Der Spieler: Ein Lama kommt selten allein
Was passiert, wenn in der Schweiz Männer zusammen sind? Früher oder später dreht sich das Gespräch um Militär und Diensterlebnisse. So auch jüngst beim gemeinsamen Walking mit Hans-Peter, mit dem ich seit Jahren befreundet bin. Wir blödelten, ausgehend von meinem Infosperber-Beitrag über «5211», über ausgefallene Titel von Spielen. Weil «5211», wie ich geschrieben hatte, den Spielverlauf in einem Merkwort zusammenfasst, kamen wir auf andere solche Ausdrücke zu sprechen, und plötzlich waren wir bei «GABI», das uns beiden im Militärdienst eingetrichtert worden war. «GABI», das war die Eselsbrücke, mit der man sich das Verhalten bei Erster Hilfe in Notsituation merken konnte: «Gibt die Person Antwort? Atmet sie? Blutet sie? Ist ihr Puls spürbar?»
Titel ist ein Merkwort
Vom mittlerweile veralteten und durch das Buchstabenkürzel CABD ersetzte «GABI» kehrten wir in die Welt der Spiele zurück und landeten fast zwangsläufig bei der dreiteiligen Spielefamilie «L.A.M.A». Denn auch dies ist ein Merkwort, das zusammenfasst, was man als Spielerin oder Spieler zu tun hat: «Lege alle Minuspunkte ab!» Knapper geht nicht.
Über die 2019 erschienene erste Version habe ich hier geschrieben. Ein Jahr später kam «L.A.M.A. Party» dazu, jetzt «L.A.M.A. Dice». Die Ausweitung zu einer Familie erfolge allein aus Marketingüberlegungen, könnte man dem Verlag vorwerfen. Bis zu einem gewissen Grad spielt das sicher mit, zumal Werbung für einen Titel immer auch die beiden anderen einschliesst. Es ist aber auch interessant, zu beobachten, wie Autor Reiner Knizia seine Grundidee weiterentwickelt.
Sehr beliebte Gattung
«L.A.M.A» gehört zur Gattung der Karten-Ablegespiele. Das Prinzip ist bekannt, Titel wie «Uno» oder «Ligretto» zählen zu den beliebtesten Familienspielklassikern überhaupt. Wir versuchen, möglichst alle Karten, die wir auf der Hand haben, nach bestimmten Regeln auf einen Ablegestapel auszuspielen. Hat man keine passende Karte zur Hand, muss man eine nachziehen. Es besteht auch die Möglichkeit, zu passen und so aus der laufenden Runde auszusteigen. Die Werte der nicht abgelegten Karten verbleiben einem allerdings als Minuspunkte, wobei jeder Wert nur einmal gerechnet wird, unabhängig von der Anzahl Karten mit dem gleichen Wert. Spezifisch für «L.A.M.A» ist auch die Buchführung mit Hilfe von weissen Einer- und schwarzen Zehnerchips. Das ist tricky: Wer die Runde damit beendet, indem er seine letzte Handkarte ablegt, darf zur Belohnung einen weissen oder einen schwarzen Chip zurückgeben. Einen oder zehn Minuspunkte weniger – keine Frage, was man da zu tun hat!
Der Glücksfaktor in «L.A.M.A» ist relativ hoch. Viel beeinflussen, etwa durch die Wahl einer bestimmten Taktik, kann man nicht. Entscheidender ist, dass man im Moment, wenn man an der Reihe ist, seine Risiken möglichst gut einschätzt. Lohnt es sich, auszusteigen? Die spezielle Kartenwertung kann das nahelegen. Wer sich zu früh zum Aufhören entschliesst, kann unter Umständen nur noch neidisch zusehen, wie die Mitspielenden ihre Handkarten richtiggehend runterspielen. Diese Art von Kartenspielen lebt auch von Spannungsmomenten, die sich aus dem Spekulieren ergeben: Legt die Spielerin, die vor mir an der Reihe ist, eine Karte ab, die mir nützt? Oder ist es eine, die mir gar nichts bringt? Hoffen und Bangen …
Mehr Tempo und Emotionen
Das alles ist in «L.A.M.A. Party» ebenfalls enthalten. Ein paar Sonderkarten machen das Spiel überraschungsreicher. Den Entwicklungsschritt vom Ursprungsspiel zur Party-Variante würde ich, vom Autor aus betrachtet, jedoch als eher klein bezeichnen. Für Spielerinnen und Spieler hingegen bringen die Neuerungen mehr Tempo und in jedem Fall noch mehr Emotionen.
Mit den Würfeln bringt der Autor in «L.A.M.A. Dice» eine neue Komponente ins Spiel – das Zocken. Nicht mehr Karten sagen, was ich zu tun habe, wenn ich dran bin. Um meine Karten los zu werden, muss ich passend würfeln. Gelingt mir das nicht, so riskiere ich zusätzliche Minuspunkte. Auch in dieser Variante ist es möglich, vorzeitig auszusteigen. Damit kann man unter Umständen auch vermeiden, dass man sich bei späteren Würfen total verzockt, was dann zu Minuspunkten en masse führen würde.
Versprechen nicht eingelöst
Ich mag Zockerspiele. Das Kribbeln, die Spannung, während die Würfel fallen und dann auf einen Schlag zeigen, was gilt. Ärger, Freude, Frust, Emotion pur! Zwar erlebe ich dies bei «L.A.M.A. Dice» alles auch, aber nur sehr gedämpft. Irgendwie werde ich mit diesem Spiel nicht richtig warm.
Die Ursache liegt für mich darin, dass «L.A.M.A. Dice» zwar Zocken verspricht, dann aber dieses Versprechen nicht einlöst. Die drei Würfel einmal werfen und schon steht das Ergebnis fest – das ist zu wenig. Mit ein paar zusätzlichen Elementen, die man etwa von «Yatzee» her kennt, hätte man diese Spielphase attraktiver, risikovoller und spannender gestalten können. Dann wäre «L.A.M.A. Dice» etwas für echte Zocker gewesen.
«L.A.M.A.»-Autor Reiner Knizia selber wüsste genau, wie man solche Spiele macht. Sein «Heckmeck am Bratwurmeck» gehört seit Jahren zu den beliebtesten Zockerspielen, und das nicht ohne Grund.
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L.A.M.A.: Kartenablegespiel von Reiner Knizia für 2 bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Amigo-Spiele (Vertrieb Schweiz: Max Bersinger AG, St. Gallen), Fr. 12.-
L.A.M.A. Party: Kartenablegespiel von Reiner Knizia für 2 bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Amigo-Spiele (Vertrieb Schweiz: Max Bersinger AG, St. Gallen), Fr. 12.
L.A.M.A. Dice: Kartenablegespiel mit Würfeln von Reiner Knizia für 2 bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Amigo-Spiele (Vertrieb Schweiz: Max Bersinger AG, St. Gallen), Fr. 17.-
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Spielekritiker Synes Ernst war lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.