Kinder im Müll

Während arme Kinder im Müll leben, vermehren Superreiche weiter ihr Vermögen. De Schutter schlägt andere Lösungen vor. © h3k27 / Depositphotos

Wirtschaftswachstum soll nicht länger als Massstab gelten

Pressenza /  Der UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut verlangt eine neue Wirtschaftspolitik. Soziales Wohlergehen steht im Zentrum.

Wirtschaftswachstum ist nicht die Lösung zur Beseitigung der weltweiten Armut, warnte Olivier De Schutter, der UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte. De Schutter zufolge hat die traditionelle Strategie der Förderung des Wirtschaftswachstums zur Bekämpfung der Armut einen Planeten am Rande des Klimakollapses geschaffen, auf dem eine Elite Reichtum hortet, während Millionen in extremer Armut leben.

In seinem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat beschrieb De Schutter die Umweltzerstörung und die Ungleichheit, die durch die derzeitige Wirtschaftspolitik verursacht werden. Er forderte Regierungen und internationale Organisationen auf, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht länger als Massstab für den Fortschritt zu verwenden, sondern sich auf die Menschenrechte und das soziale Wohlergehen zu konzentrieren.

Wirtschaftspolitik sollte neue Prioritäten setzen

De Schutter betonte, dass die Besessenheit vom Wirtschaftswachstum die Reichen begünstige und die lebenswichtigen Ökosysteme des Planeten schädige. Er schlug vor, dass die Wirtschaftspolitik Grundrechte wie den Zugang zu sozialen Dienstleistungen und eine saubere und nachhaltige Umwelt garantieren sollte.

Der Bericht hebt hervor, dass das Wirtschaftswachstum im globalen Süden die Menschen nicht aus der Armut befreit hat. Der Wohlstand in diesen Ländern hängt oft von der Ausbeutung der Arbeitskräfte und der Gewinnung von Ressourcen ab, die dem globalen Norden zugute kommen und zur Begleichung von Auslandsschulden dienen. De Schutter argumentierte, dass selbst in Ländern mit niedrigem Einkommen, in denen Wachstum notwendig ist, der Schwerpunkt der Entwicklung auf dem sozialen und ökologischen Wohlergehen und nicht auf der Steigerung des BIP liegen sollte.

Die Vorschläge des unabhängigen Sonderberichterstatters

De Schutter rief zu einem radikalen Wandel im Kampf gegen die Armut auf und forderte eine auf den Menschenrechten basierende Wirtschaft, die öffentlichen Dienstleistungen und sozialem Schutz Priorität einräumt. Er sprach sich für eine Umstrukturierung und einen Erlass der Schulden sowie für die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen durch progressive Erbschafts-, Vermögens- und Kohlenstoffsteuern aus. Er betonte auch die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit gegen Steuerhinterziehung.

Der Sonderberichterstatter stellte fest, dass der blinde Glaube an das Wirtschaftswachstum phantasievolle Lösungen für die Armut begrenzt. Er wird konkrete Massnahmen vorschlagen, wie zum Beispiel die Ablehnung des BIP als Fortschrittsindikator, die Sicherstellung von staatlich geförderten Arbeitsplätzen, die Wertschätzung unbezahlter Pflege- und Hausarbeit, die Festlegung von Mindestlöhnen und die Begrenzung des von zerstörerischen Industrien erzeugten Reichtums.

Olivier De Schutter, der im Mai 2020 zum UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte ernannt wurde, arbeitet unabhängig und ehrenamtlich im Rahmen der Sonderverfahren des UN-Menschenrechtsrats.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Dieser Artikel erschien bei Pressenza.com, einer Nachrichtenagentur von ehrenamtlich tätigen Freiwilligen, die sich den Themen Humanismus, Gewaltfreiheit, Menschenrechte, Abrüstung und Nicht-Diskriminierung widmet. Der Autor des Beitrags ist Mitherausgeber von Pressenza. 
Zwischentitel von der Infosperber-Redaktion.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • am 19.07.2024 um 13:00 Uhr
    Permalink

    Man könnte mal damit anfangen, dass auf Touristik basierende Flugreisen in sogenannte arme Länder abgeschafft werden. Ausnahmen sind nur noch gute Gründe, die der allgemeinen Prosperität dienen, also nachhaltige Arbeitsaufenthalte, die entsprechen organisiert sind.

    Der nächste Schritt wäre die Import-Export-Bilanz zwischen dem Norden und dem Süden. Sie darf nicht zu Überschuldung führen und sie muss auf fairem Austausch beruhen.

    Es gibt nämlich durchaus Länder, deren Regierungen eine hohe Mitverantwortung für das Elend tragen. Ob solche Regierungen dann noch Erfüllungsgehilfen für die reicheren Länder sind, wäre zu prüfen. Da wird es allerdings schon kompliziert.

    Übrigens besteht kein Anspruch der reichen Länder auf ausgebildete Fachkräfte aus ärmeren Ländern.

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