Sonntags-Zeitung rechnet falsch und leidet mit Superverdienern
Da hat die Sonntags-Zeitung aber etwas aufgedeckt! «Sergio Ermotti und andere Wirtschaftsführer zahlen über eine Million Franken in die AHV. Jetzt sollen sie noch mehr geschröpft werden», schreiben Mischa Aebi und Adrian Schmid in der gestrigen Ausgabe.
Konkret: Novartis-Chef Vas Narasimhan zahlte im letzten Jahr nach Angaben der Sonntags-Zeitung «schätzungsweise 1,4 Millionen in die AHV ein». Bei UBS-Chef Sergio Ermotti seien es 2020 «geschätzte 1,1 Millionen Franken» gewesen. Bei Nestlé-Chef Ulf Mark Schneider 2022 «insgesamt 835’000 Franken». Und Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher habe «rund 100’000 Franken an die AHV überwiesen».
Es sind «nur» 700’000 Franken
Bevor Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auch noch Mitleid entwickeln, liefert Ihnen Infosperber ein paar Zahlen. Vas Narasimhan hat letztes Jahr 16 Millionen Franken verdient. Das ist fast doppelt so viel wie im Jahr davor. Mitleid hat er also nicht nötig.
Der Arbeitgeber von Narasimhan, also die Novartis, zahlt auf diesem Lohn AHV-Beiträge in der Höhe von 4,35 Prozent ein – das sind knapp 700’000 Franken. Weitere 4,35 Prozent zieht die Novartis von Narasimhans Lohn ab. Sein Lohnabzug beträgt demnach 700’000 Franken. Dass er 1,4 Millionen Franken einzahlte, ist falsch.
Weiter schreibt die Sonntag-Zeitung, Narasimhan habe «damit nicht weniger als 80 Renten finanziert». Auch das ist falsch. Es waren weniger. Und zwar deutlich weniger!
Narasimhan «zahlt» 31 Renten…
Infosperber liefert auch hier die Zahlen: Die durchschnittliche monatliche Altersrente betrug in der Schweiz 2022 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) bei Männern 1862 Franken pro Monat, bei Frauen 1884 Franken. Das ergibt eine Jahresrente von knapp 22’500 Franken. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge reichen im Fall Narasimhan also für 62 Renten. Die Lohnabzüge alleine sogar «nur» für 31 Renten.
…und verdient so viel wie 190 Angestellte
Die Sonntags-Zeitungs-Journalisten hätten auch eine andere Rechnung anstellen können. Sie hätten sich zum Beispiel beim Bundesamt für Statistik nach dem Medianlohn erkundigen können. Die Hälfte der Beschäftigten verdient weniger als den Medianlohn, die andere mehr. Dieser Medianlohn liegt bei gut 80’000 Franken pro Jahr. Narasimhan erhält 16 Millionen Franken. Das heisst: Er verdient gleich viel wie 190 Angestellte. Aber seine Lohnabzüge reichen – wie erwähnt – «nur» für 31 Renten.
Trotzdem dominiert bei der Sonntags-Zeitung das Mitleid mit den Superverdienern. Sie schreibt – in einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen: «Selbst ausländischen Chefs von Schweizer Grosskonzernen werden Teile des Lohns für die AHV abgezogen, wie die Unternehmen bestätigen.» Aber warum, liebe Sonntags-Zeitungs-Journalisten, sollte es bei einem amerikanischen Konzernchef anders sein als bei einem italienischen Pizzaiolo?
Die Sonntags-Zeitung hat übrigens auch herausgefunden, dass «geldwerte Vorteile, die in Form von Aktien oder Optionen an Arbeitnehmende gewährt werden, als massgebender Lohn gelten und der Beitragspflicht in der AHV unterliegen». Hoffentlich auch! Alles andere wäre skandalös.
Nun müssen wir natürlich aufpassen. Denn laut der Sonntags-Zeitung «warnen Ökonomen vor einer Neiddebatte». Und das wollen wir nun wirklich nicht. Aber ein paar weitere kritische Blicke auf den Artikel in der Sonntags-Zeitung sind trotzdem angebracht:
- «Im Juni kommt mit der Prämienentlastungsinitiative ein zweites populäres Volksbegehren an die Urne, das die Umverteilung fördern will», schreibt die Sonntags-Zeitung. Das ist falsch. Die Initianten wollen nicht die Umverteilung fördern, sondern dafür sorgen, dass «maximal 10% des Einkommens für die Krankenkassenprämien» draufgehen. So lautet ja auch der Titel der Initiative. Umverteilung ist also nicht das Ziel, sondern das Mittel.
- Weiter schreibt die Sonntags-Zeitung: Die «Umverteilung von Reich zu Arm beabsichtigen die Juso mit der diese Woche eingereichten Initiative, die für Erbschaften ab 50 Millionen Franken einen Steuersatz von 50 Prozent fordert». Auch das ist falsch. Die Juso wollen das Geld für Gebäudesanierungen, den Ausbau erneuerbarer Energien, Umschulungsprogramme für Beschäftigte in klimaschädlichen Sektoren und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs einsetzen. Davon profitieren Arm und Reich.
- Die AHV bezeichnet die Sonntags-Zeitung schliesslich als «grosse Umverteilungsmaschine». Auch das ist falsch. Zweck der AHV ist nicht die Umverteilung, sondern die Sicherung des Existenzbedarfs von Alten und Hinterbliebenen – wie es der Name Alters- und Hinterbliebenenversicherung sagt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Reisserische Schlagzeilen verkaufen sich eben besser, wie korrekt aufbereitete Fakten. Ich bin froh, dass es noch Publikationen wie den Inforsperber gibt.
Dieser Sonntagszeitung Artikel war zum heulen, auch der Artikel von Arthur Rutishauser zum gleichen Thema.
Alles falsch, was da berechnet wurde. Und die Ehempaare im Ruhestand (Rentenplafonierung) hat man ohnehin vergessen. Wir zahlen pro Monat CHF 1225 an die AHV, denn dieser Betrag wird uns vorenthalten. Ergibt in 20 Jahren die erkleckliche Summe von CHF 294’000. Ehepaare werden diskriminiert, schöne soziale AHV!
Danke für diese Diskriminierung.
Auch die Beispiele Arzt und Sekundarlehrer (selbst als Singlepersonen) waren falsch berechnet. Da bleibt kein Nettogewinn!
Und was soll das fiktive Beispiel mit einem zukünftigen CEO??
Dieser Artikel müsste unbedingt in der nächsten Sonntagszeitung publiziert werden, vielleicht als Gegendarstellung, weil erwiesenermassen falsche Informationen (Fake News) verbreitet wurden.
Meine einzige Frage : Erzählen die was sie glauben oder erzählen sie es wider besseren Wissens ? Vermute das zweite.
Danke für den Beitrag. Dies war unter anderem ein Grund, warum ich im Sommer 2020 aus dem Sonntags-Zeitung Abo ausgestiegen bin.
Danke für diese Klarstellung.
«Neiddebatte»: Wirklich lustig, dass die neuerdings von oben her geschürt wird. Bis anhin hat es nicht gestört, dass die AHV-Renten der einen (und die jeweiligen Erhöhungen) nur halb so hoch sind wie die der anderen. (Danke für all die Zahlen hier.) Aber jetzt soll das plötzlich ein Problem sein…
Dass Frau Martullo-Blocher vergleichsweise wenig zu ‹verdienen› scheint, liegt wohl daran, dass Ihr Einkommen hauptsächlich aus nicht-AHV-pflichtigen Dividenden besteht. Und dass der Novartis-Chef so viel garnieren kann, liegt daran, dass wir die völlig überteuerten Pharma-Produkte auch dann bezahlen, wenn wir sie gar nicht selber kaufen. Nämlich via Krankenkassen-Beiträge. Sehr feudal. (Ich komme jedenfalls nicht in Gefahr, hier Mitleid zu entwickeln 😉
Diese Ärmsten tun mir wirklich leid und da habe ich mir gleich eine gute Flasche entkorkt. Ich frage mich ob sie alle nun auf die Bahamas fliehen um vor unserem teuren Steuer- und AHV-Vogt untertauchen zu können oder fliessen da wo möglich noch ein paar 100 Tausender unter der Theke aufs Konto dieser Gutmenschen. Vielleicht sollten sie sich beim Sozialdienst melden…
Schön, wenn Infosperber wiedereinmal das schreibt, was im Artikel irgendwie vergessen ging. Doch der Abschluss hat mich etwas überrascht, klar ist die AHV eine Umlagerung von Reich zu Arm und das ist auch gut so. Da kann schon dazu stehen. Denn Reiche zahlen deutlich mehr ein als Ärmere und bekommen aber nicht mehr. Hoffentlich kommt auch die Erbschaftssteuer Initiative durch, das wäre ein zweiter wichtiger Hebel zur Umlagerung, dass die Schere zwischen Arm und Reich, nicht noch weiter aufgeht. Finde auch gut, wenn sich die JuSo mal wieder an ein wichtiges und relevantes Thema wagt, kam selten genug vor, in der näheren Vergangenheit.
Ja, natürlich sorgt die AHV für eine Umverteilung von Arm zu Reich. Aber es ist nicht der Zweck der AHV. Der Zweck der AHV ist die Existenzsicherung von Alten und Hinterbliebenen. Die Umverteilung ist das Mittel dazu. Wenn die Sonntags-Zeitung die AHV als «Umverteilungsmaschine» bezeichnet, dann ist das meines Erachtens zumindest polemisch.
Einigermassen frei von Geiz und Neid bezahlen wir in die AHV ein, nach Einkommen – oft grosse Beträge – und beziehen im Umlageverfahren mehr oder weniger kleine Beträge. Verglichen mit den Einzahlungen ist der Bezug von AHV-Rente viel weniger als einbezahlt wurde oder viel mehr.
Ein erheiternder Artikel, danke Infosper, ich musste ein paar Mal herzhaft lachen. Wo doch die AHV Debatte ansonsten wirklich nichts zu lachen gibt. So absurd diese Berechnungen, erstaunlich, dass die Autoren das selber glauben, kaum zu fassen. Erwachsene Menschen. Und die Wertungen, die sie daraus ziehen, also durchschaubarer geht nicht mehr. Man könnte fast denken, es ist Satire.
«Der Arbeitgeber von Narasimhan, also die Novartis, zahlt auf diesem Lohn AHV-Beiträge in der Höhe von 4,35 Prozent ein – das sind knapp 700’000 Franken. Weitere 4,35 Prozent zieht die Novartis von Narasimhans Lohn ab. Sein Lohnabzug beträgt demnach 700’000 Franken.»
Das gibt in Summe 1.4 Mio, die für den Lohn von Narasimhan in die AHV einbezahlt worden sind. Nicht, dass ich den «Lohn» von 1.4 Mio gerechtfertigt fände… Aber Marco Diener macht hier mMn aus einer Mücke einen Elefanten (von Verrechnen kann keine Rede sein) und ist etwas gar stark im Abstimmungsmodus. Was sagt man dazu, wenn es den Gegner betrifft? Propaganda.
Mal angenommen, ein Angestellter habe einen Bruttolohn von 100’000 Franken. Dann zieht ihm der Arbeitgeber davon 4350 Franken ab und überweist diese an die AHV. Der Arbeitgeber seinerseits überweist ebenfalls 4350 Franken an die AHV. Wenn der Angestellte nun behauptet, er zahle 8700 Franken an die AHV, dann ist das falsch. Aber grosse Zahlen machen halt mehr Eindruck. Und das hat sich die Sonntags-Zeitung zunutze gemacht. Aber ist nicht das Propaganda – das Operieren mit falschen Zahlen?
Herr Diener, ich sehe Ihre Argumentation schon, aber Sie scheinen meine nicht zu sehen. Offenbar war ich nicht klar genug, mein Fehler.
Aus Sicht der AHV wurde für den Arbeitnehmer Narasimhan total 1.4 Mio einbezahlt. Das haben Sie ja selber vorgerechnet. Sie teilen das technisch korrekt auf in Anteil Arbeitgeber und Anteil Arbeitnehmer. Aus finanzieller Sicht des gesamten Systems «AHV» spielt das aber keine Rolle. Die AHV wurde wegen Narasimhan insgesamt mit 1.4 Mio alimentiert.
Angenommen, es gäbe keine AHV. Ceteris Paribus (was es nie gibt, aber manchmal fürs Denken ein hilfreiches Konzept ist) wäre der Lohn von Narasimhan diese 1.4 Mio höher als der nun auf sein Konto ausbezahlte Betrag (zugegeben, kein Beweis, aber ökonomisch plausibel). Meine Interpretation ist somit auch aus Sicht eines Arbeitnehmers, dass die gesamten AHV-Kosten zu Lasten von mir bezahlt werden. Der Arbeitgeber ist nur die Abwicklungsstelle (oder etwas salopp ausgedrückt ein «Durchlauferhitzer»).
Herr Schmid, Sie haben recht, wenn Sie schreiben, «aus Sicht der AHV wurden für den Arbeitnehmer Narashimhan total 1,4 Millionen Franken einbezahlt».
Aber die Sonntags-Zeitung hat nicht aus Sicht der AHV geschrieben. Sie hat aus Sicht der Superverdiener geschrieben: Narasimhan «zahlte auch schätzungsweise 1,4 Millionen Franken in die AHV ein». Und das ist falsch. Ähnlich hat die Sonntags-Zeitung auch bei den anderen Superverdienern formuliert. Der Artikel war reine Propaganda gegen die 13. Rente.
Und: Nirgends steht geschrieben, dass, wenn es die AHV nicht gäbe, Narasimhan noch mehr Lohn erhalten hätte. Vielleicht wäre das Geld auch für höhere Dividenden verwendet worden. Niemand kann das wissen.
Herr Schmid, die Sonntagszeitung hat sich doch verrechnet. Der persönliche Beitrag von Herrn Narasimhan an die AHV ist 700’000 Franken. Die anderen 700’000 Franken gehen zu Lasten der Firma Novartis (Netto-Lohn + AHV-Beitrag + PK-Beitrag + Unfallversicherung + Spesen). Diese gesamten Lohnkosten belasten nur Novartis, nicht Herrn Narsimhan, d.h. sie entziehen der Firma Substanz, welche diese sinnvoller in die Entwicklung und Produktion von günstigeren Medikamenten investieren könnte.