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Spielexperte Synes Ernst © cc

Der Spieler: Diebestour im Einkaufszentrum

Synes Ernst. Der Spieler /  Mit dem tollen «Magic Maze» macht eine noch junge Spielegattung auf sich aufmerksam – das kooperative Echtzeitspiel.

Im Spiel ist eigentlich alles möglich. Und so darf ein Spiel, das es immerhin bis zur Nominierung zum «Spiel des Jahres» geschafft hat, politisch völlig unkorrekt sein, zumindest was das Thema betrifft. Denn es geht um Ladendiebstahl, und das in einer Gruppe von vier Bösewichten, die so gut kooperieren, dass das Aufsichtspersonal kaum eine Chance hat. Eine meiner Kolleginnen hat denn auch nach der Nominierung von «Magic Maze» zum «Spiel des Jahres» kritisiert, wie sie Jugendlichen ein Spiel empfehlen könne, das Ladendiebstahl verherrliche. Damit würden doch jegliche Bemühungen um Prävention unterlaufen.

Nun, so schlimm ist es nicht. Vor allem deshalb, weil «Magic Maze» das Thema mit Witz und einem schelmischen Augenzwinkern angeht, also echt spielerisch. In dieser Hinsicht sind Autoren und Verlage aus dem frankophonen Bereich den deutschen meilenweit voraus. Dabei überzeugen sie nicht nur mit ihrer thematischen Eleganz und Leichtigkeit, sondern auch mit ihren Innovationen bei den Spielmechanismen.

Mit vereinten Kräften unterwegs

Ein Magier, ein Barbar, ein Elf und ein Zwerg – das sind die vier Helden unseres Spiels. Ihnen hat man die Ausrüstung gestohlen. Weil ihnen deswegen aber die Lust auf weitere Abenteuer nicht vergangen ist, beschliessen sie, im Einkaufszentrum «Magic Maze» das Nötige auf illegale Weise zu beschaffen. Sie gehen gemeinsam auf Diebestour in der Hoffnung, dass sie mit vereinten Kräften rasch zu Schwert, Axt, Pfeil und Bogen kommen, ohne vom Aufsichtspersonal erwischt zu werden.

So weit der Hintergrund zu diesem spannenden Abenteuer, das für die meisten Spielerinnen und Spieler eine völlig neue Herausforderung darstellt. Denn «Magic Maze» ist ein so genanntes kooperatives Echtzeitspiel. Was heisst das? Jede Spielerin und jeder Spieler kann zu jeder Zeit für einen der vier Helden eine Aktion durchführen. Dabei wird zu Beginn des Spiels bestimmt, für welche Aktionen die einzelnen Teilnehmenden zuständig sind: Ein Spieler darf die Helden nur nach Norden ziehen, ein anderer nur nach Süden, und während der dritte Mitspieler Zwerg, Elf & Cie. via Rolltreppen fortbewegt, lässt der vierte die Figuren neue Bereiche des Einkaufszentrums erkunden.

Vier Minuten Zeit

Klingt ganz einfach, nicht wahr? Aber jetzt beginnt das Zusammenraffen der Ausrüstungsgegenstände, und damit auch die Hektik, welcher für «Magic Maze» charakteristisch ist. Denn die vier Abenteurer haben nur vier Minuten (Spiel-)Zeit, um ans Ziel zu gelangen. Die Sanduhr läuft, unerbittlich. Ich ziehe den Zwerg durch das Labyrinth des Einkaufszentrums nach Norden. An einer Kreuzung schaue ich durch den Gang rechts, sehe dort einen Gegenstand, der meinem Zwerg sehr nützlich wäre, darf aber nicht nach rechts abbiegen, weil ich «meine» Figuren nur nach Norden bewegen darf. Also müsste jetzt einer meiner Mitspielenden, der die Ost-Kompetenz (nach rechts ziehen) hat, den Zwerg an den richtigen Ort führen. Das wäre einfach, könnte ich ihm direkt sagen: «So, nun bist du dran!», aber nein – in «Magic Maze» gilt ein absolutes Schweigegebot. Also nicht sprechen oder keine sonstigen Hinweise geben! Es ist höchstens erlaubt, einen Mitspieler anzustarren und ihm so zu bedeuten, dass sich irgendwo im Raum eine Figur befindet, die nur darauf wartet, von ihm in die richtige Richtung bewegt zu werden. Und wenn diese sanfte Form des Hinweises nichts bringt, gibt es noch die Möglichkeit, einen speziellen roten Spielstein vor ihn hinzustellen, was nichts anderes heisst als: «Tu endlich was!» Der Gruppendruck ist enorm, da das Zögern jedes einzelnen Mitspielers dazu führt, dass die Zeit immer knapper wird. Entsprechend steigt das Risiko des gemeinsamen Scheiterns. Wer will das schon verantworten?

Wie schwierig und hart ein Kooperationsspiel ohne Kommunikation ist, lässt sich mit Worten kaum beschreiben, man muss es selber erleben. Es gibt selten ein Spiel, bei dem man sich unter enormem Zeitdruck derart intensiv auf ein Spielgeschehen konzentrieren muss, das sich praktisch von Sekunde zu Sekunde ändert. Wo befindet sich gerade eine Figur, deren Position nur ich verändern kann? Und während ich mich mit dieser Frage beschäftige, hat eine Mitspielerin den Zwerg gerade zu einem Punkt bewegt, von wo aus leicht eine Rolltreppe erreicht werden könnte, sofern ein anderer Mitspieler richtig reagieren würde …

Abschlaffen nach Höchstspannung

«Magic Maze» ist nicht ein Spiel für das breite Publikum. «Magic Maze» dauert zwar nur etwa 20 Minuten, länger auszuhalten aber wäre der damit verbundene Stress kaum. In der Regel hört man nämlich nach Ablauf ein «Uff!», was durchaus als Ausdruck von Abschlaffen nach einer Höchstspannung zu werten ist, was wiederum für das Erlebnis spricht, welches «Magic Maze» bietet. Niemand mag langweilige Spiele. Aber es gibt auch Menschen, die wollen beim Spielen nicht derart in Anspruch genommen werden, wie das bei «Magic Maze» der Fall ist, auch wenn die Spieldauer relativ kurz ist.

Mit der Nominierung von «Magic Maze» macht die Jury die interessierte Öffentlichkeit auf ein tolles, in dieser Form bisher nicht zugängliches Spielerlebnis aufmerksam. Weil es aber so polarisiert, wäre «Magic Maze» kaum das richtige «Spiel des Jahres» gewesen. Dieser Titel gebührt Spielen, die geeignet sind, ein breites Publikum anzusprechen und von der Schönheit des Spielens zu überzeugen. 2017 übernimmt «Kingdomino» diese Aufgabe.

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Magic Maze: Kooperatives Spiel von Kasper Lapp für 1 bis 8 Spielerinnen und Spieler ab 8 Jahren. Verlag Sit down/Pegasus Spiele. ca. Fr. 34.–


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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