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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Ein Garten nach Kaisers Geschmack

Synes Ernst. Der Spieler /  Wer als Gartenarchitekt in «Zen Garden» punkten will, muss die Vorlieben des Kaisers kennen und richtig interpretieren.

Fans von taktischen Legespielen kommen derzeit voll auf ihre Rechnung. Was besonders erfreulich ist: Nicht Nullachtfünfzehn-Produkte treiben die Zahl der Neuerscheinungen nach oben, sondern qualitativ hochstehende, empfehlenswerte Titel. Über zwei davon habe ich an dieser Stelle schon geschrieben, «Miyabi» und «Nova Luna». Heute stelle ich mit «Zen Garden» ein drittes vor, das den Vergleich mit den beiden anderen nicht zu scheuen braucht.

Im Unterschied zu vielen anderen Legespielen ist «Zen Garden» nicht minimalistisch. Im Gegenteil: Es ist üppig. Das signalisiert schon die für den Verlag typische grosse Schachtel, die mit reichlich Material gefüllt ist. Darunter befinden sich 90 handliche Gartenplättchen – ausserordentlich viele für ein Legespiel dieser Art – , sowie 14 Kaiserplättchen und fünf so genannte Vorliebentableaus. Diese können beliebig kombiniert werden, was bei der Schlusswertung immer wieder neue Möglichkeiten öffnet.

Klassisches Grundmuster

Bringt diese Fülle etwas? Oder kommt es am Ende doch nur zu einer verwirrenden Materialschlacht? Diese Fragen habe ich mir nach der Lektüre der Spielanleitung vor dem ersten Spiel gestellt.

«Zen Garden» hält sich an das bekannte klassische Grundmuster dieser Art von Legespielen. Man wählt aus einem begrenzten Angebot Plättchen mit unterschiedlichen Mustern aus und platziert diese dann auf einem eigenen Tableau. Ziel ist es, den Prozess des Auswählens und Ablegens so zu optimieren, dass man in der Endwertung möglichst viele Punkte erzielt. Siegerin oder Sieger ist, wer am besten auf die Vorlieben des japanischen Kaisers einzugehen versteht.

Des japanischen Kaisers? Ja, der Verlag hat sein neues Legespiel japanisch eingekleidet. Zum Thema passen Name und Gestaltung. So kommen etwa die Vorliebentableaus, die für die Wertung wichtig sind, in der Form einer Pagode daher. Und so verkörpern wir in diesem Spiel Architekten, die für den Kaiser einen möglichst schönen Garten bauen wollen, einen Zen-Garden mit Bodenflächen aus Sand, Kiesel, Ton, Wasser und Kirschblüten, mit Bäumen, mit Wegen aus Stein, Holz und Sand sowie kleinen Pagoden, Bänken, Buddha-Statuen, Toren und Kranichen als so genannten Dekore.

Das liebe Geld

Möglichst viele Punkte bringt ein Zen-Garten ein, wenn seine Gestaltung den Vorlieben des Kaisers am besten entspricht. Beim Ablegen der Gartenplättchen ist man daher gut beraten, auf das zu achten, was gerade hoch im Kurs steht. Die Vorlieben wechseln übrigens von Spiel zu Spiel, was bedeutet, dass die Herausforderungen für uns Gartenbauer immer wieder anders sind.

Wer an der Reihe ist, muss aus einer Auswahl von 12 Plättchen eines nehmen und auf seinem Tableau ablegen. Auf diesem hat es für 16 Plättchen Platz. Das Spiel dauert so lange, bis alle Felder belegt sind, das heisst 16 Runden. Spannend ist bei Legespielen immer, mit welchen Ideen die Autoren bei der Wahl der Plättchen aufwarten. Anders als bei gattungsverwandten Spielen bezahlt man in «Zen Garden» die Plättchen mit einer oder zwei Münzen. Je weiter oben, desto teurer. Eine Ausnahme bilden die Plättchen auf der untersten Reihe des Auslagetableaus. Diese kosten nichts. Wenn also ein Wunschplättchen hier liegt, wird man schnell und gerne zugreifen. Wer sich aber aus Geldnot dort bedienen muss, geht das Risiko ein, dass er ein Plättchen bekommt, das schlecht in den eigenen Garten passt. Um das zu verhindern, ist ein sorgfältiger Umgang mit dem Geld angesagt.

In die Auslage werden die Plättchen nach dem Zufallsprinzip gelegt. Das heisst, dass man den Glücksfaktor bei allen Planungen nie ausser acht lassen sollte. Am taktischsten ist «Zen Garden» zu zweit. Dass man einander mitunter Plättchen vor der Nase wegnimmt, die man so gerne auf dem eigenen Gartentableau platziert hätte, ist gut: Solche Ärger- und Frustelemente verleihen «Zen Garden» zusätzlich Leben und Emotionen.

Verschiedene Strategien

Fast als Gegenstück zu diesem Glücksfaktor ist eine weitere Regelbestimmung beim Auswählen der Gartenplättchen zu sehen: Nach jeder Runde kommen die übrig gebliebenen Plättchen auf der untersten (Gratis-)Reihe des Auswahltableaus aus dem Spiel. Auf ihre Plätze werden nach einer bestimmten Reihenfolge Plättchen geschoben, die weiter oben platziert waren. Was vorher eine oder zwei Münzen gekostet hat, ist in der nächsten Runde gratis. Wer gut taktiert und richtig spekuliert, kann durchaus sehr günstig zu Objekten kommen, auf die er bis anhin wegen Geldmangels verzichten musste. Aber aufgepasst: Man sollte solche Rechnungen nie ohne die lieben Mitspielenden machen!

Die Legeregeln sind einfach. Daraus abzuleiten, dass der Bau eines Zen-Gartens ein Kinderspiel wäre, ist jedoch falsch. Denn des Kaisers Wünsche sind vielfältig, so vielfältig, dass sie nie alle berücksichtigt werden können. Jedenfalls lohnt es sich, die für das Spiel geltenden Vorlieben genau zu studieren, um herauszufinden, welche Kombination von welchen Elementen am meisten Punkte einbringen. Bestücke ich meinen Garten mit möglichst vielen geschlossenen Rundwegen, bestehend aus jeweils vier Plättchen? Ist es mein Ziel, eine grosse Zahl von Toren und Pagoden zu bauen? Oder gestalte ich schöne Flächen-Harmonien? Eine einzige Antwort gibt es nicht, und die Erfahrung mit «Zen Garden» zeigt, dass es nicht nur eine siegbringende Strategie gibt. Meistens ist es eine Mischung, erzwungen durch die zufällige Auswahl, mangelndes Geld oder Aktionen der Mitspielenden, die einem passende Plättchen «stehlen». Meiner Meinung nach sollte man den Gartenbau auch nicht mit tierischem Ernst und stur nach einer bestimmten Strategie betreiben, sondern mit den vorhandenen Möglichkeiten eher spielerisch umgehen.

Zusätzliche Flexibilität

Eine Besonderheit von «Zen Garden» schliesslich sind die verschiedenen Wertungsmöglichkeiten, die man bis zu einem gewissen Grad vermehren und beliebig kombinieren kann. Das mag auf den ersten Blick eher verwirren. Es dauert jedoch nicht lange, bis man realisiert, welche zusätzlichen Nutzen man aus dieser Vielfalt ziehen kann. Man bekommt mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Gartens, weil es nun für mehr Elemente Punkte gibt. Diese zusätzliche Flexibilität wiederum macht das Auswählen der Plättchen weniger stressig.

Bringt diese Fülle etwas, die für dieses Spiel charakteristisch ist? Ja, lautet meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Sie verleiht «Zen Garden» eine auf Familienspieler zugeschnittene Spieltiefe und befriedigt in hohem Mass das Bedürfnis der Teilnehmenden nach Abwechslung und Entscheidungsmöglichkeiten.


Zen Garden: Taktisches Legespiel von Mike Georgiou für 2 bis 4 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Queen Games, ca. 50 Franken

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker Synes Ernst war lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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