MobilfunkAntenne

Im Mobilfunk werden verschiedene Frequenzbänder genutzt: Antennen auf einem Hausdach. © Depositphotos

Millimeterwellen: Comcom will warten

Pascal Sigg /  Die Regulierungsbehörde will noch keine höheren Mobilfunkfrequenzen vergeben – wohl auch wegen der Kantone.

Die Millimeterwellen müssen in der Schweiz warten. Dies kommunizierte das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) Anfang Juli in einer Medienmitteilung. Zuvor hatte der Bundesrat darüber nachgedacht, neue, hohe Mobilfunkfrequenzen in den Bereichen 6 GHz, 26 GHz und 40 GHz zu vergeben (Infosperber berichtete). Mit ihnen würde hierzulande die 5G-Technologie erst richtig eingeführt. Derzeit liegt deren Frequenzbereich in der Schweiz erst bei maximal 3,5 GHz. Von Millimeterwellen spricht man bei Frequenzen ab etwa 20 GHz.

Weil die Konzessionen der bestehenden Mobilfunkfrequenzen ohnehin neu vergeben werden müssen, führte das Bakom eine öffentliche Konsultation durch. Dabei wollte es gleich auch wissen, wie mögliche Anbieter und Nutzer neuen, höheren Frequenzen gegenüberstehen. Nach Abschluss der Konsultation kam die Eidgenössische Kommunikationskommission Comcom jedoch zum Schluss, vorläufig keine höheren Frequenzen zu vergeben.

Ungeklärter Bedarf, hoher Schutz

Abklärungen des Bakom hätten ergeben, dass zumindest bis 2026 keine neuen Frequenzen für den Mobilfunk verfügbar gemacht werden können, schreibt das Bundesamt im Communiqué.

Auf Infosperber-Anfrage präzisiert es: «Die neuen Frequenzen können dann für den Mobilfunk genutzt werden, wenn der entsprechende Bedarf der Wirtschaft geschlossen vorhanden ist, Netzausrüstungen und Endgeräte verfügbar sind und die Frequenzen nicht mehr für andere Anwendungen genutzt werden.» Parallel dazu wären die umweltrechtlichen Rahmenbedingungen zu erarbeiten.

Aussagekräftiger sind die konkreten Stellungnahmen. Sie zeigen, dass die Industrie den Bedarf durchaus anmeldete und die «umweltrechtlichen Rahmenbedingungen» eine sehr wichtige Rolle spielen.

Die SBB beispielsweise, gehen davon aus, dass die Mobilfunknutzung in Zügen weiter zunehmen wird. Sie sprachen sich für eine Erweiterung des Frequenzspektrums in den Millimeterbereich aus.

Die Anbieter Salt, Swisscom und Sunrise zeigten ebenfalls Interesse an einzelnen Frequenzbändern. Salt und Sunrise forderten aber gleichzeitig auch eine Lockerung des Strahlenschutzes der Bevölkerung. Die Swisscom äusserte sich nicht zu Gesundheitsfragen.

Auch der Schweizerische Verband der Telekommunikation Asut begrüsste grundsätzlich die Vergabe neuer, höherer Frequenzen, forderte aber gleichzeitig eine Anpassung der Schutzverordnung. Zur Erinnerung: Das Parlament stimmte dem Ausbau des Schweizer Mobilfunknetzes nur unter der Bedingung zu, dass die Grenzwerte nicht gelockert werden.

Kantone mahnten

Gegen ein Vorpreschen sprachen sich alle teilnehmenden Schutzorganisationen aus. Eine besonders gewichtige Mahnung kam zudem vonseiten der Kantone. Sie sind in der Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) zusammengeschlossen. Und sie wären auch für die Bewilligung und Kontrolle neuer Anlagen zuständig. Die Stellungahme der Kantone sagte jedoch klar: nicht so schnell. So wie bei der letzten Frequenzvergabe dürfe es nämlich nicht mehr laufen.

Konkret schreibt die BPUK: «Bereits vor der Vergabe einer Mobilfrequenz im Millimeterbereich müssen die gesundheitlichen Auswirkungen untersucht und die Anlage- und Immissionsgrenzwerte definiert sein sowie die Vollzugs- und Messempfehlungen vorliegen. Die kantonalen Fachstellen für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung sind bei der Erarbeitung einzubeziehen.» Dies heisst übersetzt: Wir können uns nicht auf Experimente mit unserer Gesundheit einlassen.

Risiken bestehen auch bei bereits genutzten Frequenzen

Dass kaum Forschung über Gesundheitseffekte von Millimeterwellen besteht, ist bekannt. Die Gesundheitsrisiken und deshalb auch die Festlegung der Grenzwerte von langfristiger Strahlungsexposition sind jedoch bereits im Bereich der bestehenden Frequenzen nicht geklärt. Immer wieder sorgen neue Studien für Aufsehen.

So wirft eine neue epidemiologische Studie die Frage auf, ob die Grenzwerte nicht viel eher nach biologisch messbaren Parametern – also dem Effekt der Strahlung im Körper – statt nach der physikalisch gemessenen Immission festgelegt werden sollten. Dies sieht etwa die Internationale Atomenergiebehörde IAEA für ionisierende Strahlung vor.

Signifikant mehr Chromosomenschäden

Für die Studie verglich ein interdisziplinäres Team Gruppen von Anwohnenden einer Antenne nahe Würzburg. Dabei stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass die Gruppe jahrelang stärkerer Strahlung ausgesetzter Menschen einen signifikant höheren Anteil an Chromosomenschäden aufwies als die Gruppe der Menschen, welche durch die Strahlung der Antenne weniger belastet war.

Die Autorinnen und Autoren bezeichneten diesen Mechanismus als biologisch plausibel, betonten aber auch, dass ihre Studie erst ein Anstoss für weitere Forschung sein konnte. Unklar ist beispielsweise unter welchen Umständen derartige Chromosomenschäden das Krebsrisiko erhöhen. Oder inwiefern sie eher zum Zelltod führen. Dies könnte bei Zellen des Nervensystems allenfalls neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Demenz vorantreiben.

Albert Röstis Departement für Umwelt, Energie, Verkehr und Kommunikation, wo neben dem Bakom auch das für den Schutz zuständige Bundesamt für Umwelt (Bafu) angesiedelt ist, weiss ziemlich genau um den tiefen Stand der Forschung. Im Bafu ist nämlich die Beratende Expertengruppe für nicht-ionisierende Strahlung (Berenis) angesiedelt. Diese sprach sich aufgrund der weiterhin hohen Unsicherheit zuletzt immer gegen eine Schwächung des Strahlenschutzes aus.


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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

3 Meinungen

  • am 23.08.2024 um 11:00 Uhr
    Permalink

    Trotz fehlender Forschung werden in rasanten Tempo überall die entsprechenden Funkmasten errichtet – ohne daß dafür mehr als eine Erwartungshaltung der Industrie angeführt werden kann. Das ist grundsätzlich zu kritisieren. Es sei daran erinnert, daß die Ergebnisse technischer Entwicklungen wiederholt, ja eigentlich immer, zunächst euphorisch und bedenkenlos großräumig angewendet wurden und erst anschließend konnte man der Erkenntnis nicht mehr ausweichen, daß ein großes Gefahrenpotential geschaffen worden war.Die beiden klassischen Fälle : Atomenergie und ionisierende Strahlung (Röntgen etc.). Zwar ist nach heutigem Kenntnisstand kein Modell bekannt, mit dem biologische Schädigungen duch 5GHz-Wellen überzeugend erklärt werden könnten – aber wir sollten gewarnt sein – zumal sowohl im Bereich der Physik wie auch der Biologie noch massive Grauzonen des Verstehens existieren. Bei der im Bericht genannten Studie ist aus statistischen Gründen Zurückhaltung geboten.

  • am 23.08.2024 um 16:42 Uhr
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    Unsere Wunderwerke Augen, Ohren, Herz und Hirn funktionieren mit Frequenzen und wir Menschen gehen derart salopp mit diesen um. Die beste Frequenz fühlt man, wenn 2 Menschen verliebt sind. Die schrecklichste ist 60GHz, da diese Sauerstoff absorbiert und CO2 erhöht. Hat die Swisscom deshalb auf vielen Antennen CO2 Messgeräte?
    Suchmaschine nach Wahl eingeben: 60GHz + O2 , nur Bilder anschauen, man muss nichts lesen.
    Moderne Spitäler und Pflegeheime nutzen 60GHz für die interne Daten und Sprachkommunikation, da diese Frequenz kostenlos ist… Was erzeugen all die anderen Frequenzen im Ghz Bereich? Wer soll das unabhängig erforschen?

    • am 24.08.2024 um 07:31 Uhr
      Permalink

      Ein Gratistipp:
      Es lässt sich heute noch mit etwas Fantasie anständig leben ohne Handy etc.
      Wäre froh, wenn mehr Leute diesen Weg beschreiten würden.
      Dann würden hoffentlich die Einschränkungen kleiner…
      Siehe z.B. SBB-Fahrplan. Da wird man als Kundin blödsinnig in der Geografie herum gejagt – muss in Turnschuhanschlüssen umsteigen, statt auf einer Station 15 Minuten gemütlich warten.
      Dann würden all diese Neuerungen obsolet.

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