Kommentar
Deutschland: Keine Lohnfortzahlung während Corona-Quarantäne
Red. Die Gesundheitsminister der deutschen Bundesländer haben beschlossen, ab November den Lohnausfall wegen Quarantänen nicht mehr zu bezahlen (siehe Beschluss hier). Der Autor dieser Kolumne, Bernd Hontschik, ist Chirurg und Publizist.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist für uns alle eine Selbstverständlichkeit. Als unter Bismarck ein Sozialgesetz nach dem anderen in Kraft trat, ging es der damaligen Regierung in erster Linie darum, der erstarkenden Sozialdemokratie den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Gesetz über die Krankenversicherung der Arbeiter von 1883 garantierte den Versicherten schon damals kostenfreie ärztliche Behandlung und für maximal dreizehn Wochen ein Krankengeld ab dem dritten Erkrankungstag. Das Gesetz ist in den letzten 138 Jahren vielfach modifiziert worden, insbesondere ist die Lohnfortzahlung heute auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Und: Wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat, so entfällt der Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Was aber heisst «selbst verschuldet»? Verletzt beim Drachenfliegen, Motorradrennen, Fussballspielen, bei gefährlichen Sportarten – selbst verschuldet? Bei Rot über den Fussgängerstreifen gegangen und angefahren worden – selbst verschuldet? Geschlechtskrank wegen ungeschütztem Verkehr – selbst verschuldet? Volltrunken vom Barhocker gefallen – selbst verschuldet? Arbeitsunfähig wegen Schönheitsoperationen, Kinderwunschbehandlungen, Kettenrauchen – selbst verschuldet?
Nach bisheriger Rechtsprechung kann ein Arbeitnehmer mit seiner Gesundheit umgehen, wie er das für richtig hält. Man darf hemmungslos rauchen, man muss sich nicht impfen lassen, und man kann essen und trinken, was und so viel man möchte. Die Latte für den Verlust der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall lag und liegt sehr hoch. Jedenfalls bis jetzt.
Sonderfall Quarantäne
Ein Sonderfall aber ist die Quarantäne, denn die Betroffenen sind ja nicht krank. Sie müssen zu Hause bleiben, weil sie mit Erkrankten Kontakt hatten. Die Lohnfortzahlung im Quarantänefall wird daher vom Staat getragen, nicht von den Arbeitgebern, nicht von den Krankenkassen. Die Bundesländer haben dafür bislang mehr als 600 Millionen Euro zahlen müssen.
Das wollen sie nun nicht mehr. «Wer sich die Freiheit herausnimmt, sich nicht impfen zu lassen, obwohl medizinisch nichts dagegenspricht, steht für die Folgen selbst ein – nicht die Solidargemeinschaft», sagt der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, sagen die Arbeitgeberverbände, sagen unisono CDU, SPD, Grüne, FDP, ja sogar die Linke. Dieser Beschluss wird zur Verheimlichung von Testergebnissen führen, denn die ökonomische Drohung geht an deren Existenz. So wird eine versteckte Nische der Pandemie entstehen, eine unbeherrschbare obendrein.
Impfzwang durch die Hintertür
Dieser Beschluss ist aber nicht nur kontraproduktiv, sondern auch ein mehrfacher Skandal. Zum einen wird auf diese Weise der Druck auf Nicht-Geimpfte weiter erhöht. Das ist Impfzwang durch die Hintertür. Man darf sich nicht fürchten vor dieser Impfung, man darf sich keine Sorgen machen über diese neue Technologie, man darf sich keine Gedanken machen über eventuelle Langzeitfolgen. Impfen oder nicht: das ist inzwischen eine politische Entscheidung, keine medizinische mehr.
Zum zweiten wird das Schuldprinzip wieder salonfähig gemacht. Dass man sein Leben gestalten kann, wie man das für richtig hält, gilt nicht mehr. Die panische Angst vor der nächsten Welle der Pandemie wird als Vorwand missbraucht für einen weiteren Abbau des Solidarprinzips.
Wer sich nicht impfen lässt, ist aber keineswegs automatisch unsolidarisch, schädlich für die Allgemeinheit, sondern vielleicht einfach nur ängstlich oder vorsichtig. Wer sich nicht impfen lässt, kann sich dennoch perfekt und vorbildlich an alle Vorsichtsmassnahmen halten und stellt keine Gefahr für seine Mitmenschen dar.
Der dritte und schlimmste Teil dieses Skandals: Die Spaltung der Gesellschaft in Gute und Böse. Wie soll diese Wunde jemals wieder heilen?
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Diese Kolumne erschien am 25. September 2021 in der «Frankfurter Rundschau».
In der Schweiz zahlen die AHV-Ausgleichskassen
upg. Personen, die wegen einer Quarantänemassnahme ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen und vom Arbeitgeber keinen Lohn erhalten, haben Anspruch auf Erwerbsersatz, sofern sie nicht in einem Land mit erhöhtem Infektionsrisiko waren, und sofern die Arbeit im Homeoffice nicht möglich war:
- Personen in Quarantäne haben Anspruch auf die Entschädigung für Erwerbsausfall.
- Es besteht Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz, wenn man die Quarantäne unverschuldet antreten muss. Unverschuldet heisst beispielsweise, dass das Reiseziel zum Zeitpunkt der Abreise nicht auf der Liste der Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko stand und man zum Zeitpunkt der Abreise auch nicht aufgrund einer offiziellen Ankündigung wissen konnte, dass das Reiseziel während der Reise auf diese Liste gesetzt wird.
- Somit besteht kein Anspruch auf Entschädigung, wenn das Reiseziel bei Ihrer Ausreise bereits auf der Liste der Staaten und Gebiete mit erhöhtem Infektionsrisiko stand.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wie immer man persönlich zu diesem Beschluss stehen mag, er ist ein Produkt der Demokratie. Die Deutschen hatten genug Zeit für Alternativen, sie zogen das «Bewährte» vor. Also so geliefert wie bestellt. Hinter dieser Regelung steht wie gesagt die Mehrheit, das nennt man Demokratie oder «Diktatur des Pöbels». Ich bin überzeugt, dass solche Regeln auch in der Schweiz mehrheitsfähig sind.
Die Deutschen waren um ihre Wahl ja nicht unbedingt zu beneiden. Wer etwas wirklich anderes als die bestehende Regierung wollte, hätte fast AfD wählen müssen. Das nenne ich mal eine tolle Alternative!
Vor allem hat die «vierte Gewalt» in Deutschland auf der ganzen Linie versagt. Die Medien äusserten kein kritisches Wort gegen die Linie der Regierung. Sie haben ihre ganze Kraft dafür eingesetzt, Vertreter abweichender Meinungen in den Schmutz zu ziehen.
Danke Herr Hontschik für diesen Artikel!
Sie schreiben: Wer sich nicht impfen lässt, ist aber keineswegs automatisch unsolidarisch, schädlich für die Allgemeinheit, sondern vielleicht einfach nur ängstlich oder vorsichtig.
Sie haben einen sehr wesentliche Grund für das Unterlassen dieser «Impfung» vergessen:
Informiert sein!
Offen praktizierter Totalitarismus wie in autokratisch beherrschten Staaten finde ich schlimm. Und was, wenn er in einem demokratisch regierten Land versteckt inszeniert wird? Was sich im Zusammenhang mit Corona in unserer Gesellschaft zeigt, macht mich traurig. Meiner Stimmung entspricht das Lied der Schweizer Sängerin Yoko, zu dem mir heute (aus Deutschland, wo es noch schwieriger zu sein scheint?!) ein Freund den Link gemailt hat: https://youtu.be/jV5FMfFfcOs.
Soviel ich weiß, haben sowohl Linke als auch DGB ganz klar Position gegen den Wegfall der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte in Quarantäne Stellung bezogen. Die Aussage, dass sie ihn befürworten, halte ich daher für eine Ente.