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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Wenn der eingefleischte Brettspieler fremd geht

Synes Ernst. Der Spieler /  Auch Brettspielliebhaber vergnügen sich in der digitalen Spielewelt. Doch meistens sagen sie nachher: „Es ist nicht das Gleiche!“

Leserinnen und Leser dieser „Spieler“-Kolumne wissen: Ich bin ein eingefleischter Brettspieler. Seit ich über Spiele schreibe, und das ist seit über 30 Jahren, habe ich mich ausschliesslich mit dem befasst, was man heute als analoge Spielwelt bezeichnet. Besprechungen von Computerspielen oder Spiele-Apps auf Smartphones und Tablets gibt es von mir nicht. Vermutlich wird es auch keine mehr geben. Nicht, weil ich mich gegen die digitale Entwicklung sträuben würde, sondern einzig und allein, weil mir neben der Beschäftigung mit den herkömmlichen Brett- und Gesellschaftsspielen schlicht die Zeit fehlt, mich mit dem auseinanderzusetzen, was sich auf grossen und kleinen Bildschirmen abspielt. Und Zeit braucht es, um sich gerade in diesem Bereich Kenntnis und Übersicht zu verschaffen, ohne die eine glaubwürdige Kritikertätigkeit nicht möglich ist. Also lasse ich die Hände davon.

Lust auf ein kleines Spiel

Diese klare Unterscheidung betrifft jedoch nur meine „professionelle“ Spielerei. Wenn es um das persönlich-private Vergnügen geht, bin ich durchaus kein Verächter digitaler Spielekost. Auf meinem iPad und meinem Smartphone habe ich ein paar Apps mit Spielen installiert, die ich auch in ihrer ursprünglichen Form kenne und liebe. Dazu gehören „Set“, „Qwirkle“, „Ganz schön clever“, „6 nimmt!“ und „Heckmeck am Bratwurmeck“, alles schnelle, kleine Herausforderungen, die man problemlos allein gegen den Computer spielen kann. Vor allem, wenn man Lust auf ein kleines Spiel hat und gerade niemanden findet, mit dem man sich am Tisch live messen könnte.

Derzeit durchlebe ich eine eigentliche „Heckmeck“-Phase. Bereits in der Originalversion besitzt dieses witzige Würfelspiel (das in jede gut ausgestatte Spielesammlung gehört) ein enormes Suchtpotenzial. Ich kenne viele, die mir begeistert von diesem Spiel berichten, von ihren Erlebnissen und von der Erfahrung, dass sie es immer und immer wieder gespielt hätten, sehr oft zehn und mehr Runden an einem Abend. Das erstaunt nicht: Denn „Heckmeck“ lässt sie nicht einfach so runterspielen, mechanisch und teilnahmslos. Es packt einen von der ersten Minute an.

Enormes Suchtpotenzial

Warum das – offensichtlich nicht nur bei mir – so ist, hängt mit verschiedensten Faktoren zusammen. Da ist zum einen die Spannung, die ich immer verspüre, wenn ich in einem Spiel Würfel werfen muss. Obwohl ich mir absolut bewusst bin, dass Göttin Fortuna das Schicksal bestimmt, probiere ich, das Glück zu beeinflussen und den Zufall zu überlisten. Ich würfle langsam, dann wieder schnell, einmal konzentriert, ein andermal lässig, oder ich begleite den Wurf mit einem Ausruf „So jetzt!“. Manchmal nützt das Ritual, aber meistens kommt’s wie’s kommt, was nach der Anspannung beim Werfen einen weiteren Emotionsschub auslöst: Haben sich die Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, die mit dem Wurf verbunden waren? Ja, Freude herrscht, Nein, Frust total! Und gleich geht es vorwärts: Meine Risikobereitschaft wird getestet, da ich entscheiden muss, ob ich das Glück weiter herausfordern will und dabei Gefahr laufe, einen Fehlwurf zu provozieren. Neben kühlem Rechnen und Taktieren nochmals Emotionen, die zusätzlich von der lieben Konkurrenz geschürt werden, die einem mit guten, scheinbar uneigennützigen Ratschlägen versehen: „Du bist ein Feigling, wenn du jetzt aufhörst!“ Das muss man erst ertragen, auch die Schadenfreude, wenn ein Wurf in die Hosen gegangen ist oder wenn man mir einen wertvollen Bratwurm von meinem Grillvorrat klaut.

So harmlos, wie sich „Heckmeck“ auch präsentiert, ist es nicht. Es verschafft Glücks- und Freudenmomente, sorgt gleichzeitig aber auch für Pech und Frust. Ein Würfelspiel, wie es im Buche steht. Ist es das auch in der digitalen Version? Die Apps sind so programmiert, dass der oder die virtuellen Gegner eine akzeptable Konkurrenz darstellen. Und weil es sich um ein Glücksspiel handelt, ist es letztlich egal, ob ich selber die Würfel werfe oder ob ein Zufallsgenerator das Ergebnis bestimmt. So weit, so gut. „Heckmeck“ lässt sich auf dem Tablet oder dem Smartphone problemlos spielen. Ich gebe zu, dass es mir sogar gewissen Spass macht. Aber eben, nur „gewissen“.

Guter Unterhalter, aber kein Ersatz

Die App mag zwar ein guter Unterhalter sein, ein Ersatz für das Original ist das digitale Spiel jedoch nie und nimmer. Denn es fehlen einige entscheidende Faktoren, die das 2005 erstmals produzierte „Heckmeck“ zu einem meiner liebsten Würfelspiele machen. So vermisse ich das haptische Erlebnis, das „Heckmeck“ mit seinem angenehmen Material, den Würfeln und den domino-ähnlichen Steinen, bietet. Wenn ich mit einer Wischbewegung den Zufallsgenerator in Bewegung setze, ist das im Unterschied zum richtigen Würfelwurf eine nichtssagende emotionslose Aktivität, die keinen Raum für irgendwelche Wurfrituale lässt. Und was soll ich über den Computer schimpfen, wenn er mir ein schlechtes Ergebnis bietet? Er hört ja eh nichts. Oder wenn mir der digitale Gegner Punkte klaut? Da kann ich höchstens innerlich fluchen. Wie viel schöner ist es doch, wenn die Mitspielenden am Tisch sitzen, wenn man direkt mit ihnen lachen (auch aus Schadenfreude) oder schimpfen kann!

Kurz: Solche Emotionalität bietet mir das Spielen auf Tablet und Smartphone nicht. Es ist halt doch nicht das Gleiche!

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Heckmeck: Würfelspiel von Reiner Knizia für 2 bis 7 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Zoch Verlag (Vertrieb Schweiz: Simba/Dickie, Schlieren), Fr. 17.50. DIe Deluxe-Edition mit Erweiterung kostet Fr. 28.-, die Apps für iOS und Android je Fr. 4.-

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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