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Kommentar von Caster Semenya zur geplanten Testosteron-Regel. © cc

«Man will den weiblichen Körper kontrollieren»

Barbara Marti /  Mittelstreckenläuferin Caster Semenya muss Hormone schlucken, wenn sie im Herbst an der Weltmeisterschaft teilnehmen will.

Die mehrfache Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Afrikameisterin hat von Natur aus einen erhöhten Wert des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in ihrem Körper. Der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) will sie deshalb zwingen, Hormone zu schlucken, um diesen Wert zu senken. Dagegen hat Semenya Klage eingereicht. Diese hat jetzt am 1. Mai der Internationale Sportgerichtshof (CAS) mit 2:1 Stimmen abgewiesen.

Diskriminierende Testosteron-Regel
Die Testosteron-Regel sei zwar diskriminierend, liess das dreiköpfige Gericht mitteilen. Doch die Mehrheit des Gremiums beurteilte sie «als notwendiges, zumutbares und angemessenes Mittel», um die Integrität der Frauen-Wettbewerbe zu bewahren. Semenya kann gegen das Urteil Berufung beim Bundesgericht einlegen.

Obergrenze einzig für Läuferinnen
Eine erste Testosteron-Regel hatte der Sportgerichtshof bereits vor vier Jahren aufgehoben. Es fehle ein wissenschaftlicher Beweis für einen grossen Leistungsunterschied. Darauf gab der Leichtathletik-Weltverband selber eine Studie in Auftrag, die einen Leistungsunterschied feststellte. Dieser war allerdings für Hammerwurf und Stabhochsprung deutlich grösser als für die Mittelstrecken. Trotzdem beschloss der Verband letztes Jahr erneut eine Testosteron-Obergrenze ausschliesslich für Mittelstrecken-Läuferinnen.

Unwissenschaftliche Studie
Fachleute kritisierten schon damals, dass die Studie des Leichtathletik-Weltverbandes gravierende methodische Mängel habe und wissenschaftlichen Kriterien nicht genüge. Testosteron sei nicht der Haupt-Indikator für das Geschlecht und für die Leistungsfähigkeit, schrieben kürzlich die Medizinerinnen Sheree Bekker (University of Bath) und Cara Tannenbaum (University of Montreal) in einem Beitrag für die Fachzeitschrift «British Medical Journal»: «Männer haben normalerweise einen höheren Testosteronwert als Frauen – aber nicht immer.» Es gebe Männer mit tieferen und Frauen mit höheren Werten. Für die sportliche Leistung sei er nicht allein ausschlaggebend.

«Natürlicher Vorteil»
Der Leichtathletik-Weltverband wolle den weiblichen Körper kontrollieren und dies ausgerechnet mit dem Verweis auf das Fair Play. Bekker: «Frauen müssen nicht beschützt werden vor anderen Frauen wie Männer nicht vor anderen Männern beschützt werden müssen.» Die Medizinerinnen warnen vor einem gefährlichen Präzedenzfall. Historische Erfahrungen lehrten, dass Entscheide über genetische Fragen zwingend auf objektiven und wissenschaftlich überprüfbaren Daten beruhen müssen. Ein höherer Testosteronwert sei ein natürlicher Vorteil, wie es auch andere gebe: «Kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem wir grossen Leute verbieten, Basketball zu spielen, oder Schwimmerinnen mit langen Armen verbannen? Dies sind auch genetische Vorteile.»

«Caster ist eine Frau»
Unterstützung erhält Caster Semenya auch aus der Politik. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat die Testosteron-Regel kürzlich in einer einstimmig beschlossenen Resolution verurteilt. Diese fordert die Regierungen auf sicherzustellen, dass Athletinnen nicht «unnötige, demütigende und schädliche medizinische Abläufe» über sich ergehen lassen müssen. Die südafrikanische Uno-Botschafterin Nozipho Joyce Mxakato-Diseko sagte der Nachrichtenagentur AFP: «Caster ist eine Frau. Ihr kann niemand sagen, dass sie auf der Basis von dubiosen wissenschaftlichen Beweisen keine Frau sei.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitung «FrauenSicht».

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