Antennenkontrolle-cablex

Zwei Arbeiter überprüfen die Installation einer Mobilfunkantenne. © Cablex AG (Screenshot)

Bund vernachlässigt Kontrolle von Mobilfunkanlagen weiterhin

Isabel Zwyssig /  Das Bundesamt für Umwelt prüfte erstmals vor Ort. Doch es mass nicht, ob die Anlagen zu stark strahlen.

Ob bewilligte Mobilfunkanlagen die Grenzwerte einhalten, wird ungenügend kontrolliert. Eigentlich wäre das Bundesamt für Umwelt (Bafu) für die Kontrollen zuständig. Doch schon zweimal hat das Bundesgericht das Bundesamt für Umwelt (Bafu) aufgefordert, schweizweit zu kontrollieren, ob die Anlagegrenzwerte (AGW) gemäss der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) eingehalten werden – einmal in einem Urteil aus dem Jahr 2019 und ein weiteres Mal in einem Entscheid aus dem Jahr 2023.

Jüngst musste das Bafu ein Versäumnis nachholen: Das Bundesgericht verlangte von ihm, die Mobilfunkanlagen vor Ort zu überprüfen. Dies, um herauszufinden, ob die Anlagen so installiert worden waren, wie in der Baubewilligung definiert, und um zu untersuchen, wie sich potenzielle Abweichungen auf die Strahlenbelastung auswirken. Deshalb führte das Bafu ein Pilotprojekt zu Vor-Ort-Kontrollen durch. Doch ein im Frühling publiziertes Faktenblatt dazu zeigt: Die Kontrollen geschahen äusserst zurückhaltend.

Das Problem: Ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt das Bafu bauliche Parameter – etwa die Höhe der Antenne oder die Senderichtung. Die Strahlenbelastung an sogenannten Orten mit empfindlicher Nutzung (OMEN), an denen sich Menschen über einen längeren Zeitraum aufhalten – wie Wohnungen, Spitäler oder Schulen – behandelt es nebensächlich.

Lediglich Berechnungen verlangte das Amt von den Mobilfunkbetreibern. Vor Ort gemessen hat es die Strahlung nirgendwo. Ebenfalls brisant: Zwei Wochen vor dem Termin informierte die Behörde die Mobilfunkbetreiber darüber, welche der über eine Software ferngesteuerten Anlagen überprüft werden sollten. Das Bafu rechtfertigt diesen Schritt damit, dass die Ankündigung nötig sei, damit die Mobilfunkanlagen für das Personal der Messbüros zugänglich gemacht – die Masten sind in der Regel abgesperrt – und zur Sicherheit ausgeschaltet werden könnten.

Fast 40 Prozent der kontrollierten Mobilfunkanlagen fehlerhaft

Auf Untersuchungen der Anlagen vor Ort, bei denen die Messbüros Mängel festgestellt hatten, verzichtete das Amt. Nötig seien sie erst, wenn die rechnerische Prognose ergeben habe, dass die Anlagegrenzwerte (AGW), wie sie in der Schutzverordnung festgelegt sind, zu über 80 Prozent ausgeschöpft seien, heisst es auf Infosperber-Anfrage.

Von den insgesamt 76 kontrollierten Mobilfunkanlagen in der Deutschschweiz und in der Romandie wiesen 37 Prozent Mängel auf – besonders häufig in der horizontalen Senderichtung und in der Höhe. Betrachtet man die Basisstationen der einzelnen Betreiber, sieht die Verteilung so aus: 10 Prozent der Basisstationen von Salt, 43 Prozent der Basisstationen von Sunrise und 21 Prozent der Basisstationen von Swisscom wiesen Abweichungen bei den baulichen Parametern auf.

Gemäss Bafu zeigten die Berechnungen, dass die Abweichungen bei keiner Anlage eine zu hohe Strahlenbelastung zur Folge hatten.

Auf Anfrage schrieben die Medienstellen von Swisscom und Sunrise, die Anlagegrenzwerte stets eingehalten zu haben.

Weiter mussten die Mobilfunkbetreiber die dokumentierten Abweichungen in jedem Fall korrigieren – falls möglich, direkt vor Ort an der Antenne und auch dann, wenn die Anlagegrenzwerte nach rechnerischer Prognose nie überschritten worden waren. Allerdings: Bis solche Mängel behoben werden, dauert es bisweilen Monate. Dies macht ein Bericht der Baudirektion des Kantons Zürich deutlich, laut dem bis zu sieben Monate verstreichen können, bis der letzte Fehler ausgebügelt ist.

Kanton Bern deckt Überschreitungen der Anlagegrenzwerte auf

Dass Kontrollmessungen vor Ort ein genaueres Bild abgeben als Berechnungen, beweist der Kanton Bern.

2023 kam es im Rahmen von insgesamt sechs Kontrollmessungen bei zwei Anlagen an je einem OMEN zu Überschreitungen der Anlagegrenzwerte. Bei einem zulässigen AGW von 5 V/m wurden 5,74 V/m beziehungsweise 5,95 V/m gemessen. Im ersten Halbjahr 2024 gab das Amt für Umwelt und Energie (AUE) bisher zwölf Kontrollmessungen in Auftrag. Dazu liegen (Stand 27. Juni 2024) sechs Messberichte vor. Bei fünf Anlagen wurde der AGW bei der Messung an den OMEN eingehalten. Bei einer Anlage betrug an einem OMEN der festgestellte Wert 5,72 V/m. Zulässig wären 5 V/m. In allen Fällen haben die Mobilfunkbetreiber die Fehler fristgerecht ausgemerzt, sodass die AGW heute wieder im bewilligten Toleranzbereich liegen.

Allerdings: Der Kanton Bern kontrolliert nur, wenn die Betreiberfirmen das wollen. Grundsätzlich gilt im Kanton Bern für Baukontrollen ein System der Selbstdeklaration. Das AUE hat in den letzten zwei Jahren keine Kontrollmessungen an Antennen vornehmen lassen, von denen bekannt war, dass sie fehlerhaft installiert worden waren – weil die Betreiber keine entsprechenden Antennen gemeldet hatten. Im Lauf der Zeit hat es die Kontrollmessungen vor Ort intensiviert. Das Beispiel belegt: Häufige Prüfungen sind den Aufwand wert – denn sie decken Ausreisser auf. Nur so besteht die Chance, dass Fehler laufend korrigiert werden.

Bafu schiebt Verantwortung auf Kantone

Der Fall aus dem Kanton Bern – könnte er für das Bafu nicht Ansporn sein, vermehrt Kontrollen vor Ort zu veranlassen?

Das Bafu teilt mit, für die Baukontrollen an den Anlagen seien die Kantone zuständig. Immerhin: Auf wiederholten Druck des Bundesgerichts prüft es derzeit in der gesamten Schweiz die Qualitätssicherungssysteme, wobei die Anlagen vor Ort und die Informationen in der Datenbank kontrolliert und verglichen werden. Es verweist auf beschränkte finanzielle und personelle Ressourcen sowie zahlreiche andere Projekte, die im Bereich Mobilfunk laufen. So hat das Institut für Hausarztmedizin der Universität Freiburg im Auftrag des Bafu ein Beratungsnetz aufgebaut. Menschen, die ihre Beschwerden mit der Strahlenbelastung in Verbindung bringen, soll es als Anlaufstelle dienen.

Eine Entschuldigung dafür, zwei bundesgerichtliche Entscheide derart zahm umzusetzen, sind diese Umstände jedoch nicht.


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2 Meinungen

  • am 5.09.2024 um 12:18 Uhr
    Permalink

    Es gäbe eine Verpflichtung zur Kontrolle in der NISV. Es gäbe auch eine Verpflichtung zu Messungen. Nur gibt es für 5G immer noch keinerlei valide Messtechnologie, Es gäbe längst Methoden, den Problemen durch ausgewählte Stichproben und vor allem unangemeldete Kontrollen auf den Grund zu gehen.
    Das BAFU kommt seiner Verpflichtung notorisch nicht nach.
    Dazu kommt, dass die zitierte Firma im Dienst der Mobilfunkindustrie steht. Sie kontrolliert sich somit selber. Ein no-go. In der Schweiz aber Usanz. Belegt das Desinteresse des BAFU und BAKOM am Schutz der Bevölkerung. Der Eindruck entsteht: Die Industrie bestimmt sichtlich weitestgehend das Handeln des BAFU.
    Dass sie beim Bundesamt noch viele andere Aufgaben hätten, ist angesicht der Konzessionserträge für den Mobilfunk extrem lächerlich. Die Einführung der ärztlichen Beratung erfolgt 20 Jahre zu spät und nur immer wieder formulieren hohen Leidensdruck der Bevölkerung, von denen bereits über 10% elektrosensibel (EHS) sind. Bundesgericht negiert die Forschung.

  • am 5.09.2024 um 12:19 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank Infosperber für wahren Journalismus.
    Auch wenn er mir ein immer düstereres Bild aufzeigt, denn wo ich hinschaue, verkaufen uns unsere Regierungen den Meistbietenden…
    – Telekom (5 G & Strahlenbelastung)
    – Chemie (Glyphosat)
    – Pharma (Impfstoffe)
    Dabei werden die Akteure immer mächtiger, die Regularien immer wirkungsloser – auf der Strecke bleibt der einzelne Geschädigte.
    Wie man da abends noch in den Spiegel schauen kann, ist mir ein Rätsel

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