Der Spieler: Leidenschaft für die Berge
Zwei Dinge verbinden den Franzosen Philippe Proux und den Polen Adam Kaluza: Beide sind begeisterte Bergsteiger und beide haben ihre Leidenschaft auch in Spiele umgesetzt, die den Namen zweier berühmter benachbarter Berge tragen. Damit ist aber auch Schluss mit den Gemeinsamkeiten, da «K3» (Proux) und «K2» (Kaluza) unterschiedlicher nicht sein könnten.
«Plan your climb!» heisst es auf der Verpackung von «K3», einem 11x11x11 Zentimeter messenden Kartonkubus. Damit ist treffend umschrieben, worum es in diesem Spiel geht – um die Planung eines Aufstiegs. Unser Ziel ist ehrgeizig: Mit dem 8 051 Meter hohen K3, der heute auch «Broad Peak» genannt wird (weil er Ähnlichkeiten mit dem Breithorn im Berner Oberland aufweisen soll), haben wir den zwölfthöchsten Berg der Erde vor Augen.
Programmierung ist angesagt
Die Aufgabe müsste unseren Puls in die Höhe schnellen lassen, doch tut sie das nicht, denn «K3» verspricht kein Bergabenteuer. Vielmehr sind Programmierung und planerische Überlegungen angesagt, Taktik, Nüchternheit und Minimalismus, was auch beim Material zum Ausdruck kommt: 45 Spielsteine in fünf verschiedenen Farben, sechs holzfarbige sowie vier weisse Steine, das ist alles.
Was ein echtes Bergsteigerspiel sein will, beginnt mit der Einrichtung des Basiscamps, von dem aus der K3 in die Höhe wächst. Dieses besteht aus neun zufällig aus einem Beutel gezogenen farbigen Steinen, die in einer Reihe in der Mitte des Tisches platziert werden. Anschliessend zieht man, wieder zufällig, die farbigen Steine, mit denen man den Aufstieg bestreiten wird. Wie viele es sind und wie viele weisse und holzfarbene Sondersteine man zusätzlich noch bekommt, hängt von der Teilnehmerzahl ab. Diese Ausrüstung steht einem allerdings nicht nach Belieben zur Verfügung. Denn man muss die betreffenden Steine zu einer Pyramide aufbauen, die man dann im Verlauf des weiteren Spiels nur von oben her abbauen darf. So wird auf raffinierte Art und Weise der Zugriff auf die eigenen Steine beschränkt.
Oben und unten
Das wiederum bedeutet, dass man den Aufbau seiner Pyramide genau planen muss. Wie man dabei am besten vorgeht, lernt man schnell: Steine, die man gleich nach dem Aufbruch verwenden möchte, kommen an die Spitze der Pyramide, während man jene, die man für später vorsieht, möglichst unten platziert. Sicher ist es nicht falsch, die Farben tendenziell eher zu mischen. Je besser man das Spiel kennt, desto leichter dürfte einem die Planung inklusive die Verteilung der Sondersteine fallen.
Die Regeln von «K3» sind minimalistisch wie das Material. Drei Minuten, und man hat sie intus. Wer an der Reihe ist, nimmt einen frei zugänglichen Stein von seiner Pyramide und legt diesen über zwei andere Spielsteine auf den K3. Handelt es sich um einen farbigen Spielstein, muss er mindestens auf einem gleichfarbigen und einem holzfarbenen Stein platziert werden. Hölzerne Steine dienen als Joker. Das Ausspielen eines weissen Steins signalisiert, dass ich einen Zug pausieren will. Wer schliesslich einen Stein auf zwei gleichfarbige Steine legt (legen muss), wird bestraft: Dann nämlich darf der Spieler oder die Spielerin, die nach mir an der Reihe ist, einen beliebigen Stein von meiner Pyramide weg- und zu ihrem eigenen Vorrat nehmen und später für sich verwenden.
Auf engstem Raum
Bei «K3» hat mich erstaunt, wie knapp das Regelwerk ist und wie intensiv im Verhältnis dazu die taktische Auseinandersetzung. Für mich hängt das wesentlich damit zusammen, dass sich das Ganze auf engstem Raum abspielt. Wir sind beim Aufstieg nicht allein und können nicht ungestört Schritt vor Schritt setzen, wie wir es uns ausgedacht haben. Die Konkurrenz am Berg ist riesig, und unweigerlich kommt man einander immer wieder in die Quere. Das stellt mitunter beste Bergfreundschaften aufs Spiel …
Das vor kurzem erschienene «K3» kommt ohne Schnickschnack aus. Was seine Herausforderungen sind, ist absolut durchschaubar. Man erkennt sofort, welcher Zug welche Folgen für welchen Spieler hat. Dank dieser Transparenz scheint mir «K3» für jüngere Spielerinnen und Spieler auch geeignet als Einführung in die weite Welt der Taktikspiele.
Schönwetter für Anfänger
Anders als im abstrakt-nüchternen «K3» ist das Bergsteigerthema in «K2» zentral. Das macht schon der zweiseitige Spielplan deutlich, der von einer Abbildung des 8 611 Metern hohen K2 dominiert wird, einmal von der Sonne beschienen, einmal in Nebel gehüllt. Sonne oder Nebel – die Wahl zwischen beiden Seiten ist gleichbedeutend mit der Wahl des Schwierigkeitsgrades. Wer das Spiel noch nicht kennt, sollte bei Sonne losziehen, und auch bei den Wetterkarten ist es von Vorteil, die Schlechtwettervariante für später zu bewahren. Denn der K2 ist eine riesige Herausforderung, zumal es gilt, den Berg wettkampfmässig zu besteigen, im Wettbewerb gegen die Mitspielenden und im Kampf gegen die Bedingungen am Berg und die Einflüsse des Wetters.
Wir starten mit unserem Team, bestehend aus zwei Figuren, im Basislager, das sich auf 5000 Meter befindet. Von hier aus führen mehrere Routen auf den Berg, die sich an mehreren Punkten kreuzen. Für den letzten Anstieg zum Gipfel gibt es nur eine einzige Route. Staus und Gedränge sind also programmiert, zumal die Zahl der Figuren, die sich auf einem Feld aufhalten dürfen, abhängig von der Höhe und der Zahl der Mitspielenden begrenzt ist.
Expedition von 18 Tagen
Ziel des Spiels ist es, mit seinem Team die 18-tägige Expedition ohne Schaden zu überstehen. Spielerinnen und Spieler bewegen ihre beiden Figuren mittels Karten. Je höher man steigt, desto mehr Siegpunkte bekommt man dafür für sein Team. Entsprechend höher sind jedoch auch die Risiken, welche die Bergsteiger auf sich nehmen. Das grösste ist, dass Expeditionsteilnehmer unter Sauerstoffmangel leiden und vor Erschöpfung sterben (in der Familienvariante wird eine Rettungskarte eingesetzt, um dieses finale Ende zu vermeiden).
Das Spielprinzip von «K2» ist grundsätzlich einfach. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern steht je ein Set von insgesamt 18 Karten zur Verfügung, mit denen der Spielablauf geregelt wird. Vor der ersten Runde mischt man seinen Kartensatz und nimmt davon sechs Karten verdeckt auf die Hand. Von diesen wählt jeder drei aus, worauf diese von allen gleichzeitig aufgedeckt werden. Damit ist für jeden und jede ersichtlich, was die einzelnen Teams in dieser Runde planen. Für die nächsten Runden werden drei Karten nachgezogen.
Losrennen wird bestraft
Der Spieler oder die Spielerin, die am meisten Bewegungspunkte ausgespielt haben, bekommt zur Strafe einen Malus. Losrennen lohnt sich nicht, logisch, denn in diesen Höhen droht Atemnot. Welche Bewegungskarte man ausspielt, hängt wesentlich davon ab, welche Route man wählt, wo sich die Konkurrenz befindet und wie gut man akklimatisiert ist. Je höher man kommt, desto schwieriger wird in der dünnen Luft die Akklimatisierung, die ebenfalls über Karten gesteuert wird. Wer das Sauerstoffmanagement nicht beherrscht und dabei auch die Entwicklung des Wetters nicht genau beachtet, gerät am K2 rasch in Schwierigkeiten, zumal nach dem schwierigen Aufstieg ein ebenso heimtückischer Abstieg bevorsteht. Glücklich, wer an der richtigen Stelle ein Zelt errichtet hat, wo er oder sie sich ein wenig erholen können.
«K2» zeichnet sich dadurch aus, dass es mit relativ einfachen Mitteln eine dem Thema angepasste stimmige Spielatmosphäre schafft, welche die Mitspielenden richtig ins Abenteuer hineinzieht. Das intensive Spielerlebnis wird durch die Interaktion unter den Teilnehmenden noch verstärkt. Wie bei «K3» kommt man auch hier einander dauernd in die Quere, mit dem gewaltigen Unterschied allerdings, dass man in «K2» zusätzlich noch gegen die Tücken des Wetters und gegen den Sauerstoffmangel zu kämpfen hat. Extremsituationen, die zu emotionalen Ausbrüchen führen können.
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K3: Taktisches Bauspiel von Philippe Proux für 2 bis 4 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Verlag Helvetiq, Fr. 29.90
K2: Strategisches Laufspiel von Adam Kaluza für 1 bis 5 Spielerinnen und Spieler ab 8 (10) Jahren. Verlag Rebel, Fr. 51.- (2021 ist eine Neuauflage von «K2» mit der Erweiterung «Broad Peak» erschienen, Fr. 64. 90).
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Synes Ernst ist Spielekritiker und beratendes Mitglied der Jury «Spiel des Jahres».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.