Der Spieler: «Klask» hat das Zeug zum Klassiker
Das hat der dänische Schreiner Mikkel Bertelsen vor vier Jahren wohl nicht gedacht, dass er 2017 für eine der Überraschungen auf den Nominierungs- und Empfehlungslisten der Jury «Spiel des Jahres» sorgen würde. Lange hatte er an einem Tischfussballspiel aus Holz – logisch, bei diesem Material kannte sich Bertelsen ja aus – gebastelt. Rechtzeitig zu Weihnachten 2013 war das Ding fertig. «Klask» hiess es, der dänische (oder finnische) Begriff für das Geräusch, das entsteht, wenn die Spielfigur in die Mulde stürzt, welche das Tor markiert – Klack!
Das Geräusch macht offensichtlich süchtig: Freunde, die das Spiel von Bertelsen geschenkt bekommen hatten, steckten mit ihrer Begeisterung andere Menschen an, die «Klask» unbedingt auch haben wollten. So produzierte Bertelsen 2014 schon über 3000 Exemplare, was für ein neues Produkt eine respektable Auflage darstellt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ein grosser Verlag anbeissen würde.
Mit hohem Aufforderungscharakter
Diese Frage ist mittlerweile beantwortet. Und wenn der Verlag die Kapazitätsengpässe und Qualitätsprobleme bei der Herstellung gelöst hat, wird die Erfolgsgeschichte von «Klask» erst so richtig losgehen. Wo das Fussballspiel auf den Tisch kommt, zieht es die Menschen an, Jung und Alt, Klein und Gross, gleich welchen Geschlechts. «Klask» ist allerdings mehr als nur ein Hingucker, es hat einen hohen Aufforderungscharakter und macht aus Zuschauenden Akteure, und zwar im Nu. Die Regeln beschränken sich auf die Aufzählung der Fälle, wie Punkte erzielt werden. Wie man zu Punkten kommt, hat man auf einen Blick erfasst: Mit dem Steuermagneten, den ich mit einer Hand unter der Spielfläche führe, bewege ich meine Spielfigur so auf dem 32 mal 32 Zentimeter messenden blauen Fussballfeld und versuche, den kleinen Ball ins gegnerische Tor zu schiessen. Dabei muss ich höllisch aufpassen, dass ich nicht aus Versehen meinen Spieler ins eigene Goal bugsiere. Dafür würde ich einen Strafpunkt kassieren.
Was «Klask» von ähnlichen anderen Spielen unterscheidet und was auch seinen Witz ausmacht, sind die drei kleinen Magneten, die sich auf dem Spielfeld befinden. Ihnen muss ich ausweichen. Sie entpuppen sich nämlich als eklige Störefriede: Haften zwei dieser Magnete an meiner Figur, erhält mein Gegner einen Punkt auf sein Konto. Und weil sich «Klask» unheimlich rasant spielt, besteht auch das Risiko, dass ich die Kontrolle über meinen Stürmer-Verteidiger-Torhüter verliere. Sobald dieser führungslos in der gegnerischen Hälfte herumliegt, heisst es nämlich: Tor, aber nicht für mich!
«Klask» bietet Action und Spektakel. Es ist voller Tempo, fordert Geschicklichkeit, schnelle Reaktion und – wie im wirklichen Fussball – taktische Überlegungen. Wem es nämlich gelingt, die drei kleinen Magnete auf dem Feld in sein Spiel miteinzubeziehen, kann seinem Gegner seine Taktik aufzwingen und sich so Vorteile verschaffen.
Nachfrage nach solchen Spielen steigt
«Klask» hat meines Erachtens das Zeug zu einem Klassiker, weil Spiele oder Spielgeräte dieser Art immer gefragt sein werden. Künftig vielleicht noch stärker als heute, da angesichts der demographischen und gesellschaftlichen Entwicklung das integrative Potenzial von Spielen zusätzlich von Bedeutung sein wird. Es wird also vermehrt Produkte brauchen, die sich für das generationenübergreifende Spielen eignen oder für das gemeinsame Spielen in gemischtsprachlichen Gruppen, in denen sehr oft kulturelle Unterschiede noch eine zusätzliche Herausforderung darstellen.
Dass die Jury «Spiel des Jahres» mit «Klask» einen Titel auf ihre diesjährige Empfehlungsliste gesetzt hat, der nicht unbedingt in das traditionelle Schema passt, ist vor diesem Hintergrund ein starkes Signal. Denn gewöhnlich werden dort nur Gesellschafts-, Brett- und Kartenspiele gemäss herkömmlicher Definition berücksichtigt, nicht aber Produkte, die unter «Spielzeug» laufen. «Klask» zählt tendenziell zu dieser zweiten Kategorie, bei der die spielerische Beschäftigung mit dem Material und den sich aus der Konstruktion ergebenden Funktionen und Möglichkeiten im Vordergrund stehen. Das Gesellschaftsspiel hingegen dreht sich vor allem um die Auseinandersetzung mit den Spielregeln und deren Interpretation, bei der das Material primär Mittel zum Zweck ist.
Die Grenze zwischen Spiel im herkömmlichen Sinn und Spielzeug ist vor allem im Bereich der Kinderspiele fliessend. Das kommt daher, weil Kinder von klein auf mit allem spielen, was ihnen in die Hände kommt. Da wird schon mal ein umgekippter Stuhl zum Eisenbahnwaggon oder ein Stein zu einem Auto. Kinderphantasie kennt keine Grenzen. An diese Tatsache erinnert das kürzlich zum «Kinderspiel des Jahres» gewählte «Icecool», bei dem Pinguine auf der Jagd nach Fischen durch leere Schulzimmer jagen, verfolgt vom Hauswart, dem solch wildes Treiben verständlicherweise missfällt. Bewegt werden die Pinguine durch Schnippen mit den Fingern, was klar ein klassisches Spielzeug-Element ist. Gefragt ist vor allem Geschicklichkeit. Das Handwerk muss man beherrschen, die Interpretation der Spielregeln – beim herkömmlichen Spiel die zentrale Herausforderung – ist im Vergleich dazu zweit- oder drittrangig.
Tradition wird fortgesetzt
Mit «Klask» setzt die Jury «Spiel des Jahres» auf der Empfehlungsliste gewissermassen eine alte Tradition fort. Im Verlauf ihrer Geschichte hat sie immer wieder die Aufmerksamkeit auf Titel gelenkt, die mehr Spielzeug als Spiel waren. So zeichnete sie 1980 den «Rubik’s Cube», das geniale Drehpuzzle des ungarischen Architekten und Ingenieurs Ernö Rubik, mit dem «Sonderpreis für das beste Solitärspiel» aus. Acht Jahre dauerte es dann, bis wiederum ein Spielzeug die Kritiker so begeisterte, dass sie es 1988 auf die Empfehlungsliste zum «Spiel des Jahres» setzten: «Bausack» von Klaus Zoch, der den genialen Einfall hatte, mit Dingen des Alltags ein Bauspiel zu entwickeln. 1996 erhielt «Carabande» von Jean du Poël, eine Kombination von Schnippspiel und Autorennen, den «Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel». Ein Sonderfall in jeder Hinsicht war «Villa Paletti» von Bill Payne. Das verkappte taktische Bauspiel schaffte es 2002 zum «Spiel des Jahres». Dann gab es eine längere Pause. Erst 2013 erschien wieder einmal ein Spiel mit Spielzeugelementen auf der Empfehlungsliste: «Yay!» von Heinz Meister, bei dem man, so die Jury, «nicht nur Glück, sondern auch Geschick im Umgang mit den Würfeln benötigt».
Auch wenn Spiele in der Art von «Klask» Menschen auf Anhieb in ihren Bann ziehen, haben sie in Kreisen eingefleischter Spieler nicht selten einen schweren Stand. Spielzeug gleich Kinderkram. Bezeichnenderweise schaffte «Villa Paletti» den bei Preisträgern «Spiel des Jahres» sonst üblichen Durchbruch nicht. Es sei weder richtiges Spiel noch richtiges Spielzeug, weder Fisch noch Vogel, lautete der kritische Tenor damals. «Klask» und «Icecool» sind eindeutiger. Sie bieten vor allem jene emotionalen Komponenten, welche den Kern des jeweiligen Spielerlebnisses ausmachen. Das ist, was Menschen suchen, wenn sie spielen.
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Klask: Tischfussballspiel von Mikkel Bertelsen für zwei Personen ab acht Jahren. Verlag Game Factory / Carletto. ca. Fr. 57.-
Icecool: Taktisches Geschicklichkeitsspiel von Brian Gomez für zwei bis vier Personen ab sechs Jahren. Amigo Spiele. ca, Fr. 37.-
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Nimmt an der aktuellen Juryarbeit nicht mehr teil.