Wo in der Schweiz die meisten Ausländer leben (2)
Red. – Josef Hunkeler, der Autor dieses Beitrags, arbeitete bis zu seiner Pensionierung jahrelang für den Eidgenössischen Preisüberwacher. Für Infosperber hat er die «Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung nach Kanton, Provisorische Jahresergebnisse 2022» des Bundesamts für Statistik ausgewertet. Im ersten Teil dieses Artikels legte Josef Hunkeler dar, dass die Zuwanderung die Altersstruktur der in der Schweiz lebenden Bevölkerung «glättet». Im zweiten Teil hier die Auswertung nach Kantonen.
_____________________
Die Altersstruktur der Schweiz wird durch die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer «verjüngt». Während bei den Schweizerinnen und Schweizern im Jahr 2022 auf eine Person im Rentenalter etwa 2,5 im Erwerbsalter kamen, lag dieser Altersquotient bei den Ausländern in der Schweiz bei fast 1 zu 9.
Insgesamt hat die «ständige» Bevölkerung in der Schweiz seit 2005 zugenommen, wie die folgende Grafik zeigt (blaue Fläche und grüne Fläche zusammen). Wenn der Altersquotient in der Schweiz mit Hilfe der Zuwanderung tief gehalten werden soll, bedingte dies eine weiter steigende Bevölkerungszahl – falls die Zugewanderten alle hier bleiben würden. Tatsächlich verlassen aber 80 Prozent der ausländischen Rentnerinnen und Rentner die Schweiz wieder (Infosperber berichtete). Bei der ausländischen «ständigen» Wohnbevölkerung handelt es sich daher grossteils um eine «sich ständig erneuernde» Bevölkerungsgruppe, die kommt und wieder geht.
Im Kanton Bern lag der Ausländeranteil im Jahr 2022 nur bei 17 Prozent. Der Quotient aus Rentnern und Erwerbstätigen betrug dort 1 zu 2,26.
Im Kanton Zürich kamen 2022 auf eine einheimische Person im Rentenalter etwa 2,72 im Erwerbsalter. Der Ausländeranteil im Kanton Zürich betrug 28 Prozent, eine Zunahme um sechs Prozentpunkte seit 2005. Damals lag dieser Anteil noch bei 22 Prozent. Der starke Anstieg der Immigration von Personen im Erwerbsalter betrifft vor allem die Jahre ab 2007 und vor allem junge Männer.
Auch im Kanton Basel-Stadt hat die Zuwanderung ab 2007 bei der Bevölkerung im Erwerbsalter (21 bis 65 Jahre) massiv zugenommen und ist auf diesem hohen Niveau verblieben. Der Ausländeranteil lag 2022 bei 37 Prozent, bei den Altersgruppen im erwerbstätigen Alter betrug er 44 Prozent. Hinzu kommen die Grenzgänger (2020 machten sie 18 Prozent der dortigen Bevölkerung aus). Der Altersquotient der einheimischen Bevölkerung war 2022 im Kanton Basel-Stadt mit 47,7 Prozent ziemlich hoch. Dies zeigt eine gewisse Überalterung der einheimischen Bevölkerung und kann als Indikator für einen wachsenden Bedarf an ausländischen Hilfskräften interpretiert werden.
Fribourg ist der «jüngste» Kanton der Schweiz. Das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung lag hier 2022 bei knapp über 40 Jahren. Das tiefe Durchschnittsalter der ausländischen Bevölkerung widerspiegelt vermutlich einen relativ starken Anteil Studierender. Der Ausländeranteil lag bei 24 Prozent. Der Altersquotient bei den Ausländerinnen und Ausländern im Kanton Fribourg von nur 6,3 Prozent weist darauf hin, dass ältere Ausländer kaum über die Pensionierung hinaus im Kanton bleiben.
Der Kanton mit dem höchsten Durchschnittsalter ist das Tessin. Dies gilt sowohl für die Schweizer Bevölkerung als auch für die dort lebenden Ausländerinnen und Ausländer. Der Altersquotient der Ausländer ist – verglichen mit der Gesamtschweiz – mit 25,3 Prozent recht hoch, was die Beliebtheit des Kantons als Alterswohnsitz bestätigt. Damit kommen bei den Einheimischen dort auf eine Person im Rentenalter 2,1 im Erwerbsalter. Bei den Ausländerinnen und Ausländern im Tessin betrug dieser Quotient fast 1 zu 4. Der Ausländeranteil lag im Tessin bei 28 Prozent der ständigen Bevölkerung. Bei den Personen im Rentenalter lag dieser Anteil bei knapp über 20 Prozent. Der Grenzgängeranteil ist im Tessin mit 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der höchste aller Kantone.
Im Kanton Genf lag der Ausländeranteil 2022 bei 41 Prozent, in der Altersgruppe von 21 bis 65 Jahren bei 47 Prozent. Im Altersbereich von 30 bis 50 Jahren überstieg die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer mit knapp 90’000 den Inländeranteil von 74‘000 um rund ein Fünftel. Etwas über 100‘000 Grenzgänger – davon 64‘000 in der Altersklasse 30-49 J. – ergänzen diese «ständige» Bevölkerung, so dass der effektive Ausländeranteil in dieser Altersgruppe praktisch das Doppelte der einheimischen Bevölkerung ausmacht. Dies reflektiert die Rolle von Genf als internationales Zentrum.
Mit dem hohen Ausländeranteil ist Genf gegenwärtig noch die Ausnahme in der Schweiz. Aber der Rückgriff auf importierte Arbeitskräfte dürfte auch in anderen Regionen zu ähnlichen Entwicklungen führen. Die verstärkte Einbürgerung kann diese Entwicklung nur bedingt relativieren.
Einbürgern lassen sich die Menschen vor allem in den grossen Kantonen Waadt und Zürich. In den Kantonen Uri und Appenzell-Innerrhoden dagegen wurden 2021 fast keine Personen eingebürgert. Im Tessin lag die Einbürgerungsrate 2021 nach einem Hoch vor der Finanzkrise 2008/09 wieder knapp unter 0,5 Prozent der ständigen Bevölkerung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wir sollten den Begriff «Ausländer» vermeiden. 180’000 so genannte «Ausländer» und «Ausländerinnen» sind in der Schweiz geboren, hier aufgewachsen und haben allein über ihre Eltern einen Migrationsbezug. Möglicherweise haben sie das Land, das in ihrem Pass steht, noch gar nie besucht. Was ist an diesen 180’000 Personen, die in der Mitte unserer Gesellschaft leben, «ausländisch»? Sie sind allein ein Ausgrenzungsprodukt einer zutiefst demütigenden, langwierigen, unberechenbaren, kostspieligen und insgesamt eines Rechtsstaates zutiefst unwürdigen Einbürgerungspolitik. Deutlich über eine Million dieser so genannten «Ausländer» und «Ausländerinnen» erfüllt die (äusserst strengen) Kriterien für eine Einbürgerung, mag sich diesem erniedrigenden Bittgang aber aus verständlichen Grüssen nicht unterziehen.
Demütigender, erniedrigender Bittgang? Wie bitte? Meine Frau hat sich einbürgern lassen. Es war alles andere als ein ‹erniedrigender Bittgang›. Für jemanden der in der Schweiz geboren ist und eine Landessprache als quasi Muttersprache spricht noch weniger. Ausländer ist in meinen Augen eben ganz einfach wer keinen Schweizer Pass besitzt. Ich habe lange im Ausland gelebt und war eben auch Ausländer. Ich habe mich in keiner Art und Weise ausgegrenzt gefühlt. Ihren Kommentar finde ich absolut unverständlich!
Herr Ochsner: Ihr Gegenargument hinkt. Denn Ihre Frau hat vom erleichterten Einbürgerungsverfahren profitiert, weil Sie mit Ihnen verheiratet ist. Für das erleichterte Einbürgerungsverfahren ist der Bund zuständig, bei dem es zu keinen erniedrigenden, demütigenden und willkürlichen Befragungen kommt wie beim ordentlichen Einbürgerungsverfahren. Für das ordentliche Einbürgerungsverfahren sind in den meisten Kantonen die Gemeinden zuständig. Wir haben in der Schweiz über 2000 Gemeinden und folglich gibt es über 2000 verschiedene Einbürgerungsverfahren. Der Spielraum ist sehr gross. Namentlich kleine ländliche Gemeinden stellen den Einbürgerungswilligen völlig unangemessene Fragen. Zudem sind die Verfahren von einem unterschwelligen Rassismus geprägt. Gut Bürgerliche aus einem westlichen EU/EFTA-Land werden anders behandelt als sozial niedrig Gestellte mit einem familiären Hintergrund aus der Türkei oder dem Globalen Süden. Der Willkür sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Gemäss Bundesamt für Statistik gab es Ende 2022 2.3 Millionen «ständige Einwohner» in der Schweiz ohne Schweizer Pass. Dazu kommen noch knapp 400’000 Grenzgänger ohne Schweizer Pass dazu, so wie über 600’000 im Ausland lebende AHV-Bezüger ohne Schweizer Pass.
Die von Ihnen erwähnten 180’000 in der Schweiz geborenen Leute ohne Schweizer Pass sind also eine sehr kleine Minderheit dieser Leute. Der Ausdruck «Ausländer» ist übrigens auch in den amtlichen Statistiken zu finden und hat da wohl keine negative Konnotation.
Ich war selbst während fast 10 Jahren in einem afrikanischen Land tätig, wo ich als «importation temporaire» betrachtet wurde. Ich habe da auch in einer europäischen Mittelschule als Examinator ausgeholfen, wurde aber von der Schulleitung belehrt, dass «Ausländer» — hier Leute aus einem anderen Land als dem der Schule — kein Stimmrecht hätten. Es gibt offensichtlich «Einheimische von hier» und «Einheimische von anderswo». Ob das als diskrimierend aufgefasst werden muss?
Herr Hunkeler: Sie finden, 180’000 Personen sei eine so kleine Minderheit, dass es sich nicht lohne, für sie eine angemessene Bezeichnung zu finden. Ich sehe das anders.
Dann erwähnen Sie, dass Sie zehn Jahre in einem anderen Land waren und es richtig fanden, dass Sie dort als «Ausländer» galten. Ja, klar. Bloss: In der Schweiz gibt es deutlich über 1 Million Menschen, die deutlich länger als zehn Jahre hierzulande wohnen, sehr viele darunter seit der Geburt. Bei diesen ist es zutiefst unwürdig, sie alle pauschal weiterhin als «Ausländer» bzw. «Ausländerin» zu bezeichnen.
Bei den 180’000 in der Schweiz Geborenen ohne Schweizer Pass muss ich präzisieren, dass es sich um die über 15 Jährigen handelt. Weitere 251’000 Personen ohne Schweizer Pass unter 15 Jahren sind ebenfalls in der Schweiz geboren und wären hinzuzuzählen.
Nur weil die amtliche Statistik für diese alle – wie Sie – den diskriminierenden Begriff «Ausländer» verwendet, wird dieser Begriff nicht weniger ausgrenzend.
Das ist weitestgehend reine Semantik. Wollen Sie die Sprache neu erfinden ?
Vom realen Problem temporärer Zuwanderung als Kompensation bzw. z.T. Überkompensation der demographischen Fluktuationen der ansässigen Bevölkerung sagen Sie aber kein Wort.
Es wäre schön, wenn auch Sie einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Problematik leisten könnten.
Wie schaut es aus in der Schweiz? Wie werden Nichtstaatsbürger am demokratischen Leben beteiligt? In Ö darf man, egal wie lange und gut man hier lebte, gerade einmal auf Gemeindeebene wählen; der Zugang zu Landes-, Bundes- und Bundespräsidentenwahl bleibt verwert. Möchte man daraufhin die Ö-Staatsbürgerschaft annehmen und ist EU-Bürger, muss man die vorherige Staatsbürgerschaft abgeben. Das führte dazu, dass mittlerweile hunderttausende Nichtwahlberechtigte hier leben, die integriert sind, Steuern zahlen, Kinder großziehen, aber eben nirgends wählen dürfen.
Herr Schön: Die Schweiz rühmt sich stets, eine gute Demokratie zu sein. Bloss haben ein Viertel der Bevölkerung (wie in Österreich) keinerlei politische Rechte auf Bundesebene, also rund 2.3 Millionen Menschen.
Anders als in Österreich kann in der Schweiz auch auf Gemeindeebene von einer flächendeckenden politischen Teilhabe keine Rede sein. Zwar haben inzwischen 605 Gemeinden aus der französisch-sprachigen Schweiz sowie Graubünden und Appenzell ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern ohne Schweizer Pass nach einer variablen Aufenthaltsfrist von fünf bis zehn Jahren die politischen Mitwirkungsrechte auf kommunaler Ebene erteilt. In allen anderen 1400 Gemeinden wird ihnen dieses Recht aber verwehrt – selbst jenen, die dort geboren sind.
Hinzu kommt: Wer umzieht, muss die Aufenthaltsfrist neu absitzen. Wer also im Kanton Freiburg nach fünf Aufenthaltsjahren das kommunale Stimm- und Wahlrecht erworben hat und in den Kanton Waadt umzieht, erhält es dort erst nach weiteren zehn Jahren wieder.