Wie die Grünliberalen die Energiesteuer versiebten
Ökologisch bewusste Ökonomen, Grüne und Linke fordern seit Jahrzehnten eine Energie-Lenkungsabgabe, um die Kosten des Energie- und Naturverbrauchs ins marktwirtschaftliche Preissystem zu integrieren. Ein Teil der bürgerlichen Parteien und der Wirtschaft stimmt solchen Abgaben «grundsätzlich» ebenfalls zu, aber lehnte konkrete Vorlagen stets ab. Darum versandeten Vorstösse für Energieabgaben meist schon im Bundesrat oder Parlament. Die einzige Vorlage, die vors Volk kam – die grüne Initiative «Energie statt Arbeit besteuern» –, lehnten die Abstimmenden auf Empfehlung des Parlamentes 2001 deutlich ab.
Das gleiche Schicksal droht jetzt der Initiative der Grünliberalen Partei (GLP) mit dem Titel «Energie- statt Mehrwertsteuer». Demnach soll die Mehrwertsteuer, die pro Jahr 22 Milliarden Franken in die Bundeskasse spült, vollständig ersetzt werden durch eine Steuer auf nicht erneuerbare Primärenergie. Diese Initiative sei in der Energiekommission «auf viel Sympathie gestossen», sagte gestern SP-Ständerat Roberto Zanetti, aber: «Der Weg zum Ziel scheint mit zu vielen Unwägbarkeiten gepflastert.»
Mehrwertsteuer als Pferdefuss
Der Grund: Um den Ertrag von jährlich 22 Milliarden Franken aus der Mehrwertsteuer zu ersetzen, müsste heute eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom um rund 30 Rappen, ein Liter Benzin um 1.20 Franken aufschlagen. Diese relativ hohe Abgabe dürfte den Energiekonsum wie gewünscht nach unten lenken. Damit aber müsste die Abgabe für die verbleibende Energie stets weiter erhöht werden, um die Mehrwertsteuer zu kompensieren. Das führt zu einer «asymptotischen Kurve», sagte Zanetti. Das heisst für Nicht-Mathematiker: Die Abgabe für den letzten Liter Öl stiege auf 22 Milliarden Franken – und liesse sich darum nicht mehr verkaufen. Damit würde die Schweiz zwar hundertprozentig mit erneuerbarer Energie versorgt, aber die Einnahmen des Bundes brächen um 22 Milliarden oder rund einen Drittel ein.
Um diesen Pferdefuss zu beseitigen, hoffen die Grünliberalen auf einen Gegenvorschlag des Parlamentes, der ihnen erlaubt, ihre Initiative ohne Gesichtsverlust zurück zu ziehen. Einen solchen «Gegenentwurf», nämlich eine Energieabgabe ohne Kopplung mit einer andern Steuer, beantragten im Ständerat Luc Recordon (Grüne) und Christian Levrat (SP). Doch die bürgerliche Mehrheit war nicht bereit, der GLP das Eisen aus dem Feuer zu holen. Es gehe nicht an, mit einem völlig anders konzipierten Gegenvorschlag eine «untaugliche Initiative zu retten», argumentierte etwa der Bündner CVP-Ständerat Stefan Engler. Vertreter der SVP wie etwa der Schwyzer Peter Föhn wandten sich generell gegen die Einführung einer Energieabgabe.
Mit 29 bürgerlichen gegen 11 linksgrüne Stimmen lehnte der Ständerat den Gegenvorschlag ab. Danach empfahl er die Initiative mit 34 gegen drei Stimmen (jene der Grünliberalen Verena Diener Lenz und Markus Stadler sowie dem Grünen Robert Cramer) dem Volk zur Ablehnung. Das gleiche Schicksal droht der Initiative auch im Nationalrat. Danach entscheidet wohl das Volk, denn, so sagte gestern GLP-Mann Stadler: «Ohne Gegenvorschlag wird die Initiative nicht zurückgezogen.»
Bundesrat plant eigene Energieabgabe
Mit dem Nein zur GLP-Initiative ist das Thema nicht vom Tisch. So plant der Bundesrat per Verfassung ebenfalls eine Energieabgabe. Diese soll die Förderabgaben und Subventionen, die der Bundesrat für die Umsetzung seiner «Energiestrategie 2050» in der ersten Etappe vorsieht, schrittweise ablösen. Wie hoch diese Abgabe ausfallen wird, und welche Energieträger sie belastet, ist noch offen. Zur Diskussion stehen eine Variante, die alle nicht erneuerbaren Energieträger erfasst, sowie eine Variante, welche die Treibstoffe verschont. Die konkrete Vorlage, ausgearbeitet von Eveline Widmer-Schlumpfs Finanzdepartement, will der Bundesrat nächstes Jahr den Parteien und Verbänden zur Vernehmlassung vorlegen. Frühestens 2016 kommt die Verfassungsvorlage vors Parlament. Stimmt dieses zu, folgt bis 2021 die Ausarbeitung des Ausführungsgesetzes.
Einen Vorentscheid hat der Bundesrat bereits gefällt. Der Ertrag der Abgabe soll pro Kopf der Bevölkerung und pro Arbeitsplatz an die Wirtschaft zurück verteilt werden. Auf die Kompensation einer andern Steuer, die das Finanzdepartement anfänglich vorsah, will die Regierung also verzichten. Damit entfällt die problematische Vermischung von Lenkungsabgabe und Staatsfinanzierung, welche die GLP-Initiative vorsieht.
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Kommentar:
GLP-INITIATIVE BREMST DIE ENERGIEWENDE
Lenkungsabgaben sind das beste Mittel, um den Konsum von Energie und andern begrenzten Rohstoffen wirkungsvoll und marktkonform zu senken. Darum haben Energieverkäufer und Profiteure einer Wirtschaft, die auf Pump der Natur wächst, solche Abgaben stets bekämpft. Dabei vertrauten sie auf die Kraft des konstruktiven Widerstandes, der aus sechs Worten besteht: «Im Prinzip ja, aber nicht so.» Denn beim «So», also der Ausführung, lassen sich nicht nur «Haare in der Suppe» finden, sondern, wie die grünliberale Verena Diener Lenz gestern im Ständerat spottete, «ganze Perücken».
Leider fällt der Spott auf Verena Diener und ihre Grünliberale Partei zurück: Die GLP wollte im Wahlkampf mit einer populären Initiative punkten. Darum verknüpfte sie ihre umweltfreundliche Energieabgabe mit dem Ersatz der als bürokratisch empfundenen Mehrwertsteuer. Damit steckte sie ein ganzes Büschel Haare in ihre Suppe. Ihre Initiative verstösst nämlich gegen ein zentrales ökonomisches und politisches Gebot: Man darf Lenkungsabgaben nicht mit Steuern zur Staatsfinanzierung koppeln. Denn wenn die Abgabe wie gewünscht lenkt, muss sie stetig erhöht werden, bis der letzte Tropfen Öl Milliarden kostet. Weil das niemand bezahlt, führt diese Kopplung zum Einbruch der Staatseinnahmen.
Die GLP-Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» ist nicht nur undurchführbar. Sie bietet den Gegnern auch willkommene Argumente gegen die echte Lenkungsabgabe, die der Bundesrat plant, um seine Energiewende umzusetzen. Wenn die Grünliberalen diese Wende nicht torpedieren wollen, bleibt ihnen nur eines übrig: Den Rückzug ihrer untauglichen Initiative. Auch ohne Gegenvorschlag. Sofort.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Hanspeter Guggenbühl ist Verfasser des Sachbuches: «Die Energiewende, und wie sie gelingen kann», Rüegger-Verlag 2013.
Lenkungsabgaben haben die unschöne Eigenschaft, das Preissystem noch weiter zu pervertieren und somit seine ökonomische Relevanz zu untergraben.
Natürlich haben alle staatlichen bzw. steuerlichen Interventionen Einfluss auf das Preissystem bzw. die internationale Konkurrenzfähigkeit. Wenn die Europäer einen grösseren Teil der staatlichen Einnahmen über die MWSt finanzieren, so schaffen sie sich über die Rückerstattung beim Export ein staatliches «Dumping"-Instrument, welches Ländern wie der Schweiz, mit einem relativ kleinen MWSt-Satz vorenthalten bleiben.
Lenkungsabgaben haben ähnliche Wirkungen. Durch die administrative Veränderung des durch die Marktkräfte bestimmten sozialen Wertes einer Ware oder einer Dienstleistung soll ein sozial «wünschbareres» Verhalten der Marktteilnehmer erreicht werden. Aber das erreichte Ziel ist nicht immer das offiziell angekündigte, sondern irgend eine Profitverschiebung zugunsten vorbestimmter Interessengruppen. Ich kenne keine Beispiele, in denen die soziale Effizienz des Systems durch eine solche Massnahme verbessert wurde. Soziale Transfers sollen über Direktzahlungen und ausgewiesene Subventionen erreicht werden, nicht durch Manipulationen des Preissystems.