Der Weg nach oben fängt am Küchentisch an
Man zählt heute weltweit etwa 20 weibliche Staatsoberhäupter. «Gibt es abseits aller kulturellen und politischen Unterschiede etwas, das diese Frauen gemeinsam haben?» Dieser Frage ist die Journalistin Sharmilla Ganesan im «Atlantic» nachgegangen.
Nur wenige Frauen rechnen mit einer Führungsrolle
«Frauen kommen eher durch politischen Aktivismus in die Politik, manchmal auch durch ihre Rolle als Mutter», zitiert Ganesan die Autorin Farida Jalalzai, Politikwissenschaftlerin und Autorin mehrerer Bücher über Frauen in Führungspositionen. Meist sei das ein Aufstieg von ganz unten. Mit einer Führungsrolle rechneten die wenigsten.
Das habe mit individuellen Erwartungen und kulturellen Umständen zu tun, sagt Jalalzai. Zudem müssten Frauen nach wie vor höheren Ansprüchen genügen als Männer. «Vielleicht sagt morgen jemand, Obama sei ein kompletter Fehlschlag gewesen», erklärt sie. «Aber niemand wird daraus schliessen, dass Männer deshalb schlechte Führungskräfte sind».
Entscheidend sei das persönliche Umfeld, fanden beide Forscherinnen sowie auch Sharmilla Ganesan, die drei in ihrem Bereich erfolgreiche Frauen interviewt hat. Egal, aus welchem Kulturkreis die befragten Frauen stammten, wie sie in die Politik gelangten und wie sie führten, ausnahmslos alle berichteten von einem unterstützenden familiären Hintergrund.
Diskussionen am Familientisch
Sie erzählten von heimischen Tischgesprächen, in denen über Gesellschaft und Politik offen diskutiert wurde. Gespräche, die ihnen erlaubten, ihre Meinung auszudrücken und eine Stimme zu finden. «Wenn die Frauen etwas zu sagen hatten, wurde ihnen von den Eltern nicht der Mund verboten», sagt Madsen.
Eine besondere Rolle spielten dabei die Väter der interviewten Frauen. «Jede Frau, mit der ich gesprochen habe, sagte, ihr Vater habe ihr von Reisen Bücher mitgebracht, die andere Leute nicht hatten», sagt die Forscherin.
Dem pflichten die von Ganesan interviewten Frauen bei. Agnes Igoye, stellvertretende nationale Koordinatorin für den Kampf gegen Menschenhandel in Uganda, unterstreicht die Rolle ihres Vaters in ihrem Werdegang.
Erfolgreiche Frauen haben starke Väter
Dank seiner Hartnäckigkeit habe sie eine Schulbildung erhalten, gelernt, Fragen zu stellen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Ihre Mutter, die als Erwachsene nochmals die Schulbank drückte, sei ihr ein grosses Vorbild gewesen. Ikram Ben Said, Gründerin der tunesischen Frauenrechtsorganisation Aswat Nissa, erzählt, wie sie mit ihrem Vater über Politik diskutierte, auch dann, wenn beide gegensätzlicher Meinung waren.
Auch die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai, die 2014 als bisher jüngste Nobelpreisträgerin den Friedensnobelpreis erhielt und von pakistanischen Taliban fast getötet wurde, führt ihre Überzeugung und ihren Mut auf die Unterstützung ihres Vaters zurück. Das Ziel der inzwischen 19-Jährigen, die im englischen Exil lebt, ist es, Präsidentin von Pakistan zu werden.
Patchwork-Erfahrungen und Grassroot-Karrieren
Jedenfalls sind der Vater und das familiäre Umfeld entscheidender als die Karrierestrategie. Angela Merkel beispielsweise verbrachte mehr als zehn Jahre ihres Lebens als Physikerin, bevor sie in die Politik einstieg. Auffallend waren höchstens ihre exzellenten Russisch-Kenntnisse.
Ellen Johnson Sirleaf, die erste Frau, die in Afrika zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, hatte für verschiedene Finanzinstitutionen im Ausland gearbeitet, bevor sie in die Politik einstieg, Finanzministerin und später Präsidentin von Liberia wurde.
«Männer gehen eher strategisch vor und nehmen den direkten Weg zur Führungsposition», sagt Susan R. Madsen, Professorin für «Leadership and Ethics» an der Utah Valley University. Die Wissenschaftlerin hat etliche erfolgreiche Frauen in China und den Vereinten Arabischen Emiraten zu ihrem Werdegang befragt. Frauen, die in Führungsrollen aufstiegen, sagt sie, verfügten in der Regel über einen «Teppich an Patchwork-Erfahrungen» aus verschiedenen Bereichen, die sie dann gewinnbringend einsetzen.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des «Atlantic» und anderer Quellen erstellt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.