Der Spieler: Was Mütze und Einstein miteinander verbindet
Das Problem lässt mich nicht mehr los. Ich suche einen Oberbegriff, der die beiden Begriffe «Einstein» und «Mütze» miteinander verbindet. Eine unlösbare Aufgabe, wie mir scheint. Doch kurz, bevor ich aufgebe, macht es Click: «Patent!» Auf dem Schreibtisch meiner Frau habe ich nämlich per Zufall das Titelbild einer Broschüre mit Strickanleitungen gesehen – eine so genannte «Patentmütze». Und da Albert Einstein 1902 bis 1909 als Gutachter beim Berner Patentamt tätig war, liegt «Patent» als Lösung auf der Hand.
Warum ausgerechnet jetzt ein solches Problem? Die Antwort lautet kurz: «So Kleever!». Dieses kooperative Wort-Ratespiel, das bei uns vor ein paar Wochen erstmals auf den Tisch gekommen ist, dreht sich um Begriffe und Oberbegriffe, die es a) zu kreieren und b) herauszufinden gilt. Und das wirkt so anregend, dass man weiter im Spiel-Modus in der Wohnung herumläuft und nach Begriffen sucht, selbst wenn man das Spiel schon längst weggelegt hat.
Faszinierende Spielidee
Dass «So Kleever!» derart fesselt und auch beim Zielpublikum nach kürzester Zeit sehr gut ankommt, erstaunt mich nicht weiter. Denn die Spielidee, auf der es aufbaut, ist faszinierend, wie der Erfolg der beiden direkten Vorgängertitel beweist. «Codenames» und «Just One» waren 2016 bzw. 2019 mit dem Titel «Spiel des Jahres» ausgezeichnet worden. Eine Ehrung, die wiederum für «So Kleever!» eine besondere Herausforderung darstellt.
Attraktiv und einladend wirkt die Verpackung mit einem einzigen Kleeblatt auf dem Cover gar nicht. Immerhin liefert die Illustration einen Anhaltspunkt für die Titelwahl. Und einen Hinweis auf die Kleeblätter aus Kunststoff, die als individuelle Spielbretter dienen. Kurzum: Das Spiel tritt altmodisch-bieder auf.
Eingängig und unkompliziert
Einstieg, Regeln und Ablauf sind, wie es bei Party- und Unterhaltungsspielen so ist, schnell, eingängig und unkompliziert. Alle nehmen eine Kleeblatt-Tafel und vier der insgesamt 220 Stichwortkarten, die je insgesamt vier Stichworte zeigen, die um ein Loch in der Mitte der Karte angeordnet sind. Die Karten steckt man nach dem Zufallsprinzip auf die dafür vorgesehenen Plätze auf seinem Kleeblatt. So entstehen zwei Kreise mit je acht Stichworten. Im Geheimen sieht man für sich die Stichworte des äusseren Kreises an. Jede Seite der Kleeblatt-Tafel zeigt zwei Stichwörter, die zusammen ein Paar bilden. Jetzt sucht jede und jeder Mitspielende für sich einen Begriff, der die beiden Stichwörter verbindet, und notiert diesen mit einem Filzschreiber auf dem dafür vorgesehenen Platz auf dem Kleeblatt. Genau so geht man bei jedem weiteren Paar vor, bis schliesslich alle je vier Hinweise aufgeschrieben haben. Damit ist die Kreativ-Phase, in der man allein für sich spielt, abgeschlossen.
Jetzt folgt die Rate-Phase. Hier nimmt ein Spieler die Stichwortkarten von seinem Kleeblatt und mischt noch eine weitere aus dem Stapel dazu. Er ist jetzt das so genannte Fragezeichen. Die restlichen Mitspielenden versuchen nun gemeinsam anhand der notierten Hinweise herauszufinden, wie die vier Stichwortkarten ursprünglich auf dem Kleeblatt angeordnet waren.
Spielspass und Unterhaltung
Findet die Rate-Gruppe die richtige Lösung auf Anhieb, bekommt sie dafür sechs Punkte gutgeschrieben. Hat sie falsch geraten, so darf sie einen zweiten Lösungsversuch unternehmen. Hier gibt es dann für jede richtig angeordnete Stichwortkarte noch einen Punkt. Am Schluss des Spiels werden die Punkte zusammengezählt, welche man gemeinsam erzielt hat. So steht auch gleich die Herausforderung für die nächste «So Kleever!»-Runde fest: den vorherigen Punkterekord schlagen.
Dieses bisschen Wettbewerb gehört dazu. Doch für Spiele wie «So Kleever!» ist das nicht ausschlaggebend. Was zählt, sind Spielspass, Unterhaltung und überraschende Herausforderungen. Genau damit vermag «So Kleever!» bei Leuten, die ein Faible für das Jonglieren mit Begriffen und Wörtern haben, in hohem Mass zu punkten.
Rettender Einfall
Schon das eingangs erwähnte Beispiel, einen Oberbegriff für «Einstein» und «Mütze» zu finden, vermag zu illustrieren, was in «So Kleever!» auf die Teilnehmenden in der halben Stunde, die eine Runde dauert, zukommt. Mit welchem Begriff würden Sie beispielsweise «Ziegel» und «Ende» miteinander verknüpfen? Nach längerem Überlegen bin ich auf «First» gekommen. «Dachfirst» wäre möglicherweise auch gegangen. Ein andermal warteten «Eis» und «Erkundung» auf meinem Kleeblatt auf eine Verbindung. Recht schwierig, ich grübelte und grübelte, während die andern ringsum ihre Kleeblätter beschrieben, doch dann hatte ich den rettenden Einfall: «Winter-Orientierungslauf». Eigenlob stinkt zwar, aber ich meine, das ist stark … Falls Sie noch ein wenig üben wollen, hier drei zufällig aus dem Spielmaterial ausgewählte Wortpaare: «Wunsch» und «Wurzel», «Bild» und «Lampe», «Soldat» und Schatten».
Nicht in einer Deutschstunde
Beim Suchen nach passenden Oberbegriffen darf man seiner Sprachphantasie ruhig freien Lauf lassen. Wir sitzen ja nicht in einer Deutschstunde, sondern wollen uns miteinander gut unterhalten. Eine Grenze allerdings gilt es bei aller Sprachspielerei zu beachten: Die Oberbegriffe haben einen Zweck zu erfüllen, indem sie den ratenden Mitspielerinnen und Mitspielern Hinweise auf die jeweiligen Wortpaare liefern. Um einen Spruch aus der Werbung abzuwandeln: Was aussen steht, sollte auch drin sein. Denn nicht vergessen: «So Kleever!» ist ein kooperatives Spiel, bei dem wir nur gemeinsam gewinnen können.
Das bedeutet: Wenn ich für «Kraut» und «Hülle» einen Oberbegriff suche, sollte ich mir auch überlegen, welche sprachlichen Fähigkeiten bei den Mitspielenden, die diese Verbindung erraten müssen, vorhanden sind. Ist es eine Runde von Erwachsenen, darf ich wohl freier assoziieren als bei Kindern, wo ich eher eine näher liegende Lösung wähle. In meinem Beispiel würde ich «Deckblatt» als Hinweis notieren in der Hoffnung, dass er meine Mitspielenden auf die richtige Spur führt.
Kommunikation in der Gruppe
Auf die richtige Lösung kommt man in der Gruppe vor allem durch Kommunikation, das heisst durch Diskussion und Austausch. Jemand macht einen Vorschlag, weitere Ideen folgen, werden diskutiert, verworfen und schliesslich einigt man sich auf ein Wortpaar, das zum Hinweis passen könnte. Ziel ist es, die Ausgangskombination von vier Wortpaaren mit den entsprechenden Hinweisen zu rekonstruieren.
Beim Raten ist die Gruppe auf sich allein gestellt. Denn das Fragezeichen – die Urheberin oder der Urheber der jeweiligen Aufgabe – ist in dieser Spielphase zum Schweigen verurteilt, was für die oder den Betroffenen mitunter sehr hart sein kann. Hilfreich hingegen ist es beim Raten auch, die Gesamtanordnung der vier Stichwortkarten auf dem Kleeblatt im Auge zu behalten, da es immer wieder gewisse Kombinationen von Hinweisen und Stichworten gibt, die entweder naheliegend oder aber nicht plausibel sind.
Ernst und leicht
Mir gefällt «So Kleever!» sehr gut. Nicht nur, weil ich Spielereien mit Worten und Begriffen mag, sondern weil ich den Paradigmenwechsel zwischen der ersten und der zweiten Phase des Spiels für sehr witzig halte. Beim Suchen nach Hinweisen spielt jede und jeder für sich. Man leidet, grübelt, es ist still, ausser jemand stöhnt: «Ach, da passt ja gar nichts!». Und das kommt nicht selten vor … Im Gegensatz dazu geht es beim Raten sehr lebendig zu und her, man redet miteinander, stimmt zu, widerspricht, staunt, lacht. Das ist beste Unterhaltung.
Intellektuelle Ernsthaftigkeit und spielerische Leichtigkeit – diese Verbindung macht den Reiz von «So Kleever!» aus. Wobei man auch die erste, die intellektuelle Phase, nicht allzu ernst angehen sollte. Sonst würde man garantiert verzweifeln, wenn man einen Hinweis für «Grün» und «Mütze» finden sollte.
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So Kleever!: Kooperatives Ratespiel um Worte und Begriffe von François Romain für 3(2) bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Verlag Repos Production (Vertrieb Asmodée), ca. Fr. 25.-
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Synes Ernst ist Spielekritiker und beratendes Mitglied der Jury «Spiel des Jahres».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.