800-Meter Frauen in Rio: Kein Geschlechtstest
Die südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya hat im Frühjahr bei den südafrikanischen Leichtathletik-Meisterschaften drei Goldmedaillen gewonnen. An den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro wird sie voraussichtlich nur über 800 Meter an den Start gehen. Sie hat gute Chancen auf Olympia-Gold. Ihr Start ab dem 17. August wird die Diskussionen um Geschlechtstests neu aufflammen lassen. Nach einer Hormonbehandlung, Knie-Problemen und Spekulationen um ihre Beziehung zu einer Frau waren ihre Leistungen in den letzten Jahren vorübergehend etwas schlechter geworden. Doch nun läuft sie auf ihrer Paradestrecke wieder Weltjahresbestzeit.
Geschlechtstest nach WM-Gold
Die heute 25-Jährige hat von Natur aus einen erhöhten Wert des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in ihrem Körper. 2009 gewann sie überlegen an der Weltmeisterschaft über 800 Meter. Kurz darauf kamen Gerüchte auf, die kräftige Läuferin sei gar keine Frau. Für die junge Leichtathletin begann eine aufwühlende Zeit. Sie musste sich einer umfassenden Geschlechtsuntersuchung unterziehen. Boulevard-Medien veröffentlichten Ergebnisse. Semenya wurde suspendiert und musste sich einer Hormonbehandlung unterziehen. Danach durfte sie wieder starten. 2011 gewann sie an der WM Silber und 2012 holte sie an den Olympischen Spielen ebenfalls Silber über 800 Meter.
Zwang zur Hormontherapie
2011 hatte der Leichtathletik-Weltverband beschlossen, bei Zweifeln das Geschlecht allein anhand des Testosteron-Wertes im Blut zu bestimmen. Das Internationale Olympische Komitee übernahm diese Testosteron-Regel ein Jahr später. Danach durften Frauen, die einen bestimmten Testosteron-Level überschritten, nicht bei den Frauen starten. Betroffene Athletinnen mussten sich einer Hormontherapie unterziehen oder den Nachweis erbringen, dass ihr Testosteron-Wert ihr Leistungsvermögen nicht beeinflusst.
Erfolgreiche Klage
Den Zwang zur Hormontherapie akzeptierte die indische Sprinterin Dutee Chand nicht: «Ich empfinde es als falsch, meinen Körper zu verändern, um beim Sport teilnehmen zu dürfen.» Sie klagte erfolgreich gegen den Ausschluss von Wettkämpfen wegen des erhöhten Testosteron-Wertes in ihrem Körper. Der Internationale Sportgerichtshof entschied letztes Jahr, die Testosteron-Regel bis Sommer 2017 auszusetzen. Eine Expertise soll bis dahin klären, ob Frauen mit erhöhtem Testosteron-Wert sportlich bevorteilt sind. Wenn es dafür keinen Beweis gibt, soll der Testosteron-Test definitiv abgeschafft werden.
Unterschiede auch bei Männern
Laut dem «Tages-Anzeiger» hat eine britische Studie an 500 Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern gezeigt, dass 5 Prozent der Athletinnen den Testosteron-Wert der Athleten erreichen. Doch auch bei den Männern stellte das Forschungsteam Unterschiede fest. So unterschritten 16,5 Prozent der Athleten den Minimalwert für Männer und fast zwei Prozent fielen in den definierten Wert für Frauen. Diese Männer hatten alle an Olympischen Spielen teilgenommen. Hätte die Testosteron-Regel auch für Männer gegolten, hätten diese Athleten wohl nicht bei den Männern starten dürfen. Fachfrauen kritisieren seit langem, dass Männer nicht getestet werden, obwohl ihre Testosteron-Werte auch unterschiedlich gross sind. Geschlechtstests nur für Frauen seien diskriminierend. Eine Frau, die äusserlich weniger weiblich aussehe, dürfe nicht deswegen unter Betrugsverdacht gestellt und ihre Identität als Frau in Zweifel gezogen werden.
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Dieser Beitrag erschien auf Frauensicht.ch
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Barbara Marti ist Herausgeberin und Redaktorin des führenden Portals für engagierte Frauen und Männer Frauensicht.
Das wäre toll, wenn Männer, die zu wenig Testosteron «auf die Waage» bringen, bei den Frauen Medaillen abräumen dürften! Hier bewegt sich die Gender-Ideologie der Geschlechtervielfalt in die Zone des Eigentors. Nicht genannt in der Debatte wurden die beiden Sowjetschwestern Irina und Tamara Press, welche Olympia in Rom dominierten (1960), mir noch erinnerlich. Weil sie sich weigerten, Geschlechtskontrolle transparent zu machen, wurden sie später aus dem Verkehr gezogen. Mitleid hielt sich in Grenzen.
Eine echt tragische und ernste Geschichte ist die Lebensgeschichte von Erik Schinegger, Abfahrtsweltmeisterin in Chila als Erika. Sie musste ein Grundstück, das ihr ihre Heimatgemeinde als Auszeichnung schenkte, wieder zurückgeben und hatte, wie viele Wanderer zwischen den Welten ein nicht gerade glückliches Leben, bzw. sie ist noch am Leben meines Wissens. Nach gerichtsmedizinischen Knochenauswertungen war auch der berühmte Arzt und Alchemist Theophrastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, eine Art Zwischenwesen, was seine mutmasslich vollständige sexuelle Abstinenz erklärt. Er ist der Schöpfer von Begriffen wie Frauenherz, Frauenhirn, Frauengeist und «fräuische Arznei» und in mancher Hinsicht, jedoch noch weitgehend frei von Ideologie, eine Art Urahn der Genderforschung. Hielt ihn aber nicht davon ab, erst recht nicht, die Möglichkeit von besonderen Fähigkeiten von «Hexen» zu erörtern. Das angesprochene Problem wäre im Mittelalter in Form des Hexenprozesses bewältigt worden.
@Pirmin. Ich warte noch immer auf Ihre Antwort auf meinen persönlichen Brief.