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Das französische Startup Rosi Solar recycelt Solarzellen. Zur Aufarbeitung werden sie zuerst geschreddert. © euronews (Videoscreenshot)

Die Solarschrott-Welle rollt – das Recycling noch nicht

Daniela Gschweng /  Ausgediente Solarmodule werden bisher nur rudimentär recycelt. So gehen wertvolle Rohstoffe verloren.

Auf dem Hof des Fraunhofer-Instituts in Halle steht ein aussergewöhnliches Solarmodul. Die Silizium-Scheiben darin sind nicht neu, sondern aus alten Solarzellen hergestellt. Das Recycling-Panel des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik (CSP) ist ein Pilotprojekt, das es so vermutlich nur in den Laboren dieser Welt zu sehen gibt.

Was einigermassen unverständlich ist, denn Rohmaterial gibt es genug. Allein in Deutschland werden derzeit zwischen 10’000 und 30’000 Tonnen Solarmodule jährlich verschrottet. Tendenz: stark steigend.

Die Solarschrott-Welle kommt

Bisher gelangten nur wenige Panels in den Wiederverwertungskreislauf, aber ihre Zahl wird steigen. Wie viele es in einigen Jahren sein werden, lässt sich anhand der in den letzten Jahren installierten Mengen abschätzen.

Bis 2024 werden in Deutschland jährlich 60’000 Tonnen Schrott aus alten Solaranlagen anfallen. 2029, wenn die erste grosse Welle in den Recyclinghöfen ankommt, werden es zwischen 400’000 und einer Million Tonnen sein, schätzt das Fraunhofer-Institut.

Für die Schweiz rechnet das Zürcher Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) für 2030 mit gut 5000 Tonnen. Weltweit prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA) bis 2050 um die 80 Millionen Tonnen Solarschrott pro Jahr. Viel Abfall, oder auch: sehr viele Ressourcen.

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Für 2030 prognostiziert das AWEL gut 5000 Tonnen Solarabfall in der Schweiz.

Wann die Welle genau kommt, ist schwer zu sagen

Die Lebensdauer eines Solarmoduls beträgt etwa 20 bis 30 Jahre. Das PV-Labor der Berner Fachhochschule hält es laut «naturschutz.ch» für möglich, dass es bei den günstigen klimatischen Bedingungen in der Schweiz bis zu 40 Jahre hält.

In Folge von Unwettern, Umbauten oder aus wirtschaftlichen Gründen werden zeitweise auch mehr gebrauchte Panels weggeworfen. Sollten sich Qualität und Lebensdauer von Solarzellen verbessern, könnten die alten schneller ausgetauscht werden. Grossen Einfluss auf die Abfallmenge haben auch gesetzliche Rahmenbedingungen und die Höhe von Fördersummen.

Bisher werden Solar-Panels nur rudimentär recycelt

Aktuell wird von einem Panel nur wenig wiederverwertet. Seit 2015 ist die Rücknahme von Solarmodulen in der EU und seit 2022 in der Schweiz vorgeschrieben. «Recycling» bedeutet bisher aber nur, dass das Modul so weit wie möglich demontiert wird. Kabel und Alurahmen werden entfernt und das Glas aussortiert. Glas macht den grössten Teil des Gewichts eines Panels aus. Weil es beim Zerlegen meist zerbricht und verschmutzt, wird es im Downcycling zu Glaswolle.

In einer Tonne Solarschrott stecken 25 bis 50 Kilogramm hochreines und aufwendig gewonnenes Silizium, das nicht wiederverwertet wird. Da geht also mehr. Mehrere Medien haben zusammengetragen, welche Recycling-Ansätze es für Solarzellen weltweit gibt.

In Ländern wie Südkorea, China und Australien gibt es laut «Spektrum der Wissenschaft» noch keine landesweiten Programme. Die USA, wo teilweise erhebliche Mengen an Altmodulen aus den allerersten Solar-Installationen anfallen, kämpfen noch damit, diese ins Abfallreglement zu integrieren (Infosperber berichtete). China forsche daran, ein wirtschaftliches Verfahren zu entwickeln.

Knackpunkt Kunststoffbeschichtung

Angesichts der zu erwartenden Abfallwelle kommt die Entwicklung von Recycling-Lösungen allerdings nur langsam voran. Der Knackpunkt ist die Verbindung des Siliziums mit dem Kunststoff, mit dem die Wafer beschichtet werden. Ein Panel muss stabil sein und in seinem Leben viel aushalten. Deshalb sind alle Komponenten fest miteinander verbunden. Die Verbindung ist extrem schwer zu lösen.

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Aufbau eines Solarmoduls

Das Fraunhofer-CSP in Halle setzt auf eine Kombination aus mechanischer Zerkleinerung und chemischen Verfahren. Die 0,5 bis 2 Millimeter grossen geschredderten Stücke werden zunächst so weit wie möglich getrennt, dann wird in mehreren Schritten die Beschichtung weggeätzt.

Neben Silber, das einen guten Teil des Werts ausmacht, kann das Institut Silizium aus Altmodulen zurückgewinnen und zu neuen Wafers verarbeiten. Der Wirkungsgrad des Pilotmoduls liegt nur geringfügig unter dem einer handelsüblichen Zelle.

Eine ökologische oder ökonomische Bilanz für den chemikalienintensiven Prozess gebe es noch nicht, sagt der Chemiker Andreas Obst zu «Spektrum». Im Vordergrund sei zunächst die Machbarkeit gestanden.

Vom Mahlen, Ätzen, Grillen und Filetieren von Solarmodulen

Eine grosse Hürde für alle Wiederverwerter sei, dass es sehr viele unterschiedliche Solarzellen gibt. Allein 500 Modelle hat Andreas Obst gezählt, und das seien längst nicht alle. Die Bauart macht einen grossen Unterschied. Die Methode des Fraunhofer-CSP funktioniere beispielsweise nur, so lange sich der Bor-Gehalt der Siliziumplatten nicht ändere. Die Siliziumscheiben enthalten nur kleinste Mengen Bor, die aber als Dotierung unverzichtbar sind.  

Auch andere Forschende haben sich einiges einfallen lassen, um an das wertvolle Silizium zu kommen und das Glas zu erhalten. Das Unternehmen Flaxres aus Dresden beispielsweise setzt zur Trennung von Folie, Glas und Silizium auf Hitze aus hochenergetischen Lichtblitzen. Die erste Pilotanlage wird etwa um 2024 erwartet. Einen ähnlichen Ansatz, bei dem noch ein chemisches Verfahren dazukommt, hat Rosi Solar aus Grenoble.

Die bisher eleganteste Lösung fand das japanische Unternehmen NPC. Mit einer 300 Grad heissen Klinge werden die Paneele sozusagen filetiert, um den Kunststoff abzutrennen. So erhält NPC auch sauberes Glas. Bisher gibt es eine Testanlage.

Ein deutscher Hersteller verwertet Solarzellen sogar vollständig wieder. First Solar in Frankfurt/Oder recycelt Dünnschicht-Solarzellen, weil es gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese machen allerdings nur einen kleinen Teil des Marktvolumens aus, weltweit ungefähr fünf Prozent. Die meisten Panels bestehen aus kristallinem Silizium.

Oder gleich anders bauen?

Den nachhaltigsten Ansatz verfolgt der Physiker Ian Marius Peters am Helmholtz-Institut für Erneuerbare Energien in Erlangen-Nürnberg (HERN). Er möchte Solarzellen von Anfang an so konzipieren, dass ihre Bestandteile leicht getrennt werden können. Seine sandwichartig aufgebauten Perowskit-Solarzellen eignen sich allerdings noch nicht für den konventionellen Einsatz.

Stefan Haas vom Forschungszentrum Jülich klemmt derweil seine Siliziumkacheln zwischen zwei verschweisste Glasplatten und verzichtet damit ganz auf Kunststoff. Auch die niederländische Organisation TNO und das Industrial Technology Research Institute aus Taiwan arbeiten laut «Spektrum der Wissenschaft» an Ansätzen, mit denen sich Paneele in die Kreislaufwirtschaft integrieren lassen. Zeitpunkt der Marktreife? Noch unbekannt.

Weiterverwendung klingt gut – hat aber einen Haken

Die umweltschonendste Methode ist es bisher, das Leben eines Solarmoduls so weit wie möglich zu verlängern. Viele «Schrottpanels» haben noch bis zu 80 Prozent ihrer Kapazität. Es gibt einige Initiativen, die versuchen, ihre Lebensdauer zu verlängern – beispielsweise als private «Balkonkraftwerke». Weiterverwendung dürfe aber nicht dazu führen, dass sich der Müllberg in Form von Second-Hand-Modulen nach Afrika oder Osteuropa verlagere, warnen Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Recycling und Kreislaufwirtschaft

Häufig schont das Recycling Ressourcen. Doch manchmal ist Wiederverwertung nur Marketing und Augenwischerei.

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2 Meinungen

  • am 16.01.2024 um 11:52 Uhr
    Permalink

    Schön, macht man sich im Vergleich zu anderen „neuen“ Produkten bereits jetzt Gedanken darüber, wie man diese dann recyceln möchte. Dasselbe passiert bei Windturbinen.

  • am 16.01.2024 um 17:19 Uhr
    Permalink

    Interessante Betrachtung. The good news ist: Es werden immer mehr (und grössere) PV Anlagen eingesetzt. Es sind aber immer noch viel zu wenige. Das zeigt sich auch in der Menge die zum recyclen anfällt: 5000 Tonnen im 2030 in der Schweiz. Das ist ja ….nichts. Mit den 400’000 Tonnen in Deutschland sieht es schon besser aus, aber ist auch noch viel zu wenig. Zum Vergleich: In der Schweiz verkehren etwa 4 Mio Autos. Rechnen wir mal 1 t pro Fahrzeug (vielfach ist es mehr) sprechen wir von 4 Mio Tonnen. Da lässt sich durchaus Recycling betreiben.
    Das Ganze wird halt (wie vieles in der Marktwirtschaft) über den Preis gesteuert. So wird dann auch der Markt entscheiden, ob es sinnvoll ist Silizium zu rezyklieren. Ist ja ein Rohstoff (Quarzsand) der in riesigsten Menge auf der Erde vorkommt.
    Und wie immer beim Einsatz einer neuen Technologie: Sie wird sich noch deutlich weiter entwickeln.

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