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Länder und Städte, die in den 1990er-Jahren ihre Wassererversorgung privatisiert haben, haben das oft bereut © public-domain Pxhere

Die Wasserprivatisierung war ein teures Experiment

Daniela Gschweng /  Private Unternehmen sollten die Wasserversorgung effizienter handhaben und Kosten senken. Oft ist das Gegenteil eingetreten.

Spätestens mit Margaret Thatcher schwappte in den 1980er-Jahren die Privatisierungswelle über Europa hinweg. Ende der Nullerjahre lebte sie mit den Austeritätsforderungen nach der Bankenkrise nochmals auf. Griechenland musste damit Bekanntschaft machen, Italien auch. Auch so manche deutsche Stadt verkaufte Wohnungen und E-Werke.

Private Unternehmen sollten Strassen, Strom, Wasser und Wohnen effizienter handhaben und die Kosten für die Allgemeinheit senken, so die Hoffnung. Gemeingut wurde zum Wirtschaftsgut erklärt. Der Austeritätsdruck verschärfte die Eurokrise, da ist man sich heute weitgehend einig. Den Kundinnen und Kunden hat es auch wenig gebracht. Jedenfalls, was die Wasserversorgung betrifft.

Wasser von Privaten ist nicht günstiger als Wasser vom Staat

Das führt die Heinrich-Böll-Stiftung in ihrem neuesten Atlas auf, in dem es um Wasser geht. Die Stiftung erstellt regelmässig umfassende Atlanten zu global bedeutenden Themen wie den Fleisch-, Pestizid– oder Bodenatlas

Wasser von Privaten sei nicht grundsätzlich günstiger als Wasser vom Staat und die Investitionen in die Wasserversorgung seien weltweit auch nicht gestiegen. Ausserhalb der Industrieländer setzte sich der Trend fort. Entwicklungsländer wurden von Kreditgebern dazu angehalten, ihre Wasserversorgung in private Hände zu geben.

Prepaid-Wasser gefährdet die Bevölkerung

In einigen Ländern gefährde die Privatisierung des Wassers nun Leben und Gesundheit der Einwohner. In Südafrika beispielsweise gebe es ein Prepaid-System für Leitungswasser, führt der «Wasseratlas» auf.

Eine kurze Internetrecherche bestätigt: Auch wenn es nach der eher dystopischen Sorte Science-Fiction klingt, ist Prepaid-Wasser für viele Haushalte Realität. Die «Prepaid Meters» in Capetown helfen beim Wasser- und Geldsparen. So werden sie jedenfalls beworben.

Und es gibt sie nicht nur dort. Eine Pilotstudie zu Prepaid Meters in einer palästinensischen Stadt, die Ende 2023 veröffentlicht wurde, streicht heraus, dass der Anteil bezahlter Wasserrechnungen von 40 auf 90 Prozent gestiegen sei. Der Gewinn habe sich fast verdoppelt. Und eine Studie über Namibia stellt fest, dass die Nutzenden mit der Prepaid-Technologie oft unzufrieden sind. Reparaturen bräuchten beispielsweise sehr lange.

Wenn das Lesegerät kaputt ist oder kein Geld für sauberes Leitungswasser da ist, besorgen sich arme Haushalte Wasser aus weniger sauberen Quellen. In der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal führte das 2000 zu einem grossen Choleraausbruch mit hunderten Toten.

Das neoliberale englische Wasserdesaster

In Europa gibt es zwar keine Cholera-Epidemien, aber auch da tropft die Leitung. Der desolate Zustand des Wasser- und Abwassersystems in England und Wales beispielsweise ist seit Jahrzehnten bekannt. Abhilfe schaffen sollten private Investoren. Margaret Thatcher verkaufte ihnen die Wasserversorgung, was dazu führte, dass die Hälfte der Beschäftigten entlassen wurde. Das Wasser ist laut dem «Wasseratlas» seither um etwa 40 Prozent teurer geworden.

Die Wasser- und Abwasserinfrastruktur hat sich dennoch kaum verbessert. Unzureichend gereinigtes Wasser, Lecks und überlaufende Systeme führen regelmässig dazu, dass Abwässer in Naturschutzgebiete, an Badestrände und Küstengebiete gelangen (Infosperber: «Britische Fische sind voll mit Kokain»).

Es gibt immer häufigere und ernstere Überschwemmungen, weil die Abwassersysteme nur schlecht mit Extremwetter aufgrund der Klimakrise zurechtkommen (Infosperber: «Grossbritannien: Jedes vierte Haus von Hochwasser bedroht»).

Sieben von zehn Befragten in England, Schottland und Wales sind laut einer YouGov-Umfrage dafür, die Wasserversorgung wieder zu verstaatlichen. In Schottland, dessen Wasserversorgung in öffentlicher Hand liegt, stimmten sogar drei Viertel der Befragten zu. Grossbritannien erwägt, die Wasserversorgung von Private-Equity-Unternehmen und Pensionskassen zurückzukaufen.

Sogar US-Städte managen ihr Wasser lieber selbst

Auf diese Idee kamen auch schon andere. Paris, dessen Wasser- und Abwassersystem ähnlich berüchtigt war wie das englische, beendete 2010 nach 25 Jahren die Vergabe an zwei private Anbieter. Berlin kaufte die Versorgung nach einem Volksentscheid 2013 von Veolia und RWE zurück. Die Steuerzahlenden wird der Rückkauf für Jahrzehnte belasten.

Dasselbe taten Kuala Lumpur, Maputo, Accra und Budapest. Sogar eine Reihe von US-Städten wie Atlanta haben ihre Wasserversorgung rekommunalisiert.

90 Prozent der globalen Wasserversorgung seien in staatlicher Hand, schreibt der «Guardian» unter Bezug auf die «Financial Times» in einem Kommentar zur Sache.

Ein Fünftel des Wassers gehe durch undichte Leitungen verloren und Grossbritanniens grösster Wasseranbieter Thames Water sei so sehr in Schieflange, dass die Übernahme durch die öffentliche Hand möglicherweise früher käme als gedacht. Mindestens für Grossbritannien sei das Experiment Wasserprivatisierung fehlgeschlagen.

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