Caster Semenya nach Zwangs-Hormonkur am Start
Die umstrittenen Geschlechtstests bei Frauen lässt nach dem Leichtathletik-Weltverband (IAAF) auch das Internationale Olympische Komitee (IOK) wieder zu. Dies geht aus einem neuen Reglement hervor, welches das Internationale Olympische Komitee (IOK) kurz vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Massgebend soll der Level des männlichen Hormons Testosteron sein.
Auch bei Männern ganz unterschiedliche Testosteron-Werte
Die Wissenschaftlerinnen Rebecca Jordan-Young (Columbia University) und Katrina Karkazis (Stanford University) kritisierten in der «New York Times» Geschlechtstests nur bei Frauen. Diese seien immer diskriminierend. Männer würden nicht getestet, obwohl bei ihnen die Unterschiede bei den Testosteron-Werten, welche die Leistung bestimmen, gross seien.
Es verletze die Intimsphäre von Frauen, wenn sie wie Dopingsünderinnen getestet und wegen eines erhöhten Testosteron-Wertes suspendiert werden können. Es gebe keine wissenschaftliche Methode, um eine klare Trennlinie zwischen Frauen und Männern zu ziehen.
So sei beispielsweise umstritten, wann ein Testosteron-Wert bei einer Frau als zu hoch gelte. Zudem schwanke dieser je nach Tageszeit, Alter, sozialem Status und körperlicher Fitness. Frauen mit erhöhtem Testosteron-Wert würden zwar oft bessere Leistungen erbringen, aber nicht zwingend Spitzenleistungen. Gegenüber Intersexuellen fördere ein Geschlechtstest Vorurteile.
Fahnenträgerin als politisches Zeichen
Seit 1999 hatten die Sportverbände Geschlechtstests nur noch in Einzelfällen durchgeführt. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hat als erster Sportverband solche Tests wieder eingeführt. Auslöser war der Fall von Caster Semenya, die nach ihrem überraschenden Sieg an der WM 2009 suspendiert worden war. Sie musste sich einem Geschlechtstest und einer Hormonbehandlung unterziehen und durfte erst nach einem Jahr Zwangspause wieder starten.
An der Eröffnungsfeier in London war Caster Semenya Fahnenträgerin. Das südafrikanische olympische Komitee wollte damit ein politisches Zeichen setzen. Die Debatte um das Geschlecht der Sportlerin hatte seinerzeit weltweit für Aufsehen und in Südafrika für Empörung gesorgt.
Obergrenze für Testosteron nur bei Frauen
Im Unterschied zu früher erheben die Sportverbände nicht mehr den Anspruch zu definieren, wer eine Frau ist. Stattdessen legen sie einen bestimmten Level des männlichen Hormons Testosteron fest. Dieses erhöht in vielen Disziplinen die Leistungsfähigkeit. Die Testosteron-Werte von Männern sind grundsätzlich höher als diejenigen von Frauen. Es gibt aber auch Frauen, die von Natur aus einen erhöhten Testosteron-Wert haben. Die festgelegte Obergrenze dürfen Frauen nun nicht mehr überschreiten.
Arne Ljungqvist, Chef der Medizinischen Kommission des IOK, geht davon aus, dass in London keine Tests gemacht werden müssen. Das neue Reglement fordere die nationalen olympischen Komitees nämlich auf, keine Athletinnen mit zu hohen Testosteron-Werten zu selektionieren. Das IOK ignoriere nicht, dass es intersexuelle Menschen gebe. Es sei aber unfair, sie bei Frauen-Wettkämpfen starten zu lassen.
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Olympics Sex Test: Why the Olympic sex test is outmoded, unnecessary and even harmful. Aus Journal of the American Medical Association, July 17, 1996, vol. 276, no. 3, pp. 177-178
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht»