Chiara Leone Siegerin mit dem Kleinkalibergewehr Eurosport

Die Schweizerin Chiara Leone wird in Paris Siegerin mit Kleinkalibergewehr. © Eurosport

Männer wollen von Frauen im Schiessen nicht blamiert werden

upg. /  In den Schiess-Disziplinen durften Frauen an der Olympiade nicht zusammen mit Männern antreten. Es gibt einen einleuchtenden Grund.

Infosperber fragte den Schweizer Schiesssportverband

«In Paris schiessen Männer und Frauen ja getrennt und offensichtlich bei Wettbewerben auch in der Schweiz. Welche Gründe gibt es dafür, dass Männer und Frauen an Wettbewerben nicht gemeinsam antreten? So wie etwa beim Reiten?»

Es folgte eine kurze, aber erhellende Antwort:

«Der Grund der Geschlechtertrennung ist, dass die Frauen in der Regel höhere Resultate schiessen, als die Männer. Was auch auf den Ranglisten ersichtlich ist.»

Im Klartext: Männer würden es nicht ertragen, dass sie ausgerechnet im Schiessen von den Frauen meistens geschlagen würden.

Beim Reiten ist es anders. Nur in der Disziplin der Dressur lagen in der Rangliste der Olympischen Spiele fünf Frauen vor dem ersten Mann. In den Disziplinen des Springens und der Vielseitigkeit gewannen Männer Gold und Silber, eine Frau gewann Bronze.

In welchen Sportarten getrennte Kategorien geführt werden und aufgrund welcher Kriterien, wirkt ein bisschen willkürlich. Beim Schwimmen etwa gewinnen fast nur Weisse. Es käme niemandem in den Sinn, getrennte Rennen für Schwarze durchzuführen.

Bei 10’000-Meter-Langstreckenläufen gewinnen überwiegend Schwarze. Es käme niemandem in den Sinn, Weiss getrennt laufen zu lassen.

Doch im Schiessen dürfen Männer getrennt antreten.

Präzedenzfall Tontaubenschiessen

Der «Tages-Anzeiger» erinnerte kürzlich daran, dass bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona eine Frau gegen 200 Männer Olympia-Gold gewann. Bei den nächsten Spielen im Jahr 1996 wurden die Frauen vom Tontaubenschiessen ausgeschlossen. Im Jahr 2000 dann durften die Frauen wenigstens getrennt teilnehmen.
Seither gibt es keine gemischten Einzelwettkämpfe mehr.


Werden Männer für weniger Disziplin belohnt?

Fritz Ryser
Fritz Ryser, Trainer u.a. von Gina Gyger, im Schweizer Fernsehen

Im Schweizer Fernsehen hatte Fritz Ryser, Trainer der Sportschützen Winistorf SO, erklärt, warum Mädchen und junge Frauen das Schiessen schneller lernen als Burschen. Auf Nachfrage von Infosperber ging der langjährige Trainer näher darauf ein:

Schneller lernen:

  • Vor allem in lokalen Leistungszentren ist mir aufgefallen, dass der Durchhaltewille bei den Mädchen viel grösser ist.
  • Der Kampf mit der eigenen Leistungserwartung ist realistischer.
  • Die Mädchen musste ich meistens stoppen und sie zu Pausen zwingen! Sie wollten immer eine Extraschicht einlegen.
  • Die Jungs waren da schon viel gemütlicher. Ein Fehlschuss wurde hingenommen, bei den Mädchen löste das meistens eine Reaktion (Korrektur) aus.

Disziplin:

  • Bis vor drei Jahren war das Programm im Dreistellungswettkampf für die Männer noch 3 x 40 Schuss (kniend-liegend-stehend).
  • Daher machte es Sinn, dass Frauen (3x 20 Schuss) ihren Wettkampf getrennt ausführen.
  • Auch im Luftgewehr gab es über Jahre eine Schusszahldifferenz (60 bei den Männern, 40 bei den Frauen).
  • Im 300m-Bereich wurden die Disziplinen an internationalen Wettkämpfen teilweise zusammengelegt. Da aber mehr aus Gründen der schwindenden Teilnehmerzahlen.
  • Grundsätzlich sind die Trennungen international geregelt. So werden auch die Wettkämpfe an den Schweizer Meisterschaften ausgetragen. An kantonalen Anlässen oder anderen Wettkämpfen wird meistens nur eine Rangliste erstellt.

Kann ein Grund sein, dass es Männer nicht ertragen, ausgerechnet im Schiessen von Frauen geschlagen zu werden?

  • In der Nachwuchsausbildung ist das schon ein Thema. Im Kantonalkader oder höher habe ich das noch nie erlebt. Natürlich werden Witze gemacht.
  • International sind vor allem in der Luftgewehrdisziplin die Frauen mit höheren Resultaten in den Ranglisten. In der Schweiz ist das noch krasser! Mit dem Luftgewehr ist alles etwas filigraner und daher sind die Frauen da auch etwas im Vorteil. Mit Kraft und «Murgs» geht da nichts. 
  • Am diesjährigen Regionalsport-Feldschiessen wollte der Bezirksverband erstmals zwei getrennte Einzelranglisten (Herren, Damen) führen. Als mir das bekannt wurde, habe ich bei unseren Frauen nachgefragt und sie darauf aufmerksam gemacht. Sie haben dann den Bezirksvorstand gezwungen, davon abzusehen! 

Meine persönlichen Erfahrungen:

  • Wenn vier Knaben und vier Mädchen gleichzeitig mit dem Schiesssport beginnen, so werden zwei Jahre später ein Knabe und drei Mädchen noch dabei sein. 
  • Die Erfolgsquote ist höher, wenn Geschwister dabei sind. Die Schwester reisst den Bruder mit.
  • Bei den Knaben ist die Gefahr zum «Ballern» (Filmszenen) viel grösser. So was habe ich bei einem Mädchen noch nie erlebt.
  • Die Mädchen sind grundsätzlich ruhiger und haben den Fokus auf einen einzelnen Schuss schneller im Griff.
  • Es braucht bei den Mädchen mehr, dass die eigene Stimmung in den Keller geht. Die Aufmunterung ist dann aber schwieriger als beim Knaben. Dieser versucht es einfach wieder. Die Mädchen wollen wissen, warum es jetzt nicht geklappt hat.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Gleiche Rechte für Frauen und Männer

Gleichstellung und Gleichberechtigung: Angleichung der Geschlechter – nicht nur in Politik und Wirtschaft.

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