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Prominente Wissenschaftler, aber (noch) wenig Gehör in der Politik: kontrapunkt © kontrapunkt

Auch Wissenschaftler fordern Steuerehrlichkeit

Christian Müller /  Nicht alle Wissenschafter arbeiten im Elfenbeinturm. Manche wenden sich auch konkret an die Öffentlichkeit. Werden sie auch gehört?

Die Hochschulprofessoren Philippe Mastronardi (St. Gallen), Peter Ulrich (St. Gallen) und Jean-Daniel Delly (Genf) fordern in einem als Manifest bezeichneten Aufruf die schweizerische Öffentlichkeit auf, in Sachen Steuerflucht endlich umzudenken. Wörtlich schreiben sie:

«Die im Netzwerk «kontrapunkt» vereinigten, hier als erste unterzeichnenden Wissenschaftlerinnen und Universitätslehrer sind besorgt über den internationalen Ansehensverlust und die wachsende Isolation der Schweiz wegen ihrer zögerlichen Haltung in der Bekämpfung der Steuerflucht. Sie fordern einen Perspektivenwechsel der Politik zugunsten der Steuerehrlichkeit sowohl gegenüber dem Ausland als auch im Inland.

Seit Jahren steht die Schweiz wegen ihrer mangelnden Kooperationsbereitschaft im Kampf gegen die Steuerflucht unter dem Druck multilateraler Behörden wie der OECD und auch befreundeter Regierungen. Sie reagiert fast immer verspätet auf legitime ausländische Forderungen nach verschärften Bekämpfungsmassnahmen – und daher meistens ohne tragfähige Konzeption. Mal für Mal handelt sich unser Land neuen Reputationsschaden ein. Heute steht die schweizerische Wirtschaftsdiplomatie international mit dem Rücken zur Wand. Die allzu lange dauernde Rücksichtnahme auf Banken, die ihr Geschäftsmodell unter anderem auf die passive oder sogar aktive Beihilfe zur Steuerhinterziehung und damit zur Prellung ausländischer Staaten ausgerichtet haben, hat uns aussenpolitisch in die Sackgasse geführt.»

… auf Kosten der ehrlichen Steuerzahler

Und weiter unten im Manifest wird aufgelistet:

«Ein fairer, d.h. chancengleicher und auf wirtschaftlicher Leistung beruhender globaler Standortwettbewerb erfordert die Einhaltung internationaler Spielregeln. Dazu gehört zweifellos der koordinierte Kampf gegen die Steuerflucht und gegen Steueroasen. Denn die Protektion von Steuerhinterziehern durch einzelne Staaten
• verletzt die Grundsätze der vollständigen Erfassung und gleichmässigen Belastung des Steuersubstrats auf Kosten der ehrlichen Steuerzahler (Gerechtigkeitsaspekt),
• verzerrt den leistungsorientierten Standortwettbewerb und erschwert damit die strukturelle Gesundung der krisengeschüttelten Volkswirtschaften (wettbewerbspolitischer Aspekt),
• unterhöhlt die Steuerbasis der Staaten, die wohl noch auf viele Jahre hinaus finanzpolitisch unter der Bankenkrise und den nötigen Sanierungsmassnahmen leiden (fiskalpolitischer Aspekt)
• und missachtet die steuerliche Souveränität anderer Staaten (völkerrechtlicher Aspekt).

Die Souveränität der Schweiz ist ein Gut von höchstem Wert. Wir können aber nicht einseitig auf die Souveränitätsrechte unseres Landes pochen ohne die gleiche Souveränität aller anderen Rechtsstaaten anzuerkennen. Gerade die Souveränität der Schweiz als Kleinstaat beruht allein auf dem Prinzip der gleichberechtigten Anerkennung aller Staaten untereinander. Dieses Prinzip verletzt die Schweiz seit Jahrzehnten: Mit der Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug (und der Beschränkung der internationalen Rechtshilfe auf Letzteren) unterläuft sie die Steuerautonomie anderer Staaten, indem sie steuerflüchtigem Kapital «Finanzasyl» bietet. Dadurch sowie durch weitere unfaire Anreize, namentlich die Steuerprivilegien für ausländische Holdinggesellschaften, wird systematisch Steuersubstrat fremder Staaten abgeschöpft. Statt international bei der Bekämpfung der Steuerflucht zu kooperieren, hat die Schweiz der Steuerflucht bisher in höchst eigennütziger Weise Vorschub geleistet.»

Über 30 weitere Wissenschaftler und andere namhafte Persönlichkeiten haben den Aufruf unterzeichnet. Er ist einsehbar nicht nur auf der Website des Netzwerkes kontrapunkt, er ist auch zum Beispiel im «Sonntag» vom 17. Februar 2013 veröffentlicht worden. Aber nimmt die Politik von diesem Aufruf namhafter Wissenschaftler auch wirklich Kenntnis?

Was man in der Schweizer Polit-Landschaft beobachten kann: Rückzugsgefechte bis zum «Geht-nicht-mehr». Von einer konstruktiven Strategie der Schweiz, um aus der Politik des mentalen Reduits herauszukommen, ist nach wie vor kaum etwas zu erkennen.

Zum vollständigen Manifest und den Namen der Mitunterzeichner, hier anklicken.


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Eine Meinung zu

  • am 18.05.2013 um 11:10 Uhr
    Permalink

    Klare wissenschaftliche Stellungnahme gegen das Steuerhinterziehungsregime der Schweiz, und dieses Mal aus liberaler Sicht. Die wichtigste Frage fürs Weiterkommen in dieser Sache: Welche Parteien stützen weiterhin dieses Ungerechtigkeits-Regime?

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