Uber kann sich Angestellte leisten – sagt der CEO
Uber hat es mit den Sozialstaaten dieser Welt aufgenommen. Der US-Fahrdienstvermittler kämpft derzeit in diversen Ländern gegen geltendes Arbeitsrecht. Statt seine FahrerInnen und Kuriere anzustellen, arbeiten diese vornehmlich als Selbständige. Damit spart sich Uber Sozialabgaben, die Beschäftigten tragen alle sozialen Risiken selbst. Auf diese Weise steigert der Konzern seine Gewinne mutmasslich um Millionen.
In den USA gelingt es dem Unternehmen bislang mehrheitlich, dank Millionenausgaben für Anwälte und Lobbyisten, die Arbeitsrechtler zurückzudrängen. Nicht so in Europa: Hier scheint sich das Blatt zu wenden. In Grossbritannien verfügte der Surpreme Court, das höchste Gericht des Königreichs, dass die rund 70’000 Fahrerinnen und Fahrer vor dem Gesetz als «Arbeiter» gelten müssten. Dieser Status sieht zwar nicht die vollen Sozialleistungen eines Angestellten vor, berechtigt aber zu einem Mindestlohn, Ferien und einer Altersvorsorge. Noch weiter ging Spanien, das im verrgangenen Jahr ein neues Gesetz erliess, wonach Fahrdienstvermittler ihre Fahrerinnen und Fahrer anstellen müssen. Die EU erwägt nun, dieses «Gig-Economy-Gesetz» zu übernehmen. Zudem wird die Luft für Uber auch in der Schweiz dünner. Nach einem Entscheid des Zürcher Sozialversicherungsgerichts verdichten sich die Anzeichen, dass die Praxis in der Schweiz nicht als rechtmässig eingestuft wird. Und eine Gesetzesanpassung im Sinne Ubers und der Gig-Economy will der Bundesrat nicht.
Brisant ist vor diesem Hintergrund das Youtube-Video, auf welches das amerikanische Online-Magazin «The Intercept» Ende letzter Woche aufmerksam gemacht hat. In einem Gespräch mit der UBS, das sich an Investoren richtet, sagt Uber-CEO Dara Khosrowshahi unverblümt: «Wir können uns jedes Modell leisten.» Wirtschaftlich gehe die Rechnung für Uber auch bei einer Anstellung der Fahrerinnen und Fahrer auf. Khosrowshahi verweist auf Spanien, wo das Geschäft trotz der rigideren gesetzlichen Vorschriften im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen sei. «Auch die EBITDA-Margen liegen sehr nahe an unseren langfristigen Gesamtmargen». Damit ist die Umsatzrendite des Unternehmens gemeint. Statt die Uber-Fahrerinnen und Fahrer sowie die Uber Eats-Kuriere direkt anzustellen, arbeitet das Unternehmen in Spanien mit Subunternehmen zusammen, damit es das neue Arbeitsgesetz einhält. Ebenfalls über Partnerfirmen operiert Uber Eats in Genf – ein gesetzeskonformes Modell, dass die Gewerkschaften gutheissen.
Die Aussagen des Uber-CEO’s sind darum erstaunlich, weil Uber alleine in den USA Millionen von Dollars für den Kampf gegen Reformen des Arbeitsrechts investiert. In Staaten wie Illinois, Massachusetts oder New York werden solche Reformen diskutiert oder sind schon geplant. In den USA ist die sogenannte Gig Economy, bei der Arbeitgeber über Online-Platformen oft kleine Aufträge ausschreiben, weiter entwickelt als in Europa. Gemäss «The Intercept» sind dort etwa 59 Millionen «Gig-Arbeiterinnen und -arbeiter» tätig. Sie alle sind nicht gegen soziale Risiken versichert. Die Abgaben für Unternehmen sind in den USA tendenziell höher als in Europa, da in den USA auch die Krankenversicherung an eine Anstellung gekoppelt ist.
Angeblich kämpft Uber für seine FahrerInnen
Bis anhin argumentierte Uber in der Frage fast ausschliesslich juristisch. In Verfahren in der Schweiz hob das Unternehmen beispielsweise hervor, dass Fahrerinnen im eigenen Fahrzeug und unter eigenem Namen tätig sind. Uber biete keinen Taxidienst an, sondern stelle Fahrerinnen und Fahrer lediglich eine Software zur Verfügung. Auch mache sie betreffend Arbeitszeit keine Vorgaben. Das Zürcher Sozialversicherungsgericht würdigte diese Punkte in seinem Urteil als Anzeichen einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Jedoch überwogen die Argumente, die für eine unselbständige Erwerbsarbeit sprächen: so zum Beispiel das Abhängigkeitsverhältnis der Fahrerinnen (ihre Fahrgäste werden ausschliesslich von Uber «geliefert») sowie deren «Überwachung» mittels Sanktionen und Bewertung von Fahrgästen.
Im nun publik gewordenen Gespräch, das im Rahmen eines «Kamingesprächs» mit der UBS am 14. Dezember 2021 geführt wurde, argumentierte der Uber-CEO nun ganz anders. Khosrowshahi stellte den Kampf des Unternehmens für ein weiches Arbeitsrecht als selbstlosen Einsatz für seine Angestellten dar. «Es ist das, was unsere Fahrer und unsere Kuriere wollen. Sie wollen Flexibilität», sagte er und verwies auf entsprechende Umfragen. Man würde diese Lösung (dass Uber-Fahrerinnen und -fahrer als Selbständige gelten, die Red.) alleine darum bevorzugen, weil die Fahrerinnen und Kuriere sie selbst bevorzugten. In der Schweiz jedoch, wo sich KurierInnen auch schon gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen wehrten, dürfte die Situation eine andere sein.
Mit seinen Aussagen wollte Khosrowshahi vermutlich Investoren beruhigen, die sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen in Europa Sorge um den Aktienkurs des Unternehmens und ihr eigenes Geld machen. Er lieferte nun wohl eher unfreiwillig ein Argument, um die bestehenden Arbeits- und Sozialversicherungsgesetze auch für Vertreter der Gig-Economy durchzusetzen: Niemand muss Angst haben, kein Uber-Taxi mehr bestellen zu können. Und keine Fahrerin und kein Fahrer riskiert, seinen wenn auch schlecht bezahlten Job zu verlieren. Selbst wenn die Gesetze so bleiben, wie sie sind.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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