik ausgewertet.
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Die Altersstruktur der «ständigen Bevölkerung» in der Schweiz
In den letzten zehn Jahren hat sich die Altersstruktur aller in der Schweiz lebenden Menschen nach rechts – in Richtung Überalterung – verschoben. Diese Kurve rückt jedes Jahr eine Position nach rechts, wird aber durch die internationale Migration und Änderungen bei der Sterblichkeit beeinflusst.
Vergleicht man die Altersstruktur der Schweizer mit jener der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz, zeigt sich das Bild einer «zweigeteilten» Gesellschaft:
Die zahlenstärkste Altersgruppe in der Schweizer Bevölkerung sind die gegenwärtig 58-Jährigen (Geburtsjahr 1964; 104’000 Menschen). In 15 Jahren werden die derzeit bevölkerungsreichsten Jahrgänge alle das Pensionsalter erreicht haben. Der Grossteil der Nachkriegs-«Baby-Boomer» wird sogar in den nächsten zehn Jahren pensioniert. Die Jahrgänge 1970 bis 1990 liegen zahlenmässig 20 Prozent tiefer.
Der entsprechende Ausfall der «aktiven» Schweizer Bevölkerung wird durch die wesentlich «günstigere» Altersstruktur der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz kompensiert. Das Ausland dient der Schweiz sozusagen als «Arbeitskräftereservoir», das ständig erneuert wird und etwas zugenommen hat. Demzufolge zeigt die Altersstruktur der ausländischen Bevölkerung keine «alternde», sondern eine «sich ständig erneuernde» Population. Die zahlenstärkste Altersgruppe in der ausländischen Bevölkerung, die aktuell in der Schweiz lebt, sind die 37-Jährigen (51’000).
Dies zeigt den relativ «temporären» Charakter der Migration, der sich auch im Altersquotienten niederschlägt. Darunter versteht man den Anteil der Personen im Rentenalter im Verhältnis zu denen im Erwerbsalter. Dieser Altersquotient deutet bei der Schweizer Bevölkerung mit einem Wert über 40 Prozent auf einen sehr viel höheren Anteil an Rentnerinnen und Rentnern unter der «ständigen» Schweizer Bevölkerung hin. Auf eine Rentnerin oder einen Rentner kommen bei den Einheimischen etwa 2,5 Personen im erwerbsfähigen Alter. Bei den «Gastarbeitern» beträgt der gemessene Altersquotient hingegen nur rund 11 Prozent, dort kommen auf eine Person im Rentenalter folglich etwa neun Personen im Erwerbsalter. (Diese Statistik ignoriert jedoch die ausgereisten Rentner und verfälscht dadurch den Wert dieses «Altersquotienten».)
Der Ausländeranteil lag 2022 bei 26 Prozent der Gesamtbevölkerung, bei den Todesfällen entfielen indes nur elf Prozent auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Die Zuwanderung hat das Gesamtbild folglich «geglättet» – «erkauft» wird dies mit einer starken Erhöhung der Einwohnerzahl.
Die roten Linien zeigen, dass auch bei der ausländischen Bevölkerung vor allem Menschen im Rentenalter sterben. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist aber wesentlich tiefer. Denn die meisten dieser ausländischen Rentnerinnen und Rentner werden in dieser Statistik gar nicht mehr erfasst, weil sie nach Erreichen des Rentenalters ganz überwiegend nicht in der Schweiz bleiben. Das starke Wachstum der Todesfallzahlen der ausländischen Bevölkerung kann vermutlich auf eine gelockerte Familienzusammenführungspolitik zurückgeführt werden. Die absoluten Werte bleiben aber relativ klein. Der erleichterte Familiennachzug hat also nur wenig daran geändert, dass ausländische Arbeitnehmer die Schweiz nach ihrer Pensionierung meist wieder verlassen (Infosperber berichtete).
Anzahl der Geburten und der Einbürgerungen
Die Geburtenzahlen sanken von 1991 bis 2003, jene der Einbürgerungen nahmen zu.
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➞ Lesen Sie hier Teil 2: Wo in der Schweiz am meisten Ausländerinnen und Ausländer leben. Und welche Kantone am seltensten Personen einbürgern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Sie sagen es richtig, diese «Glättung» können wir uns nur mit einer starken Zunahme der Bevölkerungszahl erkaufen. Deshalb ist dieser Lösungsansatz nicht nachhaltig, sondern nur eine kurzfristige Symptombekämpfung.
Die Graphik zum Gesamtbild zeigt klar, dass die historische Zuwanderung nicht nur den fehlenden lokalen Nachwuchs ersetzt hat, sondern diese Lücke massiv überkompensiert hat.
Mein Ziel mit dieser Untersuchung war in erster Linie eine Bestandesaufnahme der aktuellen Realitäten in der Schweiz. Die Implikation dieser Entwicklung auf die Finanzierung der AHV ist dabei so etwas wie ein Kollateralschaden, ist aber die Konsequenz einer realen Entwicklung.
Diese Bestandesaufnahme ist kein «Lösungsansatz» der mehr oder weniger nachhaltig sein kann, sondern erst einmal eine Beschreibung der aktuellen Entwicklung, wie sie aus den üblicherweise verwendeten Statistiken nicht immer leicht zu eruieren ist.
Diese Beschreibung soll aber mithelfen, entsprechende Zielgrössen zu definieren und nachhaltige Lösungsansätze zu formulieren. Der zweite Teil dieses Papieres dürfte in dieser Hinsicht noch etwas konkreter sein.
Zuwanderung ist keine Lösung, sondern kurzfristige Kosmetik. Das Grundproblem ist der Glaube an Wachstum und nochmals Wachstum. Je besser eine Gesellschaft lebt dank Wachstum, desto weniger Kinder kommen zur Welt. Also bremst sich die Gesellschaft selber aus und Pensionslösungen, die auf Abgaben der Menge der Werktätigen basieren, gehören zum «Alteisen».
Wir brauchen ganz neue Finanzierungsmodelle, die unabhängig von der Zahl der Werktätigen sind; vor allem für die AHV.
Fast alle finden es gut, dass sie nicht so jung sterben, wie das vor hundert Jahren noch üblich war. Dann sollten sie sich nicht darüber beklagen, dass rundum die anderen eben auch älter werden.