Über CVP-«Heiratsstrafe»-Schwindel wird abgestimmt
Die Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» kommt ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung. So wollen es die CVP und das Parlament. Das Urteil des Bundesgerichts von Ende 2013 hat die CVP nicht zum Rückzug ihrer Initiative bewogen.
Die angebliche «Heiratsstrafe» besteht darin, dass die Rente eines verheirateten Paars heute 150 Prozent beträgt, während Konkubinatspaare zweimal die volle AHV-Rente erhalten – falls beide die Voraussetzungen erfüllen.
Das Bundesgericht kam jedoch Ende 2013 zum Schluss, dass Konkubinatspaare trotz der geltenden AHV-Regelung gegenüber Verheirateten finanziell insgesamt benachteiligt werden.
Begründung: Die Schlechterstellung von Verheirateten bei den AHV-Renten werde mehr als wettgemacht durch andere finanzielle Vorteile für verheiratete Paare und finanzielle Benachteiligungen von Konkubinatspaaren bei den Sozialversicherungen. Konkret:
- Bei der beruflichen Vorsorge und
- bei der Unfallversicherung und
- bei der Militärversicherung werden Ehepaare speziell geschützt oder gegenüber andern Versicherten privilegiert.
- Bei der AHV bekommen Witwen eine Rente, hinterbliebene Konkubinatspartnerinnen dagegen nicht.
- Eine nicht erwerbstätige Verheiratete oder ein nicht erwerbstätiger Verheirateter muss keine AHV-Beiträge zahlen, wenn der Ehegatte oder die Ehegattin genügend verdient.
Das höchste Gericht zeigt sich überzeugt, dass eine Aufhebung der «Heiratsstrafe» bei den AHV-Renten (Maximalrente nur 150% statt 200%) nicht zu einer Gleichbehandlung führen würde, sondern vielmehr zu neuen Ungleichheiten – und einer weiteren finanziellen Bevorzugung der verheirateten Paare.
Der CVP ist dies offensichtlich egal. Sie will gleichzeitig mit ihrer Initiative an den finanziellen Privilegien von Verheirateten festhalten. Im Klartext: Sie will Verheiratete künftig noch mehr bevorteilen als bereits heute.
Medien stellen Heiratsstrafe für gegeben dar
Selbst seit dem Bundesgerichtsurteil von Ende 2013 reden die meisten Medien von Heiratsstrafe, ohne dieses Wort wenigstens in Anführungszeichen zu setzen. Sie übernehmen damit die vom Bundesrat, der CVP und andern vorgegebene Sprachregelung und wecken den Eindruck, dass die Heirat tatsächlich finanziell bestraft wird.
In ihren Berichten über den Ständeratsentscheid vom 18. März 2015 schreiben fast alle Medien von Heiratsstrafe, wiederum ohne Anführungszeichen, und ohne über das Bundesgerichtsurteil zu informieren.
Obwohl die «Heiratsstrafe» in allen Medien immer wieder ein grösseres Thema war, hatten weder die SRF-Tagesschau um 19.30 noch die NZZ Ende 2013 über das Urteil des Bundesgerichts informiert. Dem Tages-Anzeiger und Bund war es ganze 16 schmale Zeilen wert. Als einzige der grösseren Zeitungen hatte das St. Galler Tagblatt ausführlicher über das Urteil berichtet, aber mit dem absurden Titel «Bundesrichter halten an Heiratsstrafe fest».
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Urteil 9C_383/2013 vom 6. Dezember 2013, veröffentlicht am 26. Dezember.
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Siehe auch
- «Tagesanzeiger und Bund halten an Heiratsstrafe fest» vom 19.1.2014
- «Einige Familienmythen begraben» vom 30.4.2014
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist nicht verheiratet.
Unbeschadet von Ideologien, die beim Thema Ehe und Familie immer mitspielen, sei es im Katholizismus oder in der homosexuellen Zivilreligion, muss Schwindel als Schwindel bezeichnet werden, sollen die systemrelevanten Fakten mit Zahlen auf den Tisch gelegt werden. In Fragen der Gesundheits- und Sozialpolitik gehört Infosperber zu den sicheren Werten in der Schweizer Politik, ist für den regelmässigen Leser oder die Leserin, ein Abonnement wert, selbst wenn man vielleicht nur mit 50% einverstanden wäre. Zumal Urs P. Gasche bestätigt mit fast jedem Beitrag, dass es nicht genügt, eine «mutige» Meinung zu haben, sondern dass das Verständnis der Gegenwart von sorgfältig zu erschliessenden Fakten ausgehen sollte.
Es gibt leider diese Heiratsstrafe immer noch. Dass das Bundesgericht insgesamt die Vor- und Nachteile als ausgewogen klassifiziert, ist für den Einzelfall wenig bedeutend, weder für verheiratete noch für unverheiratete Paare.
Es sollte doch endliche einmal möglich sein, ein System zu etablieren, das vom «Ehepatent» unabhängig ist. Einfach gerecht oder möglichst gerecht.
Als Wenigverdienende hätten wir im Alleinerziehenden Status weniger Steuern (im Klartext gar keine…) bezahlt. Verwittwet waren wir glücklicherweise bis dato nicht und als AHV-Rentner werden wir wegen dem «Ehediplom» mit einer Reduktion bestraft.
Die Summe der ausgleichenden Ungerechtigkeit ist keineswegs eine taugliche Grundlage. Leider ist dies auch der CVP-Ansatz nicht.
Es müsste doch möglich sein, eine für alle nachvollziehbare Besteuerung und Berentung zu finden.
Der Status quo ist ungerecht, der CVP-Vorschlag löst das Problem nicht tiefgreifend genug und die Kritik von UPG ist zu oberflächlich.
Zu heiraten kann heute wirklich nicht ernsthaft empfohlen werden.