Cyborg

Die Utopie: Mensch und Maschine vereinen. © tolokonov / Depositphotos

Trump kam mit Hilfe von Transhumanisten an die Macht

Martina Frei /  Gentechnik vorantreiben, Gehirn mit Computer verbinden, Weltraum besetzen – Trumps reiche Unterstützer machen sich dafür stark.

Was haben Elon Musk und Peter Thiel gemeinsam? Beide sind steinreich, beide unterstützten Donald Trump im Wahlkampf, beide sind Anhänger des Transhumanismus. 

Zu den wichtigsten Zielen der Transhumanisten gehört die «radikale Lebensverlängerung […] Transhumanisten wollen die Lebenserwartung auf 250, 300 oder gar auf 1000 Jahre erhöhen.» Dabei gehe es nicht um die Jahre per se, sondern um mehr gesunde Lebenszeit, betonen Bernd Kleine-Gunk (BGK) und Stefan Lorenz Sorgner (SLS) in ihrem letzten Jahr erschienen Buch «Homo Ex Machina». Auf rund 400 Seiten beleuchten die beiden Autoren dort den Transhumanismus überwiegend wohlwollend. Nach der interessanten Lektüre versteht man die gegenwärtige Entwicklung besser. 

Hundert Pillen pro Tag

Einer der führenden Vertreter der Bewegung, die im Silicon Valley prominente Anhänger hat, ist der US-Amerikaner Ray Kurzweil. Er schluckt täglich rund 100 Kapseln mit Nahrungsergänzungsmitteln, früher waren es noch mehr. Seit 2012 ist Kurzweil Chefingenieur und Vordenker bei «Google». Er vertrete die These, dass biologische und technologische Intelligenz zusammenwachsen würden.

Doch Vitamine & Co. sind nur der Anfang. Denn mit Vorbeugung im herkömmlichen Sinn, mit Krankheitsbekämpfung und mit Anti-Aging-Massnahmen lässt sich eine massive Lebensverlängerung, wie sie den Transhumanisten vorschwebt, nicht erreichen. Der menschliche Körper müsste vielmehr kontinuierlich repariert, erneuert und verbessert werden: Gentherapien, Stammzellbehandlungen, Zellverjüngungen, Beseitigen von Abfallprodukten in- und ausserhalb der Zellen sowie künstliche Körperzellen sollen dabei helfen, ergänzt durch Methoden, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Um ihre Ziele zu erreichen, setzen Transhumanisten auf Wissenschaft und Technologie.

«Google» gibt Geld, um das Altern abzuschaffen

Das Ziel der schon 2013 in Kalifornien gegründeten Firma «Calico» («California Life Company») beispielsweise sei es, das «Altern abzuschaffen». «Killing death» – den Tod töten, nannte es der Google-Mitbegründer und Multimilliardär Larry Page. Laut den Buchautoren finanzierte «Google» den Start von «Calico» mit 1,5 Milliarden US-Dollar. Herausragende Wissenschaftler und Unternehmer sowie viel Geld seien dort im Spiel. Doch: «Woran das Unternehmen konkret arbeitet, ist immer noch weitgehend unklar. Auch Googeln hilft da nicht viel.» Eine lange Liste wissenschaftlicher Publikationen auf der Website zeugt von breit gefächerten Interessen. 

Der Multimilliardär und Amazon-Gründer Jeff Bezos gründete die Firma «Altos Lab», die sich der Langlebigkeitsforschung verschrieben habe, mit fast unbegrenzten Forschungsgeldern, so der Philosophieprofessor Stefan Lorenz Sorgner und der Medizinprofessor Bernd Kleine-Gunk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti-Aging-Medizin. «An der Spitze des Beirats steht dabei der japanische Nobelpreisträger Shinya Yamanaka, der die bahnbrechende Methode entwickelt hat, normale Körperzellen in Stammzellen zurückzuprogrammieren.» Auch die Nobelpreisträgerin Jennifer Doudna, Co-Entdeckerin der «Gen-Schere» (CRISPR/Cas-Methode) arbeite mit. Kleine-Gunk hält «das Gerede von der Unsterblichkeit jedoch vor allem für einen Marketing-Trick. […] damit gewinnt man leichter Investoren.»

Dennoch: Mit CRISPR/Cas veränderte Tiere gibt es bereits. Die Methode sei ein echter «Game changer, was das Genetic-Engineering angeht». Bei der Therapie menschlicher Erbkrankheiten wie der Sichelzellanämie hat CRISPR/Cas bereits Einzug gehalten.

Die Evolution «in die Hand nehmen»

Es sei ein «ungeheurer Schritt, wenn die Menschheit die Evolution nun zunehmend selbst in die Hand nimmt», finden die beiden Buchautoren und erwähnen das «Bejing Genomics Institute». Dort schalteten Wissenschaftler 2015 bei Schweinen ein Gen aus, das für das Wachstum nötig ist. Die so entstandenen Minischweine seien in China als Haustiere populär. Holländische Forscher wiederum hätten es «bereits geschafft, Zebrafische genetisch so zu verändern, dass sie bis zu 20 Prozent ihrer Ernährung mittels Photosynthese generieren können» – eine Methode, die Pflanzen anwenden.

Transhumanisten würden vom «genetischen Enhancement» (Weiterentwicklung) sprechen. Das Ziel sei, positive Veränderungen ins Erbgut einzuschleusen, «um so zu einer wirklichen genetischen Verbesserung zu gelangen».

Die Freiheit, auch am eigenen Körper, sei den Anhängern dieser Bewegung wichtig. In extremis demonstriert das der Franzose Anthony Loffredo, der sich mit diversen Eingriffen zu einem «schwarzen Alien» verwandeln liess. BGK und SLS erwähnen ihn im Kapitel über transhumanistische Künstler. 

Anthony Loffredo
Kein Anblick für Kinder: Anthony Loffredo, wie er sich auf Instagram präsentiert.

Körper oder nur Kopf tieffrieren

Auch bei Nahrungsmitteln können gentechnische Verfahren eingesetzt werden, zum Beispiel, um Hefe so zu verändern, dass sie Milchzucker produziert. So hätten Wissenschaftler es geschafft, Milch herzustellen, «ohne eine Kuh zu halten und sie zu melken […] Wenn sich diese Innovation in grossem Stil umsetzen lässt, dann müssen wir zur Milchproduktion nicht mehr Kühe in Massentierhaltung halten». In Singapur sei bereits ein «In-vitro-Fleisch-Burger» auf dem Markt. Das Fleisch werde im Labor aus tierischen Stammzellen gewonnen. 

Gemeinsam ist den Transhumanisten, dass sie mehr aus dem machen wollen, was die Natur den Menschen gab. Bezeichnend dafür ist der selbstgewählte Name von «Max More», also «maximal mehr». More, der früher Max O’Connor hiess, gehört zu den bekanntesten Vertretern des Transhumanismus. Er präsidierte jahrelang die Kryotechnik-Firma «Alcor».

Diese Firma in Arizona hat sich der Kryokonservierung verschrieben. Sie will tote Körper so lange kühlen, bis die Technik so weit sei, dass man sie wieder zum Leben erwecken könne, erfährt die Leserschaft von «Homo ex Machina». Den ganzen Körper zu kryokonservieren, koste rund 200’000 Dollar. Preiswerter sei die «Neurokryokonservierung», bei der nur der Kopf so aufbewahrt wird. Der Paypal-Co-Gründer Peter Thiel habe einen Vertrag bei «Alcor» unterzeichnet, schreiben die Buchautoren.

Erinnerungen transplantieren

Grosse Bedeutung – auch für Investoren – habe für die Transhumanisten die «Verbesserung» des menschlichen Körpers. Texanische Wissenschaftler etwa hätten bereits künstliche Muskeln aus Kunststoff entwickelt, die «mehr als 100-fach stärker sind» als menschliche. Andere tüfteln an «intelligenter Haut», die UV-Strahlung und Umweltgifte erkenne. 

Den menschlichen Geist sollen Psychostimulantien, Strombehandlungen sowie Schrittmacher zu ungekannten Höhenflügen befähigen. Das wohl bekannteste Projekt in dieser Hinsicht ist «Neuralink» von Elon Musk. Die Firma, die laut den Buchautoren «in den nächsten Jahren auf 10’000 Beschäftige wachsen» solle, will Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickeln. «Wissenschaftler haben inzwischen gezeigt, dass sich Erinnerungen einer Schnecke per Transplantation in eine andere Schnecke übertragen lassen. Warum sollten Erinnerungen und andere Gehirninhalte ausschliesslich an das kohlenstoffbasierte Gehirn gebunden sein?», fragt SLS.

Künstliche Gebärmutter

Das Buch beschreibt verschiedene Exponenten der Bewegung. Da ist zum Beispiel Martine Rothblatt, «eine der schillerndsten Figuren im transhumanistischen Universum – Anwältin, Pharmaunternehmerin, Pilotin, Autorin und anderes mehr. «Auch die von den Transhumanisten hoch geschätzte morphologische Freiheit setzt sie überzeugend um. Bis zu ihrem vierzigsten Lebensjahr war Martine Rothblatt ein Mann.» Ein auch mit menschlichen Genen ausgestattetes Schweineherz, welches 2022 einem Patienten in den USA eingepflanzt wurde, entwickelte die Firma «United Therapeutics Corporation», die Rothblatt gründete und führt. 

Weit vorangeschritten sei die Entwicklung des «Bio-Bag». Dabei handelt es sich um eine externe Gebärmutter. «Bei Schafen haben es Forscher bereits geschafft, eine solche künstliche Gebärmutter zu kreieren. Der komplette Reproduktionsprozess könnte auf diese Weise professionalisiert werden.» In Japan sei es gelungen, aus ausschliesslich männlichen Zellen eine Maus zu erschaffen, schreiben BKG und SLS. 

Genetisch veränderte Kinder – moralische Pflicht ?

Nebst der Freiheit, den eigenen Körper zu gestalten, geht es den Transhumanisten auch um Freiheit bei der Partnerwahl und der Art der Fortpflanzung. Um ihren Kindern ein besseres, leichteres Leben zu ermöglichen, dürfe genetisch eingegriffen werden. Laut den Buchautoren stelle sich sogar die Frage, ob es nicht eine «moralische elterliche Pflicht» sei, einem Kind mit gentechnischen Methoden zu besseren Chancen oder höheren Leistungen zu verhelfen.

Gleichzeitig werfe dies die Frage auf, ob sich die künftige Elite nicht mehr allein durch Geld und Macht definiere, sondern durch optimierte geistige und körperliche Fähigkeiten. Alle, die sich nicht optimieren lassen, sei es, weil sie nicht möchten oder weil sie es sich nicht leisten können, wären dann das Fussvolk. 

Datenhandel mit den Krankenkassen

Längeres Leben bedeute jedoch höhere Gesundheits- und Rentenkosten. Da könnte sich aus Sicht der Autoren ein Gegengeschäft anbieten, «indem wir [den Krankenkassen] unsere Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. Daten sind das neue Geschäftsmodell.» 

«In Schweden werden zum Beispiel Chips angeboten, die sich in den Körper implantieren lassen und auf denen Gesundheitsdaten gespeichert sind, etwa ob man gegen Covid geimpft wurde. Auch das ist ja bereits angewandte Nanotechnologie», so SLS. 6000 Schweden hätten sich 2021 einen RFID-Chip einpflanzen lassen.

Die Prävention – oder permanente Überwachung? – sei ebenfalls wichtig. «Forscher der Tufts University in Boston haben 2018 einen RFID-Chip in menschliche Vorderzähne implantiert, um damit das Essverhalten der betroffenen Person zu erfassen […] Die so generierten Daten können dann analysiert werden, sodass eine App eine Warnung aussprechen kann, wenn die Diät nur aus Pizza und Bier besteht.» 

Um die Daten, dieses «neue Öl», tobe ein «globaler Krieg». Peter Thiel habe das US-Unternehmen «Palantir» mitbegründet, das auf Datenhandel fokussiere.

Nanoroboter im Körper und im Kriegseinsatz

So wie an Flugzeugen angebrachte Sensoren heutzutage melden, wenn irgendwo ein Teil kaputt zu gehen droht, so könnten dereinst winzige Sensoren am und im Körper melden, wenn dort etwas aus dem Lot gerate, so dass frühzeitig gegengesteuert werden könnte. Winzige Nanoroboter, die durch den Körper navigieren, um Krebszellen aufzuspüren, sind nur eine der vielen Utopien. 

Eine andere sind Einsatzmöglichkeiten der Nanotechnologie im Militär: Insektengleiche Drohnen, welche «die gegnerische Spionageabwehr mühelos überwinden» oder – mit Stachel und Nanolabor versehen – «potenzielle Gegner durch einen gezielten Stich töten oder zumindest lähmen», seien denkbar. Die Soldaten trügen kugelsichere Westen, «dünn und leicht wie ein T-Shirt», aus Nanotubes.

Und auch gegen die Klimaerwärmung gibt es bereits Ideen: Das Einbringen von Nanopartikeln in der oberen Atmosphäre könnte UV-Licht reflektieren und so die Klimaerwärmung eindämmen. So die Hoffnung. «Spätestens wenn der Nanostaub dann das Weltklima gerettet hat, wird die Nanotechnologie wohl endgültig ihren Anspruch als innovativer Heilsbringer erfüllt haben», schreiben die Buchautoren.

Elon Musk schnappt sich den Raum im Orbit

Sogar nach den Sternen greifen die Transhumanisten, von denen die meisten Atheisten seien. Zuvorderst ist hier Elon Musk mit seiner Firma «Space X». 

Pro Woche stelle Musks Firma rund 5000 Satellitenantennen und bis zu 45 Satelliten her. «Indem Starlink immer mehr Satelliten in den Erdorbit sendet, nehmen diese immer mehr Raum ein. Es geht hier zu wie bei der Besiedlung neu entdeckter Kontinente: Unbesiedelter Raum wird besetzt und bearbeitet, und auf diese Weise wird neues Eigentum generiert. Der erdnahe Raum ist enorm begrenzt und begehrt …», erläutert «Homo Ex Machina».  

Starlink-Daten für mehr Macht

Alle Daten, die über Musks Starlink-System fliessen würden, könnten dort auch «abgegriffen und analysiert» werden. Musk beherrsche bereits mehr als ein Drittel des Satellitenmarkts, mit möglicherweise enormen militärischen, politischen und auch ökonomische Folgen. China etwa verfolge sein Treiben im Orbit genauestens. 

Musk könnte mit Hilfe von Starlink sowohl seinen Reichtum als auch seine politische Einflussnahme steigern. «Wenn Musk einmal ein hohes politisches Amt übernehmen wollte, hätte er die Möglichkeit der unmittelbaren Einflussnahme über personalisierte Werbung. Die Bedeutung des Projekts Starlink kann also kaum überschätzt werden», schrieben BGK und SLS mehr als ein Jahr vor der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten. 

Politisch seien die meisten Transhumanisten entweder «radikal liberal, oder sie vertreten eine eher sozialdemokratische Variante des Liberalismus», so SLS und BKG. Bei den französischen Grünen etwa seien «zahlreiche Transhumanisten aktiv. Selbstverständlich würden sie den «angemessenen Einsatz» von Gentechniken bejahen. 

Thiel: Techno-Elite statt Demokratie

Peter Thiel indes stelle «immer mal wieder öffentlich Überlegungen an, ob die Demokratie eigentlich noch eine zeitgemässe Regierungsform sei oder ob man die Verantwortung für den Staat nicht besser in die Hände einer neuen Intellektuellen- und Techno-Elite legen sollte.»

Trumps designierter Vizepräsident James David Vance arbeitete früher für den Fonds von Thiel, Thiel soll später Vance’s Wahlkampf in Ohio finanziert haben, wo Vance zum Senator gewählt wurde. 

Wenn der künftige US-Gesundheitsminister Robert. F. Kennedy vor wenigen Tagen davon sprach, die US-Arzneimittelbehörde FDA würde die Behandlung mit Stammzellen, Vitaminen, Peptiden, Nahrungsergänzungsmitteln und Psychedelika «aggressiv unterdrücken» und er werde dies nun ändern, kann man dies auch als Botschaft an Transhumanisten verstehen, die Donald Trump mit zum Wahlsieg verholfen haben.

Weiterführende Informationen


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