Glosse

Der Spieler: Drei Premieren bei «Spiel des Jahres»

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Erstmals ein kleinformatiges Spiel, erstmals drei kooperative Spiele und erstmals das Schweizer Fernsehen mit dabei.

Gleich drei Premieren gab es heuer rund um die Preisverleihung von «Spiel des Jahres»: Zum ersten Mal seit 1979 hat die Fachjury mit «Hanabi» ein kleinformatiges Spiel mit der begehrtesten Auszeichnung in der Spielebranche bedacht. Es ist auch noch nie vorgekommen, dass alle drei Preisträger – «Hanabi» beim «Spiel des Jahres», «Die Legenden von Andor» beim «Kennerspiel des Jahres» und «Der verzauberte Turm» beim «Kinderspiel des Jahres» – kooperative Spiele sind.

Und dann gab es noch eine dritte Premiere, die mich als Schweizer besonders freut: Mehr als dreissig Jahre hat es gebraucht, bis das Schweizer Fernsehen das «Spiel des Jahres» entdeckt hat. Erstmals berichtete es ausführlich und aktuell über die Preisverleihung. Der Beitrag im Nachrichtenmagazin «10 vor 10» vom Montag, 8. Juli, war kompetent und informativ. Als Zuschauer konnte man die Spannung, die im Schloss-Saal des «Bristol Hotel Kempinski» in Berlin herrschte, richtig spüren. Normalerweise bekommen jene, die später das «Spiel des Jahres» spielen, dies nicht mit, wie auch den Aufwand nicht, den die Jurymitglieder ehrenamtlich betreiben, um der Verantwortung, die mit ihrem Entscheid verbunden ist, gerecht zu werden. Auch das zeigte «10 vor 10», zumindest ansatzweise, zum Beispiel mit dem Blick in die Spielesammlung von Tom Felber, dem «NZZ»-Spielekritiker und aktuellen Vorsitzenden der Jury.

Skepsis beim Handel

Nach der Nominierung von zwei kleinformatigen Titeln für den Hauptpreis war gemeinhin erwartet worden, dass entweder das Kartenkommunikationsspiel «Hanabi» oder das Würfelspiel «Qwixx» das Rennen machen würde. Allerdings waren auch einige skeptische Stimmen zu hören: Die Jury würde in allerletzter Minute den Mut, den sie mit der Nominierung bewiesen hatte, verlieren und in der bisherigen Tradition nach dem Motto «Gross = Qualität» ein Spiel in einer klassischen Schachtel wählen. Mit «Augustus» stand auf der Nominierungsliste ja auch ein Kandidat zur Verfügung. Nun, die zehn Jurorinnen und Juroren straften diese Unkenrufer Lügen und hievten «Hanabi» auf den ersten Platz. Dass diese im Unterschied zu «Qwixx» mit einem innovativeren Spielmechanismus aufwartet, dürfte letztlich den Ausschlag gegeben haben.

Ein Blick auf die vielen Kommentare von Spielkritikern und Äusserungen in Blogs und Internet-Foren zeigt, dass der Jury-Entscheid weitgehend positiv aufgenommen worden ist. Endlich behandle das Expertengremium in Bezug auf die Qualität grosse und kleine Spiele gleichwertig, was in der Spieleszene längst gängige Meinung sei. Trotzdem war am Rande der Preisverleihung in Berlin zu spüren, dass sich Handelskreise mit der Wahl von «Hanabi» zum neuen «Spiel des Jahres» schwer tun. Weil das Spiel nur 12 Franken (in der Schweiz) oder 8 Euro (in Deutschland) koste, gebe es praktisch keine Gewinnmargen mehr. Dazu der industrienahe Branchenkenner Harald Hemmerlein in seinem «Toyblog»: «Die plakative Auszeichnung (Spiel des Jahres) kommt beim Verbraucher so gut an, dass vor allem Grossbetriebsformen des Einzelhandels den jeweiligen Preisträger gerne als Lockvogelangebot zu Dumpingpreisen benutzen. Bei empfohlenen 8.- Euro VK bleibt allerdings nicht mehr viel Spielraum nach unten. Würde mich nicht wundern, wenn ‚Hanabi‘ im Weihnachtsgeschäft als Give-away auftauchen würde. Ob das dem Image des Preises gut tun wird?»

Es wäre jedoch besser, wenn sich Hemmerlein und die Branche um den Zustand des Spielwarenhandels in Deutschland Sorge machten, statt sich um das Image von «Spiel des Jahres» zu kümmern. Die Verkaufspreise gerade für die von der Jury ausgezeichneten und empfohlenen Spiele hat der Handel selbst kaputtgemacht. Gibt es denn sonst noch eine Handelssparte, die ausgerechnet zu der Hauptabsatzzeit die Preise für jene Produkte, nach denen die stärkste Nachfrage besteht, bis zum Geht-nicht-mehr herunterfährt? Ginge es nach dem gleichen Prinzip, müssten Blumen zum St. Valentinstag oder zum Muttertag am billigsten zu haben sein. Der Handel, so meine Überzeugung, wird mit «Hanabi» Geld verdienen wie mit anderen Preisträgern, weil erstens die Auflagenzahlen vermutlich hoch sein werden und zweitens vermutlich immer noch mehr Marge drin liegt als bei einem Spiel, das fast zum Einstandspreis verkauft wird.

Entscheidend: ein tolles Spielerlebnis

«Das Zeitalter der Kooperativen hat begonnen», titelt das Internetportal «Pöppelhelden» seinen Bericht über die Berliner Preisverleihung. Nun, das ist übertrieben. Und es wäre auch falsch, wenn man die diesjährigen Auszeichnungen so interpretieren würde, das Ende der Gegeneinander- oder Wettbewerbs-Spiele sei eingeläutet. Diese werden immer das Gros des Angebots bilden, und es ist sehr wohl möglich, dass man 2014 in allen drei Siegerspielen vor allem um den eigenen Sieg kämpft. Dass gerade bei allen drei aktuellen Preisträgern das gemeinsame Spielerlebnis im Vordergrund steht, ist nur bedingt Zufall: Im Vergleich zu früheren Jahren haben die Verlage zwar vermehrt kooperative Spiele auf den Markt gebracht. Drei von ihnen haben es nun geschafft. Nicht weil sie kooperativ sind, sondern weil sie ein tolles Spielerlebnis bieten – die Grundvoraussetzung dafür, einen Podestplatz zu erobern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung»

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