Glosse
Der Spieler: Vorsicht bei Spieletipps für Manager
Zu einem Spielabend mit Mitarbeitenden einer Grossbank hatte ich neben vielen anderen Titeln auch «Ave Caesar» mitgebracht. Das römische Wagenrennen, so dachte ich mir, würde bei den Geldmenschen garantiert Anklang finden, weil sie hier auf spielerische Art und Weise Ressourcenmanagement betreiben könnten. Jeder verfügt über den Gesamtverlauf des Spiels betrachtet über gleich viel Mittel, die Zuteilung pro Runde erfolgt jedoch nach dem Zufallsprinzip. Für mich wäre es spannend gewesen, zu beobachten, wie die Managementprofis mit dieser Herausforderung umgehen würden. Daraus wurde nichts. Ich spürte deutlich, was die meisten am Tisch dachten, aber nicht offen auszusprechen wagten: «Was, solchen Kinderkram sollen wir spielen?» «Ave Caesar» wurde in dieser Gruppe eindeutig als Kinder- und Familienspiel wahrgenommen, als das es ja auch konzipiert ist. Diese innere Ablehnung verhinderte, dass die Mitspielenden die Meta-Ebene des Spiels erkannten. Folglich war man in der Runde auch nicht in der Lage, das Potenzial zu entdecken, das in dem relativ einfachen Rennspiel steckt und von dem ich mir gewünscht hatte, dass sie sich damit auseinandersetzen würden.
Weil ich etwas Anderes erwartet hatte, war ich nach diesem Flop total frustriert. Ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben, weiss ich nicht. Aber ich frage mich, ob alle Spiele, die in den einschlägigen Medien unter Schlagzeilen wie «Spiele, die Manager gespielt haben sollten» angepriesen werden, auch wirklich in der Praxis mit Managern gespielt worden sind. Ich habe meine Zweifel.
Hartnäckigkeit im Berufsleben
Manager sollten «Monopoly» spielen, meint die renommierte «Wirtschaftswoche». Denn das Spiel bilde ab, wie sich Märkte entwickeln: «Sie können zum Monopol führen oder einem recht ausgeglichenen Markt.» Ehrlich, ich möchte die Manager sehen, der sich an einen Tisch setzen und ernsthaft beim «Monopoly»-Spielen ihr Marktwissen vertiefen. Ähnliches gilt für die Empfehlung für das «Spiel des Lebens». Der Kinderklassiker sei ein reines Glücksspiel, bei dem Spieler hauptsächlich zwischen «hohem und niedrigem Risiko» entscheiden können. Der Lerneffekt: «Ähnlich ist es im echten Leben, in dem man ebenso hauptsächlich zwischen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten wählen kann.» Nach dem vierten oder fünften Bier kämen wir alle auch ohne das «Spiel des Lebens» zu solch tiefgründigen Erkenntnissen. Oder auch ohne «Mensch ärgere dich nicht», das den Managern beibringt: «Die einzige Schwierigkeit ist, dass man immer wieder von anderen Spielern rausgeworfen werden kann. Das wirft einen immer wieder zurück. Damit muss man klar kommen, wieder von vorne anfangen und auch nach dem x-ten Rauswurf kann man immer noch gewinnen. Diese Hartnäckigkeit und Disziplin muss man auch im Berufsleben an den Tag legen.»
Binsenweisheiten werden auch zu «Risiko» verkündet: «Bei Risiko kommt es auf die richtige Strategie und das Würfelglück an. Wie im echten Leben lässt sich einiges planen, aber nicht alles.» Ich schliesse eine Wette ab, dass ich mit «Risiko» bei Managern grössere Begeisterung wecken könnte als mit «Ave Caesar». Sie würden es aber einfach so spielen, als fetziges Spiel zur Unterhaltung, mehr nicht. Sicher nicht als Managementschulung. Und ebenso sicher würden ihnen beim Mühle-Spiel die Füsse einschlafen, dem meines Erachtens langweiligsten Taktikspiel der Welt. Doch die «Wirtschaftswoche» empfiehlt es mit den Worten: «Man kann machen, was man will – man steckt in der Klemme. So ist es auch oft im Job.» So, so.
Solche Listen sind, überspitzt formuliert, Schrott. Sie dienen bloss der Unterhaltung wie viele andere Rankings, die man heutzutage massenweise in den Medien findet. Ich vermisse hier eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem äusserst spannenden Thema: Welches sind die Potenziale, die über das unterhaltende Element hinaus in Spielen stecken, und wie können wir davon profitieren? Der Umgang mit knappen Ressourcen beispielsweise, um das eingangs erwähnte «Ave Caeser» wieder aufzunehmen.
Nachvollziehen kann ich vor diesem Hintergrund die Manager-Empfehlungen für «Die Siedler von Catan» und «Hanabi», beide Träger der Auszeichnung «Spiel des Jahres», was für ihre Qualität und ihr spielerisches Potenzial spricht. Während «Die Siedler» schöne Herausforderungen im strategisch-taktischen Bereich bietet (was auch für «Torres» gilt, das für mich etwas überraschend auf der «Wirtschaftswoche»-Liste steht), spricht «Hanabi» die kooperativ-kommunikative Kompetenz an. Die Spiele sind zudem thematisch und anspruchsmässig so konzipiert, dass eine derart spezielle Gruppe von Spielern, wie Manager es sind, nicht apriori abgeschreckt wird.
Schach bietet sich als Übungsfeld geradezu an
«In der Ruhe liegt die Kraft: Situation im Blick haben, analysieren und dann den richtigen Zug machen. So funktioniert’s auch im Leben.» Richtig, hier geht es um Schach. Denn es gibt keine mit Blick auf den Nutzen für Wirtschaftsprofis zusammengestellte Empfehlungsliste, auf der Schach fehlen würde. Kein Wunder, Schach als Mutter aller Strategie- und Taktikspiele bietet sich als Übungsfeld für Manager, die sich tagtäglich mit taktischen und strategischen Überlegungen herumschlagen müssen, geradezu an. Erst kürzlich hat Alexander Armbruster das exemplarisch in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» dargestellt: «Können Sie ‹Königsindisch›? Oder sich über Stunden hinweg auf den nächsten Zug konzentrieren? Ausdauer und Strategie spielen auch im Beruf eine entscheidende Rolle. Acht Gründe, warum Schach Sie dabei weiterbringt.»
Wer Schach spielt, hat kein Imageproblem. Denn man spielt einen anspruchsvoller Klassiker, das Spiel der Könige, nicht etwa das Familienspiel «Ave Caeser». Wer sich mit diesem «Kinderkram» abgibt, gerät als Manager zweifelsohne in einen Erklärungsnotstand, warum er solches tut. Offensichtlich fühlen sich Manager nicht ernst genommen, wenn sie über ein «Ave Caeser» aufgefordert werden, Ressourcenmanagement zu üben. Dies wäre auch der Fall, wenn man ihnen ein Mühlespiel, ein «Mensch ärgere dich nicht» oder ein «Spiel des Lebens» als Lernspiel vorsetzen würde.
Schach eignet sich allerdings auch nur bedingt als Manager-Spiel. Es braucht unendlich viel Zeit, bis man seine Finessen und seine strategisch-taktischen Tiefen kennt. Profitieren wird man wohl erst, wenn man die Pflicht hinter sich gelassen hat und auf der Ebene der Kür angelangt ist. Das gelingt nur wenigen. Aus diesem Grund würden auf meiner Empfehlungsliste (neben Schach, selbstverständlich) vor allem so genannte Optimierungsspiele stehen, bei denen man viel schneller drin ist als bei Schach. Es handelt sich dabei um Spiele, bei denen ich meine Figuren, die von den Regeln her gewisse Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen, so einsetze, dass ich aus den vorhandenen Möglichkeiten das Optimum heraushole. Eine klassische Managementaufgabe. Herrliche Vorlagen dafür sind etwa «Village», «Rokoko», «Concordia» oder «Agricola».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».
Natürlich kennen wir das: «Was, solchen Kinderkram sollen wir spielen?» Besonders von Managern, die die Nützlichkeit in den Vordergrund stellen. Wahrscheinlich meinen sie (unbewusst), dass man sich damit nicht (schamlos) bereichern kann. Die Mehrheit von ihnen kann natürlich Synes Ernst nicht folgen. Kleine Korrektur: das Spiel für Könige ist nicht Schach sondern Go !!