Kommentar

Fussball-WM in Katar: Geld gegen Geld

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsPedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Er interessiert sich für heisse Fussballspiele in kühlen ©

Pedro Lenz /  Wir Fans können jetzt entspannt zusehen, wie sich die Reichen gegenseitig bekämpfen.

Viel zu lange sind wir einfachen Fussballfans davon ausgegangen, die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft für das Jahr 2022 in den Wüstenstaat Katar sei bloss aus unserer Sicht problematisch. Wir dachten, in dieser Frage stünden sich zwei unversöhnliche Ideologien gegenüber.
Auf der einen Seite standen wir Fussballfans, denen es um das Spiel an sich geht. Wir argumentierten, in einem Land, in dem weniger die Bälle als vielmehr die Menschenrechte mit Füssen getreten werden, und in dem die hohen Temperaturen kein schnelles Spiel zulassen, sei eine Weltmeisterschaft schlecht aufgehoben.
Auf der Gegenseite, so nahmen wir bisher an, stünden alle Geldgierigen, die den einstigen Arbeitersport längst zur Geldmaschine pervertiert haben und keine Rücksicht auf sportliche oder menschliche Befindlichkeiten nehmen. Folglich sah es lange so aus, als würde die WM 2022 in Katar einfach durchgezogen, weil so ein Turnier ja nicht von uns Fans, sondern von der Fifa organisiert wird.
Da jedoch der Protest hartnäckig war und selbst die Verantwortlichen der Fifa irgendwann einsahen, dass es in Katar im Sommer kaum möglich sein würde, suchte die Fifa nach einer Kompromisslösung. Die Stadien hätte man vielleicht noch auf erträgliche Temperaturen herunterkühlen können, aber die Millionen von Fans, die vor den Spielen stundenlang vor den Stadien hätten warten müssen, wären wohl reihenweise umgekippt.
Deswegen schlug die Fifa vor, das Turnier im November und Dezember durchzuführen. Dass Endrunden von Fussball-Weltmeisterschaften seit 1930 immer im Sommer stattgefunden haben, schien die Fifa nicht zu kümmern. Auch dass der Spätherbst zum Beispiel in Europa kein idealer Zeitpunkt ist, um so einen Grossanlass draussen auf Grossleinwänden in geselliger Runde zu verfolgen, schien niemanden zu interessieren.
Was kratzt es die Mächtigen, wenn das Fussvolk wegen Katar einen Katarrh riskiert? Die Fans von der Strasse, so dachten wohl die Zuständigen im Weltverband und die Scheichs in Katar, die sollen mal über ihre eigenen Schatten springen und offen werden für etwas Neues.
Doch nun melden sich die grossen Fussball-Ligen aus England, Italien, Spanien und Deutschland zu Wort. Diese Ligen, die ähnlich wie die Fifa längst zu unermesslichen Geldmaschinen geworden sind, fürchten um ihre Millionengewinne. Ein WM-bedingter Unterbruch des Ligabetriebs im November würde für die Ligen und Vereine unermessliche Einnahmenverluste zur Folge haben. Ähnliche Ängste plagen auch den europäischen Fussballverband Uefa. Dieser müsste auf die Gelder aus den Champions-League-Begegnungen verzichten, wenn ab November 2022 alle Stars in der Wüste weilen.
Aus dem ungleichen Zwist zwischen uns machtlosen Fans und dem mächtigen Fussball-Weltverband ist demnach ein Konflikt zwischen den Geldmaschinen in Europa und der Fifa geworden. Zudem beginnen nun auch erste Wintersportverbände darüber zu diskutieren, wie stark eine Fussballweltmeisterschaft, die im Dezember entschieden wird, zur Konkurrenz für den Schnee- und Eissport werden könnte.
Wir gewöhnlichen Fussballfans können uns jetzt getrost zurücklehnen. Wir brauchen keine LeserInnenbriefe mehr zu schreiben. Wir müssen nicht mehr in Foren und an Stammtischen über die Fifa schimpfen und betonen, wie gedankenlos es war, die Weltmeisterschaft an ein Land zu vergeben, das aus politischen, sozialen, sporthistorischen, klimatischen und sportlichen Gründen völlig ungeeignet ist, ein solches Turnier durchzuführen.
Wir Fans können entspannt zusehen, wie sich die Reichen gegenseitig bekämpfen. Bis sie sich allenfalls auf eine befriedigende Lösung einigen, trösten wir uns damit, dass der gewöhnliche Fussball, völlig losgelöst von dieser Debatte, immer und überall gespielt und gelebt wird.

Dieser Beitrag erschien in der WochenZeitung WoZ vom 26.2.2015


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Pedro Lenz ist Schriftsteller und lebt in Olten. Er interessiert sich für heisse Fussballspiele in kühlen Weltgegenden.

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2 Meinungen

  • am 9.03.2015 um 14:11 Uhr
    Permalink

    Ganz so machtlos sind die Fans wohl nicht. Sie liefern ja das Geld!
    Selber Fussball spielen und nur noch lokal überschaubare Grümpelturniere berücksichtigen würde schnell Wirkung zeigen, wenn die Fans sich einig wären…
    (Man merkt, ich bin nicht Fussball-Fan 🙂 und habe nur mit Betriebskollegen geschützt. Aber ich habe im Segeln Spitzensport betrieben, das Zuschauen überliess ich und überlasse ich immer noch den anderen.

  • am 9.03.2015 um 15:05 Uhr
    Permalink

    » geschützt» – das sollte «getschutet» heissen – Autokorrekturteufel 🙁

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