Der Spieler: Der Mann, der die Welt von Catan erschuf
Viermal hat Klaus Teuber bis jetzt den Titel «Spiel des Jahres» errungen, die weltweit wichtigste Auszeichnung für Brett- und Gesellschaftsspiele. Mit «Siedler von Catan» (seit 2015 mit Blick auf die internationale Vermarktung auf «Catan» verkürzt) hat er zudem Mitte der 1990er einen Klassiker geschaffen, der einer bis dahin eher betulichen Szene zum lang ersehnten Durchbruch in die moderne Freizeitwelt der Erwachsenen verhalf. Teubers Name steht mittlerweile auf über 30 Millionen Exemplaren seines Spiels (inklusive Erweiterungen), das bis heute in rund 40 Sprachen übersetzt und in über 70 Ländern verlegt wurde.
In anderen Bereichen, wie etwa dem Film, der Musik, Literatur oder Architektur, wäre der 68-jährige Klaus Teuber schon längst ein Star. Doch die Spielebranche kennt keine Stars. Mehr noch: Man nimmt in der Regel nicht einmal die Namen jener zur Kenntnis, ohne die es «Monopoly», «Risiko», «6 nimmt!», «Carcassonne» oder «Exit» nicht gäbe.
Bescheiden und gut geerdet
Ganz abgesehen davon: Ich kann mir Klaus Teuber nicht als Star vorstellen. Bescheiden, überlegt, gut geerdet, sich nie in den Vordergrund drängend – so erlebte ich ihn bei unserer ersten Begegnung im Jahr 1988, als ich ihn und seinen Erstling «Barbarossa und die Rätselmeister» kennenlernte. Teuber ist trotz des Millionenerfolges von «Catan» so geblieben. Warum ist das so? Darauf liefert das Buch «Mein Weg nach Catan», das zum 25-Jahr-Jubiläum des Spiels erschienen ist, klare Antworten.
Wo und von wem auch immer der «Catan»-Autor interviewt wird, muss er sich zur Frage äussern, wie er auf die Idee zu diesem Spiel gekommen sei. Seine Standardantwort: «Eine Idee kommt nicht von heute auf morgen. Es gibt immer eine Vorgeschichte, die eine Erfindung bis zur Reife nährt. Auch ‹Catan› hat diese Vorgeschichte, die schon in meiner Kindheit begann. Eine Vorgeschichte, die mir heute wie ein grosses Puzzle vorkommt.»
Beeindruckende Beharrlichkeit
Im Rückblick betrachtet müssen die Teile dieses Puzzles, wie sie Teuber zusammenstellt, zwingend (oder zumindest fast zwingend) nach Catan führen. Ob das dem Autor im Moment des jeweiligen Erlebens auch so schien? Ich meine, ja. Beeindruckend ist nämlich die Beharrlichkeit, mit der Teuber schon früh die Idee verfolgte, die faszinierende Welt der Wikinger in ein Brettspiel umzusetzen. Ohne diese Charaktereigenschaft wäre er nie ans Ziel gelangt. Er hätte den Bettel ein paar Mal hinwerfen können, etwa als ihm Vertreter von Verlagen klar zu machen versuchten, dass Knete als Spielmaterial in einem Brettspiel ein No-go sei (gemeint war «Barbarossa und die Rätselmeister», mit dem Teuber 1988 seinen ersten Titel «Spiel des Jahres» gewann). Oder als die wirtschaftliche Lage des familieneigenen Dentallabors so bedrückend schlecht war, dass an ein unbeschwertes Schaffen kaum zu denken war, weder als Zahntechnikermeister noch als Spieleautor.
Widerstände und Krisen dieser Art hat Teuber auch deshalb immer wieder überwunden, weil er sich auf ein tragfähiges Netzwerk verlassen konnte. Den zentralen Platz in diesem Netz nimmt seine Familie ein, die mit ihm zusammen den «Weg nach Catan» gegangen ist. Und es entspricht nicht nur einer ökonomischen Logik, dass «Catan» mit seinen verschiedenen Standbeinen heute ein Familienunternehmen ist, in dem neben Klaus Teuber auch seine Frau Claudia und seine beiden Söhne Guido und Benjamin tätig sind. In der Rechtsform kommt auch zum Ausdruck, wie wichtig den Teubers der Zusammenhalt in der Familie ist.
Wichtiges Netzwerk
Nicht, dass sich Klaus Teuber deswegen gegen aussen abgeschottet hätte. Seine Biographie zeigt, dass er immer wieder Menschen aus der Spieleszene begegnete, die den weiteren Verlauf seiner Autoren-Karriere mitprägten. Der zweifellos wichtigste Partner war Reiner Müller. Zum ersten Treffen mit dem damaligen Chefredaktor der Zeitschrift «Spielbox» schreibt Teuber: «Und dann kam der Tag, der massgeblich unsere weitere Zukunft bestimmen sollte.» Müller erkannte das Potenzial von Teubers «Barbarossa und die Rätselmeister» auf Anhieb und setzte dessen Veröffentlichung bei Ass durch. Dort war Müller gerade nach einem Stellenwechsel als freier Redaktor für das Spieleprogramm verantwortlich. Genial war dann die Unterstützung Müllers bei der Entstehung der «Siedler von Catan»: Er entwickelte, jetzt für den Stuttgarter Kosmos-Verlag tätig, eine für die damalige Zeit vollkommen neue Form der Spielanleitung, die den Einstieg in das auf den ersten Blick nicht einfache Spielgeschehen massiv erleichterte – mit einer der Grundsteine für den Welterfolg «Catans».
Für mich ist Teubers Buch eine Art Werkstattbericht. Nach der Lektüre weiss man Vieles über die Art und Weise, wie der erfolgreiche Autor denkt und arbeitet. So erzählt er, dass seine Spiele immer von Geschichten ausgingen, von den Entdeckungen der Wikinger, den Streichen der Schildbürger, dem Besiedeln unbekannter Welten. Teuber: «Bei jeder Entwicklung ist mir die Harmonie zwischen der Thematik des Spiels und seinen Abläufen immer sehr wichtig. Besteht diese Harmonie, entsteht eine einladende Atmosphäre, in der die Spieler das Gefühl haben, die Hintergrundgeschichte eines Spiels wirklich zu erleben und in sie eingebunden zu sein.»
Es fällt auf, welchen Wert Klaus Teuber auf die sozialen Elemente des Spielens legt. Er schreibt: «Beim gemeinsamen Spiel werden gesellschaftliche Schranken jeder Art überwunden. Wenn ein Grossvater mit seiner Tochter und seiner Enkelin zusammensitzt und die Würfel rollen lässt, spielt das Alter keine Rolle. Jeder unterwirft sich den gleichen Regeln. Jeder hat die gleichen Chancen; Glück und Pech können jeden treffen, unabhängig von seinem Alter, seiner Abstammung oder seiner Bildung.» Ich habe den Eindruck, dass Klaus Teuber in «Catan» diesem Punkt besondere Bedeutung beigemessen und – bewusst oder unbewusst – einige Elemente berücksichtigt hat, die gerade dieses Spiel zu einem besonderen Erlebnis unter Gleichberechtigten werden lassen. Interessanterweise sind es genau diese Faktoren, die «Catan» zu einem Millionenerfolg gemacht haben.
Eine echte Innovation
Drei dieser Eigenschaften, die in ihrer Kombination Mitte der 1990er Jahre in der Welt der Brettspiele eine echte Innovation darstellten, führt Teuber jedesmal an, wenn er nach dem Erfolgsgeheimnis von «Catan» gefragt wird: «Das Spiel ist interaktiv; jeder ist am Spielgeschehen jederzeit beteiligt. Es ist konstruktiv; was sich die Spieler aufgebaut haben, kann nicht zerstört werden. Das Spielfeld ist variabel; kein Spiel gleicht dem anderen.» Wesentlich ist für Teuber jedoch auch das Glücksmoment, das mit dem Würfel ins Spiel komme. Denn der Würfel produziere keine Verlierer, sondern höchstens «Pechvögel». Schliesslich nennt der Autor die soziale Interaktion als fünftes Erfolgsgeheimnis. «Catan» lädt die Mitspielenden ein, untereinander mit Waren Handel zu betreiben und auf diese Weise selber einen persönlich gefärbten Beitrag zum Spielerlebnis zu leisten, das Teuber so beschreibt: «Ein immer wieder neues Spielerlebnis, das sich wie ein kleines Stück Leben anfühlt, aber – egal, wie es ausgeht – immer ohne Konsequenzen bleibt und Lust auf das nächste Siedlerabenteuer weckt.» Es sei diese besondere, fein abgestimmte Mixtur verschiedener Spielelemente, die viele Menschen anspreche, ist Teuber überzeugt: «Eine Mixtur, von der ich zu Beginn der Entwicklung von ‹Catan› nichts wusste, die sich aber während der Entwicklung ganz natürlich ergab.»
«Mein Weg nach Catan» ist ein sehr persönliches Buch. Allein schon aus diesem Grund ist es eine empfehlenswerte Lektüre. Gleichzeitig aber auch dokumentiert es die Entwicklung der Branche seit 1985. Als Spielekritiker und Mitglied der Jury «Spiel des Jahres» habe ich die von Teuber beschriebene Zeit persönlich miterlebt. Ich erinnere mich noch gut, wie wir uns 1988 in der Jury an die Entscheidung zugunsten von «Barbarossa und die Rätselmeister» herangetastet haben, weil wir uns an die Knete als Spielmaterial erst noch gewöhnen mussten … Oder wie es 1995 schon sehr früh klar war, dass mit «Die Siedler von Catan» das Rennen schaffen würde. Alles andere wäre ein totaler Fehlentscheid gewesen.
Klaus Teuber tritt mir in seinem Buch so entgegen, wie ich ihn seit fast vierzig Jahren erlebe. Als eine Persönlichkeit, die im Spielen mehr sieht als blosse Unterhaltung, sondern eine Möglichkeit des Austauschs und des friedlichen Zusammenlebens. Gut, dass Menschen mit dieser Denkweise den Grundstein zum sagenhaften Aufstieg des Brett- und Gesellschaftsspiels in den vergangenen 40 Jahren gelegt haben.
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Mein Weg nach Catan. Von Klaus Teuber. Verlag LangenMüller + Kosmos, Stuttgart 2020. ISBN 978-3-7844-3547-3. 304 Seiten, Fr. 29.-
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.