Nochmals: Die «Heiratsstrafe» ist ein Schwindel der CVP/Mitte
Der Begriff «Heiratsstrafe» ist in der Schweiz der PR-Coup dieses Jahrhunderts. Zuerst die CVP und dann die Mitte gehen damit seit mehr als zehn Jahren auf Stimmenfang. Viele Medien fallen immer noch darauf herein.
Der Trick: Die Mitte pickt bei der AHV willkürlich ein Detail heraus: Verheiratete bekommen nur anderthalb Renten statt zwei volle Renten wie Konkubinatspaare. Dass Verheiratete bei der AHV insgesamt bevorteilt werden, verschweigt die Mitte. Sie macht bezeichnenderweise keine Vorschläge, um die Diskriminierung von Konkubinatspartnern abzuschaffen.
Nach so vielen Jahren sollten dies auch grosse Medien gemerkt haben. Doch sie gehen der Mitte immer noch auf den Leim.
Beispielsweise Andrea Vetsch in der Tagesschau vom 7. Mai: «Ehepaare sind bezüglich Steuern und Renten gegenüber unverheirateten Paare oftmals benachteiligt». Es handle sich um eine «Ungleichbehandlung». Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider durfte die Moderatorin dann wenigstens korrigieren: Für Verheiratete würden die Vorteile der AHV überwiegen. Trotzdem spricht und schreibt SRF ständig von der Heiratsstrafe und setzt das Wort nicht einmal in Anführungszeichen. Die Mitte freut’s. Schon im März 2018 hatte Infosperber kritisert: «Tagesschau verbreitet das Märchen von der ‹Heiratsstrafe›.»
Auch die Zeitungen der Tamedia- und der CH-Media-Gruppe übernahmen am 7. März wieder unbedarft den irreführenden Begriff «Heiratsstrafe» – und setzten ihn ebenfalls nicht in Anführungszeichen. Bereits vor elf Jahren hatte Infosperber kritisiert: «‹Tages-Anzeiger› und ‹Bund› halten die Heiratsstrafe weiter für gegeben, trotz klarem Urteil des Bundesgerichts.»
Das Bundesgericht war am 6. Dezember 2013 zum Schluss gekommen, dass Unverheiratete an die Verheirateten sogar «Solidaritätsbeiträge» zahlen, wenn man alle Sozialleistungen berücksichtige. Man könne deshalb nicht von einer «Heiratsstrafe» reden.
In seinem Bericht «Modernisierung des Familienrechts» nannte der Bundesrat im März 2015 Zahlen: Konkubinatspaare subventionieren die Verheirateten sowie die eingetragenen Partnerschaften mit rund 800 Millionen Franken pro Jahr.
Die «NZZ» fiel nicht herein

Im Februar 2016 berichtete Infosperber: «Die NZZ merkt, was Infosperber schon lange klarstellte». Auf der Titelseite meinte die NZZ: «[Der Begriff] Heiratsstrafe ist einzumotten». Sie schrieb von einem «Etikettenschwindel in der Schweizer Politik». Die Eheschliessung bringe nur bei Wohlhabenden finanzielle Nachteile.
Am 7. März 2025 doppelte die «NZZ» nach. Von einer «Heiratsstrafe» (in Anführungszeichen gesetzt) könne «keine Rede sein». Es stimme zwar, dass pensionierte Ehepaare eine maximale Rente von zusammen 3780 Franken erhalten und Konkubinatspaare 5040 Franken. Doch die «NZZ» weiter:
«Das klingt unfair, und doch wäre es falsch, deshalb auf eine Benachteiligung zu schliessen. Das Gegenteil ist richtig: Gesamthaft findet in der AHV nach wie vor eine Querfinanzierung von Ledigen zu Verheirateten statt.»
Dieser «Heiratsbonus» sei sogar noch grösser als bisher angenommen. Bisher berücksichtigte man, dass Verheiratete – im Gegensatz zu Konkubinatspaaren – von Witwen- und teilweise Witwerrenten profitieren. Und dass Ehefrauen, die nicht erwerbstätig sind, keine AHV-Beiträge zahlen müssen. Eine Verkäuferin trägt mit ihren AHV-Beiträgen zu Renten von Ehefrauen bei, die nie AHV-Beiträge geleistet haben.
Bisher wenig beachtet wurden laut «NZZ» die Folgen der Einkommensteilung, wenn Ehepaare sich scheiden lassen oder wenn der zweite Ehegatte das Rentenalter erreicht. Wenn beispielsweise ein Ehepartner während der Ehe ein Jahreseinkommen von 70’000 und der andere 30’000 Franken hatte, wird für die Jahre der Ehe jedem Partner ein Einkommen von 50’000 CHF angerechnet (Summe geteilt durch zwei). Damit sollen beide Partner bei der Rentenberechnung gleichbehandelt werden. Bei Konkubinatspartnern würden die Einkommen nicht so berechnet, was sie bei den Renten benachteilige.
AHV-Privilegien nur für Verheiratete
Die Medien sollten es längst mitbekommen haben: Die Mitte pickt willkürlich die Tatsache heraus, dass Ehepartner zusammen nur anderthalb AHV-Renten bekommen, selbst wenn beide erwerbstätig waren. Und dass bei doppelverdienenden Ehepartnern die Einkommen addiert werden, so dass sie zu einem höheren Steuersatz besteuert werden als doppelverdienende Konkubinatspaare. Daraus machte die CVP den Begriff «Heiratsstrafe» und ging bei ihrer Wählerschaft auf Stimmenfang.
Bei der AHV wird gerne unterschlagen, dass Verheiratete, die nicht erwerbstätig sind, von der Beitragspflicht befreit sind, wenn der andere Partner AHV-Beiträge bezahlt – ohne dass dadurch die anderthalbfache Rente für das Ehepaar gekürzt würde. Deshalb zahlt eine Sekretärin mit ihren AHV-Beiträgen an die AHV-Renten von nicht erwerbstätigen Hausfrauen von Managern. Für die AHV gibt es dadurch Mindereinnahmen von 200 Millionen Franken (Stand 2019, heute werden es mehr sein).
Deutlich stärker fallen Witwen- und Witwerrenten ins Gewicht. Sie schlagen mit jährlich 1,7 Milliarden Franken zu Buche. Unverheiratete Paare erhalten weder Witwen- noch Witwerrenten.
Dann gibt es auch noch einen Verwitwetenzuschlag, der die AHV-Rechnung um weitere 1,2 Milliarden Franken belastet. Das geht so: Stirbt der Ehepartner, wird die Plafonierung der Rente rückgängig gemacht, und der überlebende Teil erhält auf die Einzelrente einen Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent. Die Einzelrente plus Zuschlag darf jedoch die Maximalrente von 2370 Franken nicht übersteigen.
Grosser Heiratsbonus bei anderen Sozialversicherungen
Bei den übrigen Sozialversicherungen erhalten verheiratete Paare unter sonst gleichen Bedingungen rund 2,8 Milliarden Franken mehr als Konkubinatspaare. Beispielsweise können unverheiratete Paare weniger von Beitragserleichterungen oder Hinterlassenenleistungen profitieren. Verheiratete werden auch bei der Unfall- und Militärversicherung besonders versichert und gegenüber Unverheirateten privilegiert.

Verheiratete erben gegenseitig steuerfrei
Auch bei den Steuern wandelt sich die «Heiratsstrafe» in einen Heirats-Bonus, wenn man nicht isoliert und willkürlich nur den höheren Steuersatz von doppelverdienenden Ehepaaren betrachtet. Nur sehr reiche Doppelverdiener-Ehepaare werden stärker belastet. Bei mittleren Einkommen können Ehepaare oft von Verheirateten- und Zweiverdienerabzügen Gebrauch machen. In Kantonen, die das Vollsplitting kennen, wird das Gesamteinkommen des Ehepaars für die Bestimmung des Steuersatzes halbiert. Das führt zu einer erheblichen «Konkubinatsstrafe» und «Single-Strafe». In etwas vermindertem Masse gilt dies auch in Kantonen mit einem Teil-Splitting, bei dem das Gesamteinkommen nicht durch 2, sondern nur durch 1,6 oder 1,8 geteilt wird.
Bei der Bundessteuer können Verheiratete – im Gegensatz zu Konkubinatspaaren – 2800 Franken von den Steuerbetrag abziehen. Überdies können zweitverdienende Ehepaare einen Zweitverdienerabzug gelltend machen: Er beträgt 50 Prozent des niedrigeren massgebenden Erwerbseinkommens, jedoch mindestens 8’600 und höchstens 14’100 Franken.
Schliesslich gibts auch bei den Steuern einen verlockenden Heiratsbonus: Nicht bei der Einkommens-, aber bei der Erbschaftssteuer. Frauen und Männer zahlen auf das Erbe ihres Ehepartners keine Erbschaftssteuer, Konkubinatspartner hingegen ausser in den Kantonen Schwyz und Obwalden meistens eine happige. Vier weitere Kantone gewähren Konkubinatspaaren wenigstens einen ermässigten Steuersatz.
Fazit
Bei den Sozialversicherungen und Steuern sind im Schnitt am meisten die rund 1,3 Millionen Personen benachteiligt, die in Eiinzelhaushalten leben. Man spricht von der «Single-Strafe».
Ginge es wirklich um eine bestmögliche Gleichbehandlung zwischen Verheirateten und Unverheirateten, müssten alle ungleichen Behandlungen bei Steuern, AHV, Pensionskassen und anderen Sozialleistungen und -versicherungen gesamthaft angegangen werden.
Bei den Steuern wäre eine Abkehr von der Paarbesteuerung hin zur Individualbesteuerung eine neutrale, transparente und gerechte Besteuerung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Sorry, aber so einen Unsinn zu diesem Thema habe ich nun sehr selten gelesen!
Mal diese Beispiel «Bei der AHV wird gerne unterschlagen, dass Verheiratete, die nicht erwerbstätig sind, von der Beitragspflicht befreit sind, wenn der andere Partner AHV-Beiträge bezahlt». Ja wie soll den der Partner AHV Beiträge leisten wen er nichts verdient? Dafür, und das war so gewollt kümmert sich die eine Hälfte für den Nachwuchs und den Haushalt vollumfänglich. Das ist eine sehr ehrenwerte Arbeit.
Zu dem Erben:
Stirbt ein Konkubinatspartner, hat der überlebende Partner keinen gesetzlichen Erbanspruch. Mit einem Erbvertrag können sich Konkubinatspartner jedoch gegenseitig begünstigen. Er zahlt einen wesentlichen geringere Erbschaftsteuer. Aber es muss geregelt sein.
Warum Heiraten viele nicht?
Weil es teurer kommt! Der Staat nimmt sich dann ein Teil den man sonst im Kässelli hätte.
Frage warum lassen sich sogar Alte scheiden nur aus Finanziellen Gründen. Bleiben aber zusammen?
Sie verschweigen, dass alle Nichtverdiendenden – ausser die Verheirateten – AHV-Mindestbeiträge zahlen müssen. Bei Arbeitslosen werden die AHV-Beiträge direkt vom Arbeitslosengeld abgezogen.
Bei den Heiraten trifft meistens das Gegenteil zu: Viele heiraten aus finanziellen Gründen, damit sie von den besseren Sozialleistungen und vom steuerbefreiten Erben profitieren können.
„Ginge es wirklich um eine bestmögliche Gleichbehandlung zwischen Verheirateten und Unverheirateten, müssten alle ungleichen Behandlungen bei Steuern, AHV, Pensionskassen und anderen Sozialleistungen und -versicherungen gesamthaft angegangen werden. Bei den Steuern wäre eine Abkehr von der Paarbesteuerung hin zur Individualbesteuerung eine neutrale, transparente und gerechte Besteuerung.“
Der zweite Satz widerspricht dem erstem. Die Individualbesteuerung ist alles andere als “neutral” gegenüber unterschiedlichen Familienmodellen. Sie „bestraft“ (!) Familien mit zwei sehr ungleichen Einkommen und bevorzugt solche mit zwei etwa gleich hohen Einkommen. Weshalb sollte es den Staat etwas angehen, wie Familien ihre innere Aufgabenteilung regeln?
Ein hinsichtlich aller familiären Lebensformen neutrales Steuersystem bietet nur das Splitting: Man addiert alle Einkommen und Vermögen der Lebensgemeinschaft und teilt sie durch die Zahl der steuerpflichtigen Köpfe. Fair und simpel!
Noch etwas: „Gesamthaft findet in der AHV nach wie vor eine Querfinanzierung von Ledigen zu Verheirateten statt.“ (NZZ) Das ist, soweit es teilweise überhaupt stimmen mag, zumindest bei Rentnerehepaaren, die Kinder aufgezogen haben, keineswegs ein „Heiratsbonus“ (upg), sondern höchstens ein sehr bescheidener Teilausgleich für deren Investition in die zukünftigen Rentenzahler, die auch die späteren AHV-Renten der Ledigen bzw. Kinderlosen mitfinanzieren.
Kinder machten Sie hoffentlich zur eigenen Freude und nicht, um in künftige Rentenzahler zu investieren. Ein Kind und ein Jugendlicher und Auszubildender kostet dem Staat und damit den anderen Steuerzahlenden ein Vielfaches von dem, was es oder er zur AHV-Rente von anderen je beitragen kann.