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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Raubkatzen mögen Pfeffer, Chili und Wasabi

Synes Ernst. Der Spieler /  «Spicy» ist ein freches Bluff-Gericht, voller Lügen, Täuschungen und bösen Überraschungen.

«Mit allem, viel scharf!» Mit diesem Satz würde man an einem Kebabstand das Gewünschte wohl bekommen (vielleicht mit einem vorwurfsvollen Blick des Verkäufers, der solche Sprüche nicht hundertmal pro Woche hören mag). In einem Spieleladen hingegen würde man damit garantiert ins Leere laufen. «Hä?» Das könnte sich jetzt aber ändern. Denn die Jury «Spiel des Jahres» hat ein Spiel auf ihre jüngst veröffentlichte Empfehlungsliste gesetzt, das vom Verlag in der Eigenwerbung als «das extrem scharfe Kartenspiel» angepriesen wird. Das würde genau zur Kategorie «Mit allem, viel scharf!» passen, zumal sich das Spiel «Spicy» nennt, «scharf gewürzt».

Story ohne Bedeutung

Die Story hinter «Spicy» ist abstrus: Drei mächtige Raubkatzen hatten vor langer Zeit vom ewigen Kämpfen die Nase voll. Stattdessen sollte diejenige die Stärkste sein, die am meisten Gewürze zu essen vermochte. Da Raubkatzen jedoch Meister der Täuschung sind, gingen die entsprechenden Wettkämpfe nicht ohne Bluffen über die Bühne. So ein Stuss! Wir können die Geschichte aber gleich wieder vergessen, da sie für das Spiel selbst ohne weitere Bedeutung ist. Einzig die Begriffe Täuschung und Bluff haben wir uns gemerkt. Denn darum geht es in «Spicy», um nichts anderes.

Gewürzt wird mit Chili, Wasabi und Pfeffer. Die Geschmacksrichtung ist also eindeutig. Das (qualitativ mangelhafte) Spielmaterial umfasst je dreimal zehn Chili-, Wasabi- und Pfefferkarten in den Werten 1 bis 10, dazu je fünf Gewürz- bzw. Zahlen-Jokerkarten. Hinkommen noch drei Trophäenkarten mit Zusatzpunkten in der Schlussabrechnung. Wer an der Reihe ist, spielt eine seiner sechs Handkarten auf den Stapel, der das Gericht symbolisiert, auf das sich die mitspielenden Raubkatzen stürzen werden. Wer will, kann auch passen, muss dafür aber eine Karte nachziehen. Damit handelt man sich insofern einen Nachteil ein, als man sich Chancen auf den Gewinn von Trophäenpunkten vergibt, der dem winkt, der als Erster seine Handkarten los geworden ist. Gespielt wird reihum, bis eine Karte herausgefordert wird. Wenn diese Herausforderung abgewickelt ist, endet die Runde, und man beginnt mit dem nächsten Gericht. Das Spiel ist fertig, wenn entweder eine Mitspielerin oder ein Mitspieler zwei Trophäenkarten gewonnen hat oder ein Spieler die dritte und letzte Trophäenkarte nimmt. Schliesslich kann auch eine sogenannte «Verbrannt-Karte» dem Kochen und Würzen ein Ende setzen.

Sich nicht erwischen lassen

Wer an der Reihe ist und nicht passen will, legt eine seiner Handkarten auf den Spicy-Stapel. Ist es die erste eines Stapels, lautet dabei die Ansage zum Beispiel: «2 Chili» (der Wert darf in diesem Fall nur 1,2 oder 3 sein). Der nächste Spieler sagt nun eine höhere Zahl des gleichen Gewürzes an, etwa «4 Chili». Dabei darf man bei der Ansage das Gewürz nicht wechseln. Ist man bei 10 angelangt, beginnt man wieder bei 1, 2 oder 3 des gleichen Gewürzes. Ob die Karte, die man ablegt, in Bezug auf das Gewürz oder die Zahl der Ansage entspricht, ist egal – man darf sich beim Lügen oder Bluffen einfach nicht erwischt lassen.

Sobald ein Spieler eine seiner Karten abgelegt hat, kann diese von allen anderen aus der Runde herausgefordert werden. Dabei muss der Herausforderer genau angeben, was er anzweifelt, die Zahl oder das Gewürz. Die Ansage «7 Pfeffer» könnte etwa mit «nicht Pfeffer» angezweifelt werden. Wird in unserem Fall eine Karte «7 Wasabi» aufgedeckt, gewinnt der Herausforderer, da sein Zweifel «nicht Pfeffer» richtig ist. Wäre es aber eine «3 Pfeffer» gewesen, hätte der Spieler mit der Ansage «7 Pfeffer» das Duell trotzdem gewonnen, weil die Herausforderung nur Gewürz betrifft, nicht aber die Zahl. Wer die Herausforderung gewinnt, erhält den Spicy-Stapel (und damit Karten, die in der Schlussabrechnung wertvolle Punkte einbringen).

Worin unterscheidet sich das freche Kartenspiel «Spicy» von anderen Lügen- und Bluffspielen, von denen es eine ganze Menge gibt, wie zum Beispiel «Bluff»,«Kakerlakenpoker» oder «Skull & Roses»? Das Besondere liegt darin, dass gleich zwei Elemente – Zahl oder Gewürz – angezweifelt werden können. Allerdings muss man sich auf eines beschränken. Bevor man eine Herausforderung wagt, sollte man sich deshalb gut überlegen, ob man das damit verbundene Risiko eingehen will. Denn es ist um einiges höher als etwa bei «Kakerlakenpoker», wo es nur um einen einfachen Ja-Nein-Entscheid geht.

Gute Menschenkenntnis nötig

Ich mag Bluff- und Lügenspiele. Denn diese Art von Spielen lebt wesentlich davon, welche Menschen in den entsprechenden Runden am Tisch sitzen. Lieben sie Risiken? Können sie durch geschickte Täuschung Vorteile für sich herausholen? Haben sie ein Gespür dafür, dass jemand versucht, Sie übers Ohr zu hauen? In Spielen wie «Spicy» bringe ich sehr viel Persönliches ein und damit auch ein hohes Mass an Emotionen. Das bedeutet auch, dass jene im Vorteil sind, die über eine gute Portion Menschenkenntnis verfügen und in der Lage sind, das Verhalten ihrer Mitspielenden einzuschätzen. Ob immer richtig, das ist eine andere Frage. Wo man einander voller Hinterlist dauernd zu täuschen versucht, darf man sich nicht wundern, wenn eine Absicht bzw. eine Vermutung mal schief geht. Bluff- und Lügenspiele leben wie kaum eine andere Spielegattung von solchen bösen Überraschungen. Sie sind das Gewürz, welche Gerichte wie «Spicy» richtig schmackhaft machen.

Spicy: Bluff- und Ablegespiel mit Karten von Zoltan Györi für 2 bis 5 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Heidelbär Games. Fr. 22.-

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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